Presseschau

Basler Zeitung vom 09.02.2019

Plötzlich der Beste

Jonas Omlin hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich und ist Basels Konstantester

Von Dominic Willimann

Basel. Es ist eine bemerkenswerte Aussage. Eine Aussage, die man von einem Profifussballer nicht erwarten würde. «Eigentlich interessiere ich mich in meiner Freizeit nicht so sehr für Fussball», sagt Jonas Omlin, seit dieser Saison Torhüter beim FC Basel. Wenn der 25-Jährige seine Trainingsklamotten ablegt und seine Basler Wohnung aufsucht, dann ist der Berufsalltag für ihn weit weg. Gut essen («In Basel schätze ich die Vielfalt an Restaurants»), die Familie, Zeit in den Bergen oder auf Gewässern verbringen, seien für ihn wichtige Faktoren, um sich Energie für das emotionale Sportlerleben zu holen.

Fussballspiele schaut er sich zwar an, aber nicht regelmässig. Und wenn er sich vor den Fernseher setzt und einer Partie live beiwohnt, dann konzentriert er sich in erster Linie auf das Verhalten der Torhüter. Früher bewunderte er den Holländer Edwin van der Sar, heute gefallen ihm die Stile von Marc-André ter Stegen oder Ederson besonders gut.

Die Nomination in Luzern

Das Goalie-Sein hat es dem Innerschweizer angetan. Wie sein Vater und sein Bruder, die es nicht über den Amateur-Status hinweg brachten, ist ihm das Fussballerleben zwischen den Pfosten seit jeher am liebsten. «Im Tor hast du eine geile Position inne, ich wehre gerne Bälle ab.» Dass er als etwas isolierter Sportler in einem Team seiner Leidenschaft nachgehen kann, das gefällt ihm.

Das nächste Mal wird Omlin dies heute im Ernstkampf gegen den FC St. Gallen (19 Uhr, St.-Jakob-Park) tun. Gegen jenen Gegner also, gegen den Omlin im Juli vergangenen Jahres sein Basler Pflichtspieldebüt gab – und gleich einen ersten Rückschlag hinnehmen musste: In der Nachspielzeit wurde ein Schuss so unglücklich von Luca Zuffis Rücken abgelenkt, dass der Goalie keine Abwehrchance mehr hatte. 1:2 stand es damit, der Schlusspfiff erfolgte umgehend – und der FC Basel war schlecht in eine Saison gestartet, in der es für ihn bis im Dezember nie wirklich gut werden sollte.

An Omlin lag das weder in dieser Partie noch danach. Vielmehr zeigte der Schlussmann Spiel für Spiel, weshalb ihn der FCB von Luzern abgeworben hatte. Kein anderer Kicker in Rotblau hat trotz enttäuschender erster Saisonhälfte so oft überzeugen können.

Gekrönt wird Omlins starke Vorrunde, die einzig durch eine Oberschenkelverletzung getrübt worden ist, mit der Nomination in die beste Elf 2018 an der Award-Night der Swiss Football League. Als einziger Basler erhält Omlin an diesem Montag Ende Januar in Luzern einen Preis.

Der Umweg über Le Mont

Besser könnte diese Auszeichnung der Liga das letzte FCB-Jahr nicht widerspiegeln. Derjenige, der als Nummer 2 ins Joggeli gelotst und nach dem Abgang von Tomas Vaclik zu Sevilla zur Stammkraft befördert wird, ist der FCB-Akteur, der auf die KKL-Bühne gebeten wird. Und er ist auch derjenige Super-League-Fussballer, der an diesem Abend am Vierwaldstättersee am meisten Autogrammwünsche zu erfüllen hat. Was zum einen am geografischen Heimspiel des Obwaldners liegt, zum anderen aber auch an seinem kometenhaften Aufstieg in den letzten Monaten.

Drei Jahre ist es her, da die grosse Fussballbühne für Jonas Omlin weit weg schien. Der FC Luzern hat für sein Eigengewächs keine Verwendung, auf das Leihgeschäft mit Kriens folgt dasjenige mit Le Mont. In der Challenge League bekommt er die notwendige Spielpraxis. Als er von seinem Stammklub ein weiteres Mal ausgeliehen werden soll, legt Omlin sein Veto ein. Das ist im Sommer 2016. Auf Wunsch des Keepers zählt er zum Super-League-Team – und schafft das, was er sich in den Kopf gesetzt hat. «Ich konnte mich aufdrängen und die geforderten Leistungen zeigen.»

Der damalige Trainer Markus Babbel gewährt ihm im März 2017 zehn Spiele, um sich zu beweisen und hält nach dieser Probezeit am aufstrebenden Omlin fest. Ebenso hat er zuvor in Alex Frei und Remo Gaugler zwei Fürsprecher im Club. Als diese in Luzern ihre Funktionärsposten übernehmen, erkundigen sie sich sogleich nach ihm. «Wo ist der Omlin?», erzählt dieser, hätten sie nachgefragt.

Zu diesem Zeitpunkt spielt Omlin nach Beendigung seiner KV-Lehre für Kriens in der Promotion League. Es ist für ihn eine prägende Zeit. Hier geht es ums Gewinnen und nicht mehr – wie bei den Junioren – ums schön Hintenrausspielen. Hier zählen Fussballer wie Edmond N’Tiamoah oder Damir Dzombic zu seinen Mitspielern, die schon manch grosse Partie miterlebt haben. «Ich würde es heute nicht anders machen», sagt er zu seinem Umweg über tiefere Ligen. Geplant hat Omlin seinen Kurs nicht. «Ich blickte nie weit voraus», sagt er. Omlin geht täglich ins Training, vor allem aber geht er gerne ins Training. «Andere sagten: Du musst auf mega viel verzichten. Für mich war es aber kein Verzichten, weil ich gerne Goalie bin.»

Die Aussetzer gegen Basel

In Luzern reift Omlin schliesslich zu einem so sicheren Wert, dass er nicht lange überlegen muss, als der FCB anklopft. Obwohl: An Basel hat der Schlussmann nicht nur gute Erinnerungen. Bei seinem Super-League-Debüt 2015 greift Omlin gegen Rotblau erst gewaltig daneben und verschuldet später einen Penalty. Luzern verliert nach diesen Aussetzern 1:4.

Diese Augenblicke sind aber längst vergessen. Spätestens seit im Herbst Vladimir Petkovic Omlin in den Kreis der Nationalmannschaft berufen hat, befindet sich der Torwart an einem ganz anderen Punkt seiner Karriere. Plötzlich ist Omlin der Beste. Ein Gefühl, das er nicht kennt. Der Luzerner nennt das Aufgebot «einen Meilenstein». Auch, weil er nie zu einer Junioren-Nationalauswahl gehört hat. «Es gab immer einen neben mir, von dem gesagt wurde, er sei der bessere Goalie.»

Die Konkurrenz in seinem Jahrgang ist gross. Mirko Salvi, Ivon Mvogo, David von Ballmoos und auch Basels aktuelle Nummer 3 Signori Antonio stehen in der Rangordnung vor Omlin. «Ich musste mir mein Standing erarbeiten», erzählt Omlin, «und heute spiele ich regelmässig vor 25 000 Zuschauern.» So, wie wohl am Samstag, wenn das erste Heimspiel des Jahres angepfiffen und Omlin wie schon zuletzt gegen GC versuchen wird, die Null zu halten. Auf alle Fälle sollen keine Klatschen mehr eintreffen wie im Herbst gegen die Young Boys. Das 1:7 verfolgt der verletzte Omlin aus der Ferne. Das ist auch der Grund, weshalb er die Partie nicht zu Ende schaut. «Nach einem gewissen Resultat musste ich den Fernseher ausschalten.»

Die Paraden im St.-Jakob-Park

Omlin ist davon überzeugt, dass sich sein Team im 2019 stark verbessert zeigen wird. Wer dabei zentral vor ihm verteidigt, spielt für ihn keine zentrale Rolle. Die häufigen Fluktuationen in der Defensive seien nicht der Grund für die vielen Gegentore gewesen. «Rochaden gehören zum Fussball. Ich probiere, jedem Verteidiger Sicherheit zu geben, damit auch sie mal Fehler machen können.» Tritt dieser Fall ein, dann ist Omlin zur Stelle. So, wie im August gegen GC, als er zweimal einen Penalty abwehrt. Deshalb sagt der Schlussmann auch mit einem Schmunzeln, wenn es um seinen nächsten Karriereschritt und einen möglichen Auslandtransfer geht: «Vielleicht muss ich im nächsten Spiel drei Penaltys halten.»

Omlin und die Elfmeter, diese Story aus dem St.-Jakob-Park hat nachgewirkt. Via Instagram hat ihn Teamkollege Taulant Xhaka danach als «Jesus» bezeichnet, die Fans haben ihn umgehend ins rotblaue Herz geschlossen. Die befürchtete Lücke nach Tomas Vaclik ist nicht entstanden, weil Omlin konstant das gemacht hat, was er am liebsten tut: Leistung zeigen und Bälle abwehren. Dass viele in Jonas Omlin den Besten sehen, ist also kein Zufall. Auch wenn es für ihn noch viel anderes neben dem Fussball gibt.

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