Presseschau

Schweiz am Wochenende vom 16.02.2019

«Jetzt bin ich endlich angekommen»

FCB-Rechtsverteidiger Silvan Widmer lernt, was der Morgestraich ist, und spricht über seine Tochter, Anlaufschwierigkeiten und die Nati

Céline Feller

17 Spiele und 81 Minuten hatte Silvan Widmer auf diesen Moment warten müssen. Dann schiesst er in bester Stürmer-Manier das entscheidende 2:1 für seinen FC Basel und damit sein erstes Tor in der Super League. Als er diese Woche in der Rotblau-Bar zum Interview erscheint, ahnt er, dass dieses spielentscheidende Tor der Anstoss für den Termin war.

Hat dieses Tor die Hinrunde für Sie gerettet?

Silvan Widmer: Ich war nicht zufrieden mit meiner persönlichen Hinrunde, das ist so. Aber ein Tor mehr oder weniger macht für mich keinen grossen Unterschied. Ich weiss einfach, dass ich mehr kann. Ich glaube, dass ich jetzt auf einem guten Weg bin. Jetzt kann ich meine Qualitäten unter Beweis stellen.

Was haben Sie denn nicht zeigen können?

Mir haben ein paar konditionelle Prozente gefehlt. In den beiden Spielen der Rückrunde habe ich mich besser gefühlt als in der ganzen Hinrunde. Auch meine Statistiken sind super. Das ist sicher das Eine, aber ich will es nicht nur darauf begrenzen. Ich habe auch mein Spiel nicht gefunden. Es gab Partien, in denen ich die Ansprüche nicht erfüllen konnte. Es ist Zeit, das zu korrigieren.

Sie interessieren sich also für Dinge wie Leistungsdaten?

Ja. Ich war immer schon einer, der wissen wollte, wie meine Werte sind, wie die Entwicklungskurve aussieht und wo es Verbesserungspotenzial gibt. Ich verlange nach jedem Spiel die Daten und analysiere sie für mich.

Was ziehen Sie daraus?

Ich sehe einfach, dass ich sehr viele Sprints gemacht habe in den beiden Spielen der Rückrunde. Darauf kann ich sicher aufbauen.

Sind Sie nach einem halben Jahr und einer Vorbereitung also endlich ganz angekommen in Basel?

Ja, absolut.

Sie hatten in der Hinrunde nie Konkurrenz auf Ihrer Position. Hätte Ihnen ein Back-up gutgetan, der Sie pusht?

Das ist eine schwierige Frage. In Italien habe ich mal eine Saison ohne Back-up gespielt. Damals war ich 21 und ich kann im Nachhinein sagen, dass mir das nicht gutgetan hat. Die Leistungen haben nicht mehr ganz gestimmt. Einer, der damals hinter mir Gas gegeben hätte, wäre sicher besser gewesen. Aber ich bin reifer geworden. Daher würde es kaum etwas ändern, wäre noch ein weiterer, effektiver Rechtsverteidiger im Kader.

Reden wir über Ihr Leben neben dem Platz. Haben Sie sich einleben können in Basel?

Mittlerweile ja. Ich freue mich wirklich, zurück in der Schweiz zu sein. Basel ist eine tolle Stadt und ich fühle mich rundum wohl. Die Gegend um den Rhein ist sehr schön und auch die Altstadt hat ihren Reiz. Und ich freue mich mega auf die Fasnacht, die wird sicher cool.

Wieso?

Ich war bislang noch nie da. Es wird das erste Mal, dass ich gehe.

Inklusive eines Besuches des Morgestraich?

Ich muss leider fragen, aber: Was ist das? (lacht)

Medienchef Simon Walter erklärt Silvan Widmer, was der Morgestraich ist. Und, dass es etwas knapp werden könnte. Dies, weil der FCB am Sonntagabend vor dem Morgestraich in Lugano spielt und mit dem Verkehr wohl erst spät zurück in Basel sein wird.

Wir spielen ja um 16 Uhr, das reicht, um um 4 Uhr in der Stadt zu sein. Und wenn wir gewinnen und es mit dem Training am nächsten Tag vereinbar ist, wieso auch nicht? Ich habe aber ehrlichgesagt noch keinen genauen Plan gemacht, zu welchen Ereignissen ich gehen möchte. Dass ich gehe, ist aber fest eingeplant.

Wechseln wir von den Basler Traditionen zu jenen Ihrer alten Heimat. Was vermissen Sie an Italien?

Das Flair vermisse ich manchmal, dass es die Leute ein bisschen gemütlicher nehmen. Du kannst morgens um 10 Uhr in ein Kaffee laufen und es ist voll, alle trinken Kaffee und reden. Das gibt es hier nicht. Handkehrum ist genau diese Gemütlichkeit auch etwas, was mir nicht fehlt. Die Leute sind manchmal etwas zu locker. Wenn du einen Termin hast, wartest du gut mal eine Stunde. Daran konnte ich mich nie gewöhnen. Ich bin jemand, der gerne pünktlich ist. Im Fussball aber sind sie sehr professionell, das möchte ich betonen.

Werden Sie seit Ihrem Wechsel in die Schweiz anders wahrgenommen hier?

Ich hatte in der Schweiz noch nie einen grossen Bekanntheitswert. Das hat sich auch in diesem halben Jahr nicht gross verändert. Die Schweizer sind nun mal nicht so fussballbegeistert wie die Italiener. In Udine wirst du alle zwanzig Meter angehauen. Hier spricht mich keiner an.

Geniessen Sie das?

Ein bisschen von beidem. Es ist auch schön, wenn die Leute dich wertschätzen und zu dir hochschauen. Das habe ich hier kaum mehr. Dafür habe ich meine Ruhe.

Die Ruhe kommt auch daher, dass Sie erneut den Cut für die Endrunde nicht überstanden haben. Seit Sie in der Schweiz spielen, sind Sie gar noch weiter entfernt vom Team als noch davor.

Es war, wie Sie sagen, bereits vor meinem Wechsel in die Schweiz schwer.

Aber Vladimir Petkovic sagte Ihnen damals doch, der Schritt zum FCB sei gut.

Ich weiss um die starke Konkurrenz auf meiner Position in der Nati. Mehr möchte ich dazu lieber nicht sagen.

Ist das Thema Nati abgehakt?

Nein, definitiv nicht. Ich stehe zur Verfügung und hoffe, dass ich bald mal wieder die Chance bekomme.

Ein Trost ist sicher Ihre kleine Tochter. Wie geht es ihr?

Es gibt Nächte, in denen sie durchschläft. Die sind sehr wertvoll (lacht). Aber sie braucht wie jedes Baby noch viel Aufmerksamkeit und Nähe.

Sind Sie talentiert im Wickeln?

Ob ich talentiert bin oder nicht, weiss ich nicht (lacht). Aber ich mache es sehr gerne – ich liebe das Papi-Sein einfach.

Hat es Sie verändert?

Es gibt Leute, die erst reif und erwachsen werden, wenn sie Eltern sind. Aber ich war vorher schon eher erwachsen. Daher denke ich, dass ich mich nicht gross verändert habe.

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