Presseschau

Basler Zeitung vom 02.02.2019

«Ich habe keine Meuterei gesehen»

Marcel Koller spricht vor dem Rückrunden-Start über unsichtbare Baustellen, geile Kicker und lärmende Nachbarn

Von Oliver Gut und Tilman Pauls

BaZ:

Marcel Koller, wer wird im Sommer Schweizer Fussball-Meister?

Marcel Koller:

Wenn ich das jetzt schon wüsste, könnte ich anfangen zu wetten. Ich bin kein Wahrsager. Aber ich weiss, worauf Sie abzielen.

Worauf denn?

Dass der Vorsprung der Young Boys mit 19 Punkten so gross ist, dass sich die Frage nach der Meisterschaft gar nicht mehr stellt. Aber es ist noch nichts entschieden.

Aber muss man bei so einem Rückstand nicht davon ausgehen, dass die Berner den Titel gewinnen?

Es sieht natürlich alles danach aus, aber es ist noch nichts beglaubigt.

Um was geht es für den FCB angesichts dieser Ausgangslage noch?

Es geht darum, den Rückstand zu verkleinern. Wir wollen den zweiten Platz verteidigen.

Worum geht es losgelöst von Punkten, Rückständen und Platzierungen?

Wir wollen unseren Weg weitergehen. Wir wollen offensiven und attraktiven Fussball zeigen. Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen.

Was gibt Ihnen das Gefühl?

Habe ich nicht in der

Basler Zeitung

gelesen, dass wir der Transfersieger des Winters sind (lacht)? Mit den verletzten Spielern, die uns wieder zur Verfügung stehen, haben wir andere Voraussetzungen.

Zum Abschluss der Hinrunde sagten Sie, dass Sie keine Baustellen erkennen. Haben Sie in der Vorbereitung vielleicht doch eine Problemzone entdeckt?

Ich habe tatsächlich kein grosses Loch gesehen, dass wir hätten zuschütten müssen. Eine Baustelle waren sicher die Verletzten – aber da wussten wir frühzeitig, dass sie uns wieder zu Verfügung stehen würden.

Der Verein hat mit Nacho Torreno einen neuen Athletiktrainer verpflichtet. Also gab es zumindest in diesem Bereich offenbar eine Baustelle.

Das war eine Entwicklung, keine Baustelle. Marco Streller kannte Nacho bereits und wir haben gute Gespräche mit ihm und Luis Suarez geführt. Das Gefühl, dass wir hatten, hat sich bislang auch voll und ganz bestätigt.

Wie sehr verändert Torreno Ihre Arbeit? Wir haben gehört, dass Sie nach Ihrem Amtsantritt den Lead in diesem Bereich übernommen haben, während Torrenos Vorgänger kaum noch Einfluss hatten.

Ich will nicht über Leute reden, die nicht mehr im Verein sind. Nacho und Luis harmonieren sehr gut und haben eine grosse Erfahrung in diesem Bereich. Aber das sagt nichts über die Arbeit ihrer Vorgänger aus.

Aber Ihr Zusammenspiel mit Torreno ist vermutlich ein anderes als mit dessen Vorgängern, oder?

Das kann man so stehenlassen.

Ansonsten hat der FC Basel kein neues Personal verpflichtet.

Wir sind mit 31 Spielern ins Trainingslager gefahren und alle haben trainiert. Dann sieht man mal, was wir für eine Qualität im Kader haben.

Aber einen Wunsch haben Sie doch sicher geäussert.

Als Trainer hat man immer Wünsche. Ich wäre wohl der erste Trainer, der nicht gerne eine Verstärkung hätte. Aber wenn wir neue Spieler holen, dann müssen sie auch besser sein als diejenigen, die wir haben. Es bringt nichts, wenn wir einen Spieler holen, damit am Ende 32 auf dem Platz stehen. Theoretisch ist das Team stark genug, um guten Fussball zu spielen.

Und praktisch?

Wir müssen die Theorie auf den Platz bringen. Man muss das Einstudierte umsetzen, mit dem Druck umgehen, mit Rückschlägen zurechtkommen.

Im Herbst fand zwischen Ihnen und Teilen der Mannschaft ein Austausch statt, der hier und da etwas übertrieben als Revolte dargestellt wurde. Würden Sie diese Gespräche mit einigem Abstand als konstruktiv bewerten?

Absolut. Ich habe das auch gar nicht so empfunden wie Sie. Ich habe keine Meuterei gesehen. Für mich war das ein kommunikatives Missverständnis.

Was meinen Sie damit?

Vielleicht haben die Mannschaft und ich im Vorfeld zu wenig miteinander kommuniziert. Ich habe gedacht, dass ich meine Überlegungen klar dargestellt habe. Das haben wir geklärt. Darum war die Aussprache auch nicht so gravierend, wie es teilweise dargestellt wurde.

Einige Wortführer des Teams waren erst bei Ihnen, ehe sie das Gespräch mit dem Sportchef und dem Präsidenten gesucht haben.

Es spielt ja keine Rolle, wie es genau war. Sie hatten Ihre Geschichte, wir hatten ein gutes Gespräch und es ist alles ausdiskutiert.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Gesprächen?

Die grösste Erkenntnis ist sicher, dass solche Gespräche wichtig sind. Wenn ich etwas nicht richtig verstehe, muss ich fragen. Wenn etwas nicht klar ist, muss ich nachhaken.

Hatten Sie immer das Gefühl, dass es sich um konstruktive Gespräche handelt? Haben Sie nicht im ersten Moment gedacht: Stop, hier läuft etwas falsch!

Nein. Das hat sicher auch mit meiner Erfahrung zu tun, dass ich in solchen Situationen nicht überreagiere. Ich habe die Gespräche angenommen, mich hinterfragt und probiert, das Konstruktive daraus zu filtern. Schon in den letzten beiden Spielen der Hinrunde sind Dinge eingeflossen.

Welche denn? Ein Punkt, der von der Mannschaft angesprochen wurde, war die teilweise vorsichtige Spielweise.

Uns war klar, dass wir anders spielen wollten. Aber wenn man mitten in einer Saison zum Team stösst, dann muss man erst mal herausfinden, was geht und was nicht.

Ist die – etwas salopp formuliert – Auferstehung Zdravko Kuzmanovics auch eine Folge dieser Aussprache?

Das hat keinen direkten Zusammenhang. Zdravko hat im Herbst viel und intensiv trainiert, obwohl wir relativ streng mit ihm waren. Er hat gezeigt, was er kann.

Sie haben ihn zuletzt als geilen Kicker bezeichnet. Wie häufig nutzen Sie solche Begriffe?

Fast jeden Tag (lacht). Das hatte mit der Situation zu tun; und Zdravko ist eben ein geiler Kicker.

Wie sehr ist der geile Kicker Zdravko Kuzmanovic künftig bereit, defensiv zu arbeiten? Es heisst, er hätte auch Ihnen gegenüber geäussert, dass dies nicht so seine Sache sei.

Zdravko hat auch mitbekommen, dass wir beides brauchen. Man kann nicht nur Fussball spielen, wenn man den Ball am Fuss hat.

Sind Sie ein strenger Mensch?

Meine Erfahrung zeigt mir, dass es für Erfolg Disziplin braucht. Erst recht in einer Gruppe von 40, 50 Personen. Das ist wie auf dem Rasen: Wenn der eine nach vorne rennt, der andere nach hinten und der Dritte nach links, dann wird es schwer. Es braucht eine gewisse Disziplin, um eine Gemeinschaft zu erzeugen. Aber das heisst nicht, dass niemand Freiheiten hat. Und es bedeutet auch nicht, dass ich ein besonders strenger Mensch bin.

Geben Sie den Spielern viele Regeln an die Hand, auch abseits des Rasens?

Wenn es die Gemeinschaft nicht stört, ist für mich alles in Ordnung. Sie kennen das ja selber: Wenn Sie in einer Wohnung wohnen und über Ihnen ständig laute Musik läuft, dann wird das irgendwann zum Problem. Dann rufen Sie bei der Verwaltung an oder gehen bei Ihrem Nachbarn vorbei.

Wie sieht mit der Handyregel aus?

Ich bin der Meinung, dass Kommunikation wichtig ist. Und wenn man zusammen isst oder zusammen am Tisch sitzt, dann ist es doch etwas Schönes, wenn man miteinander redet. Haben Sie Kinder?

Ja.

Wenn Ihre Kinder am Tisch sitzen, das Handy vor der Nase habe und sich das Essen reinschaufeln – das wollen Sie auch nicht. In der Kabine können die Spieler ihr Handy benutzen, das haben wir noch nicht geklärt. Und ich habe zumindest auf dem Platz noch keinen mit seinem Handy an der Stange gesehen (lacht).

Warum haben Sie den Journalisten im Trainingslager verboten, sich vor und nach Terminen im Hotel aufzuhalten?

Stellen Sie sich vor, es läuft ständig ein Fotograf oder Journalist über die Anlage. Da verhält sich jeder Spieler anders. Im Sinne der Privatsphäre habe ich so entschieden und gebeten, dass dieser Wunsch respektiert wird.

Wie stehen Sie generell zu den Medien?

Ich finde es wichtig für alle, die sich für den FCB interessieren. Ich hatte immer ein korrektes Verhältnis zu den Medien. Sie beide haben auch Dinge geschrieben, über die ich mich genervt habe. Aber Sie nerven sich ja umgekehrt sicher auch über mich.

Wie finden Sie es eigentlich, wenn Sie lesen, dass Alex Frei als Verwaltungsrat zurücktritt und sich schon als FCB-Trainer der Zukunft positionieren soll?

Ich will das nicht gross kommentieren. Alex ist in der Ausbildung und es ist doch super, dass wir so viele junge und gute Trainer haben.

Wie sehr wird sich das Team, das am Sonntag gegen GC aufläuft, von dem der letzten zwei Spiele unterscheiden?

Das werden wir sehen. Wir haben vor der Winterpause zwei gute Spiele gezeigt, aber jetzt stehen uns die verletzten Spieler wieder zur Verfügung. Wir müssen die besten auswählen.

Werden wir mehr Tempo auf den Flügeln sehen wie zuletzt mit Noah Okafor und Aldo Kalulu?

Wenn man Spieler mit diesen Qualitäten hat, dann will man das natürlich sehen. Aber auch im Zentrum oder in der Defensive will jeder gerne Geschwindigkeit haben.

Werden wir Ricky van Wolfswinkel wieder im Zentrum sehen?

Wir sind Ricky dankbar, dass er auf der rechten Seite viel gearbeitet hat. Er hätte genug Gründe gehabt, um zu sagen: Hey, was macht ihr eigentlich mit mir? Jetzt haben wir mit Kalulu einen Spieler, der zum Schluss der Hinrunde immer besser geworden ist.

Was wäre ein gutes halbes Jahr für Sie?

Lassen Sie uns erst mal spielen. Wenn ich heute eine Prognose abgebe, kommen Sie im Sommer und sagen, was ich alles nicht eingehalten habe.

Wird die Rückrunde besser werden als die Hinrunde?

Es war auch in der Hinrunde schon vieles gut.

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