Presseschau

NZZ vom 11.02.2019

Angriff auf den FCB-Präsidenten

Basler Fans protestieren eine Halbzeit lang gegen die Strategie ihres Fussballklubs

Marco Ackermann, Basel

Ja, die Kommerzialisierung im Profifussball ist weit fortgeschritten. Und manchmal nimmt sie skurrile Züge an. Jedes noch so kleine Ereignis in einem Spiel wird von den Klubs genutzt, um auf den Anzeigetafeln im Stadion Werbung zu verkaufen. Ein Fahnenhersteller präsentiert die Eckball-Statistik, ein Kasino die Nummern der Spieler, die ein- und ausgewechselt werden. Sieht ein Spieler in Basel die gelbe Karte, erscheint er auf dem Screen neben der Werbung für ein asiatisches Restaurant.

Vergangene Woche nun ist einigen Fans des FC Basel aber noch ganz anderes sauer aufgestossen. Der Klub informierte darüber, dass er sich am indischen Fussballverein Chennai City beteilige. Der FCB will sich in der Stadt Coimbatore in der Ausbildung und Nachwuchsförderung engagieren – und erhofft sich, dass die Investition irgendwann Profit abwirft. Die Basler sehen im Milliardenland Indien mit seinen bescheidenen Fussballstandards einen bis jetzt unzureichend erschlossenen Wachstumsmarkt.

Das Engagement rief heftige Reaktionen hervor. Die Muttenzerkurve, der harte Kern der Basler Fans, verliess am Samstagabend während des Heimspiels gegen den FC St. Gallen (1:1) geschlossen die Tribüne und tat mit Transparenten den Unmut über die Strategie der eigenen Klubführung kund. Oftmals dauern solche Boykotte eine Viertelstunde, diesmal jedoch blieben die Supporter eine ganze Halbzeit lang der Partie fern. Auf einem der Spruchbänder forderten sie Grundsätzliches, eine Debatte über die Zukunft ihres Klubs nämlich. Es war ein offener Angriff auf den Präsidenten Bernhard Burgener; die Fronten zwischen ihm und einigen Anhängern haben sich weiter verhärtet. Die Zuschauerzahlen sind im Durchschnitt leicht rückläufig.

Schon im vergangenen Jahr hatte ein grosser Teil der Fans Kritik an den Massnahmen der FCB-Verantwortlichen in den Bereichen Marketing und Digitalisierung geäussert. Ein E-Sports-Anlass wurde sabotiert, und Burgener wurde vorgehalten, er sehe den Klub als Mittel zum Geschäftszweck, nachdem er den FCB als «Marke» und die Fans als «Kunden» bezeichnet hatte.

Der kürzlich zum CEO umfunktionierte Roland Heri verteidigte den Indien-Deal vor dem Match gegen St. Gallen in einer Medienrunde. Er wies darauf hin, dass das Investitionsvolumen vergleichsweise bescheiden sei. Ein FCB-­Mitarbeiter spricht von 1,2 Millionen Franken. Heri sagte, dass die Schärfe der Kritik auch mit der sportlichen Situation zusammenhänge. Stünde der FC Basel auf Platz 1 der Super League, hätten die Fans gewisse Entscheide wohlwollender aufgenommen. Das dürfe sie als Verantwortliche jedoch nicht davon abhalten, strategische Entwicklungen voranzutreiben. Burgener muss eine Maschinerie am Laufen halten, die mit einem Jahresumsatz im höheren zweistelligen Millionenbereich kalkuliert.

Der FCB-Spieler Fabian Frei sagte am späten Samstagabend, es sei nicht sein Job, Fanproteste zu kommentieren. Aber schade sei es schon, dass die Zuschauer diesen Weg gewählt hätten. Es habe sich wohl einiges angestaut. Doch leidtragend sei am Ende die Mannschaft.

Zurück