Presseschau

Aargauer Zeitung vom 06.02.2019

Visionen, Geschäfte und etwas Sport

Der Chennai-City-Präsident hat Grosses vor – ein Projekt in Finnland scheiterte, jetzt kooperiert er mit dem FCB

Jakob Weber

Anfang Juli 2017 landen vier indische Fussballer in Oulu, Nordfinnland. Sie sehen etwas bedröppelt aus und äussern sich in den Videointerviews, die ihr Verein Chennai City zur Dokumentation des einmonatigen «europäischen Abenteuers» gemacht hat, staunend. Es ist immer hell, trotzdem kalt und das mit der Zeitverschiebung hat ihnen auch keiner gesagt. Ihr Besuch hätte der Startschuss für eine langfristig angelegte Partnerschaft zwischen Chennai City und dem finnischen Zweitligisten JS Hercules sein sollen. Diese Geschichte zeigt, wie der indische Verein tickt.

Am heutigen Mittwoch präsentiert der FC Basel in Neu-Delhi die Inhalte einer Partnerschaft zwischen dem FCB und Chennai City. Damit tritt Basel in die Fussstapfen der Finnen und die haben vom Deal mit Chennai definitiv nicht profitiert.

Zurück nach Oulu, zurück ins Jahr 2017. Die vier indischen Gastfussballer Edwin Vanspaul, Nandha Kumar, Michael Soosairaj und Antony Beautin müssen nach ihrer Ankunft in Finnland Leistungstests machen. Kraft, Geschwindigkeit und Ausdauer werden von den finnischen Fitnesstrainern getestet. Das Ergebnis ist ernüchternd. Jani Ailovuo, der Hercules-Fitnesscoach, teilt den Fussballern mit: «Ihr seid sehr antrittsstark und schnell, aber in Sachen Kraft und vor allem bei der Ausdauer müsst ihr viel arbeiten.» Später veröffentlicht der finnische Verein einen Bericht auf der Vereinshomepage. Darin ist von «erheblichen Mängeln» die Rede. Ausserdem wird geschrieben: «Das Nützlichste war, dass sie eine konkrete Lektion erhalten haben.» Dazu ist eine Grafik abgebildet, die den Erfolg der finnischen Fitnessabteilung mit einem der vier Inder dokumentiert. Mit acht Prozent weniger Körperfettanteil, 1,8 Kilogramm mehr Muskelmasse und stärkeren Kraftwerten steigt Edvin Vanspaul zurück ins Flugzeug nach Chennai. Dort spielt er auch heute noch.

Fussball ermöglicht Geschäfte

Chennai-City-Präsident Rohit Ramesh ist der Sohn des Direktors von «The Hindu», eines der führenden Medienunternehmen Indiens. Bei der Bekanntgabe des Finnland-Deals erklärte er gegenüber indischen Medien seine Visionen. Bei den Partnerschaften mit europäischen Klubs will er neben dem sportlichen Profit auch Geschäfte machen. Rohit Ramesh präsentiert sein Geschäftsmodell wie folgt: «Wir kooperieren auf und neben dem Platz. Wir hoffen, dass durch unsere Zusammenarbeit indische Firmen in Europa Fuss fassen und europäische Firmen in der Region Chennai. Das durch die Expansion erwirtschaftete Geld soll zu grossen Teilen wieder zurück in den Sport fliessen.»

Doch der Deal mit den Finnen scheitert. Vom angekündigten Joint Venture ist bis heute nichts zu hören. Um JS Hercules ist es ruhig geworden. Sportlich folgte der Abstieg in die Drittklassigkeit und auch von etwaigen Handelsbeziehungen ist nichts zu hören. Auch wenn sein Deal mit den Finnen gescheitert ist, rückt Rohit Ramesh nicht von seinem Plan ab. Er macht unbeirrt weiter. Statt Hercules hat er mit dem FC Basel einen deutlich grösseren Partner-Klub gefunden.

Dass sein Geschäftsmodell nicht sofort, sondern vielleicht erst in ein paar Jahren zum Erfolg führt, nimmt der Präsident in Kauf: In einem indischen Podcast erklärt er: «Wir sind geduldig und haben Zeit. Aber es wird der Tag kommen, an dem sich unsere Investitionen lohnen.» Rohit Ramesh will mit Chennai langfristig hoch hinaus. Ein eigenes Stadion, die Teilnahme an der Indian Super League, eine Verbesserung der Strukturen im Amateurfussball und den Aufbau einer Nachwuchsförderung und eine Vereinsuniversität stehen auf seiner To-do-Liste.

Indiens Presse spielt verrückt

Am heutigen Mittwochmorgen um 7 Uhr unserer Zeit geben FCB-Präsident Bernhard Burgener und FCB-CEO Roland Heri an einer Pressekonferenz in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi bekannt, welche Art von Zusammenarbeit sie mit Rohit Ramesh und Chennai City eingehen.

Bezüglich der Inhalte des Deals kursieren zwei ziemlich gegensätzliche Varianten. In der indischen Presse ist die Vorfreude über den Deal grenzenlos. «The Times of India», die grösste Tageszeitung des Landes, freut sich, dass der «Federer-Klub» den indischen Fussball rettet. Neben der FCB-Delegation werden laut «The Times of India» auch der Präsident des indischen Fussballverbands Praful Patel und sein Generalsekretär Kushal Das heute in Neu-Delhi mit dabei sein, wenn Chennai City den «Meilenstein der Klubgeschichte» bekannt gibt. Die Zeitung zitiert in ihrer Dienstagsausgabe einen «hochrangigen Offiziellen» von Chennai City. Er behauptet, dass der FCB 35 Prozent der Anteile kauft und dass dies dem Verein 20 bis 25 Millionen Euro bringen solle. Dem gegenüber steht das Dementi des FC Basel. Auch nach den Informationen dieser Zeitung hilft der FCB lediglich beim Aufbau eines Nachwuchsleistungszentrums und investiert auch darum in den indischen Fussball, um im asiatischen E-Sports-Markt Fuss zu fassen. Welche der beiden Versionen stimmt, wird heute bekannt. Aber es ist gut möglich, dass ein paar indische Fussballer in Zukunft nicht mehr nach Nordfinnland, sondern nach Basel reisen, um an der Fitness zu arbeiten.

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