Presseschau

SonntagsZeitung vom 24.02.2019

So viel Basler Anfang war noch nie

Auf dem Platz gewinnt Basel bei Xamax 2:0 – daneben wird der grundsätzliche Weg des Clubs in die Zukunft verhandelt

Florian Raz

Neuenburg Der Mann ist schlicht spektakulär. Immer eine Finte im Repertoire, kreiert er Chancen, wo andere nur Widerstände vermuten. Peripheres Sehen, geschmeidige Wendungen, schneller Abschluss – alles da. Im Herzen ein Spektakelspieler, wie ihn die aktuelle Ausgabe des FC Basel gut gebrauchen könnte. Auch wenn der 18-jährige Noah Okafor beim gestrigen 2:0-Sieg in Neuenburg gegen Xamax andeutete, wie viel Spass er den Baslern noch bereiten könnte.

Das Problem ist: Bernhard Burgener steht nicht auf dem Platz, wenn sein FCB spielt. Der Unternehmer jongliert mit Zahlen statt mit Bällen. Und die überraschenden Abzweigungen, die der Besitzer und Präsident seinen Baslern vorgibt, erwischen nicht die Gegner auf dem Rasen auf dem linken Fuss – sondern immer einmal wieder den eigenen Anhang.

Es sind darum spannende Fragen, die Basel derzeit umtreiben: Wie international muss sich ein Fussballverein aufstellen, um sich im kleinen Schweizer Markt selbst finanzieren zu können? Und ab wann droht er, dabei seine lokale Verankerung zu verlieren?

Die Basler einte der Glaube, dass nur Wandel Erfolg bringt
Burgener konnte den Club 2017 ja nur kaufen, weil die alte Führung das Gefühl hatte, das selbst kreierte Monster nach acht Meistertiteln in Serie nicht mehr im Zaum halten zu können. Aus der Angst, eingeholt zu werden, suchte der Verein die Flucht nach vorn. Und die Fans, die Clubmitglieder, die ganze Region, sie folgten. Alle vereint im Glauben, dass nur der Wandel den bestehenden Erfolg bewahren könne.

Aber als Burgener mit dem Satz antrat, dass «nichts mehr so sein wird wie bisher», da wussten wohl die wenigsten Aussenstehenden, wie radikal anders der neue Mann denken würde. Unter einem Neuanfang stellte sich die Stadt irgendetwas mit einem neuen Sportchef, ein paar Nachwuchsspielern, einem jungen Trainer und vielleicht einer Kooperation mit einem europäischen Grossclub vor. Aber jetzt, nach noch nicht einmal zwei Jahren Burgener, steht fest: So viel Anfang war beim FC Basel wahrscheinlich noch nie.

Burgener ist durch seinen eigenen Aufstieg zum Millionär von der Überzeugung getrieben, dass jene den grössten Gewinn machen, die ein Geschäftsfeld als Erste besetzen. «First Mover» nennt sich das im Jargon. Ein solcher war Burgener mit seiner Leih-Videothek, die ihm sein erstes Vermögen einbrachte – und deren schreibmaschinegetippter Businessplan er noch immer jedem Besucher in seinem Büro präsentiert.

E-Sports, Stadionrückbau und ein Investment in Indien

Ein «First Mover», das will Burgener jetzt auch mit dem FCB sein. Weil er im E-Sports Wachstumschancen sieht, hat der Club mehrere Profi-Computerspieler unter Vertrag. Weil noch kein europäischer Verein in Indien eingestiegen ist, halten die Basler seit jüngstem für eine Investition von rund 1,2 Millionen Franken 26 Prozent des Chennai FC.

Und weil der vor 18 Jahren erbaute St.-Jakob-Park demnächst für eine grössere Summe renoviert werden muss, denkt Burgener öffentlich darüber nach, ob es nicht Sinn machen würde, das Stadion um 8000 auf nur noch 30000 Plätze zu verkleinern. Es geht dabei um die Stimmung, die unter leeren Sitzen leidet. Aber natürlich auch darum, dass ein verknapptes Ticket-Angebot durchaus im Interesse eines Clubs sein dürfte, der sein Stadion höchstens noch in der Champions League füllt.

Das alles sind je nach Sichtweise kreative bis provokative Ideen. Mindestens so überraschend aber ist jeweils auch, wie irritiert Burgener reagiert, wenn er auf Widerstand stösst. Wenn die Ultras etwa wegen des Indien-Deals beim Heimspiel gegen St. Gallen für 45 Minuten die Muttenzerkurve verlassen, kann er danach treuherzig erklären, es stehe doch in seinem Konzept, «dass wir künftig mit internationalen Clubs kooperieren». Als ob irgendjemand ausser ihm dabei an die Minderheitsbeteiligung in einem Fussball-Entwicklungsland gedacht hätte.

Dieser Punkt, der auch noch zum FCB gehört: Der Fussball

Möglich, dass all die Diskussionen über die generelle Entwicklung des Vereins entspannter geführt würden, wenn da nicht dieser eine Punkt wäre, der neben Businessplänen und Globalisierung eben auch noch zu einem Fussballclub gehört: der Fussball.

Ausgerechnet im Kerngeschäft aber wirkt der FCB unter Burgener nicht visionär, sondern auf der Suche. Da wird der Vertrag mit dem 33-jährigen Serey Die im September verlängert, nur um ihn im Januar an Xamax auszuleihen (wo er gegen Basel Rot für eine Tätlichkeit sieht). Oder es wird Stürmer Oberlin im Sommer für 5 Millionen Franken verpflichtet – und im Winter nach Italien geschickt.

Vor allem aber ist da der Bruch im Stil. Weg vom schnellen Umschaltspiel, das unter Raphael Wicky von einem recht jungen Team gespielt wurde. Hin zum konservativeren, vermehrt auf Sicherheit bedachten Fussball eines Marcel Koller, der Erfahrung gerne einmal höher gewichtet als Jugend. Noch wirkt offen, ob der Club sein Kader dem Trainer anpassen wird. Oder ob sich Koller zum Ausbildungstrainer entwickelt.

Klar ist, dass Basel qualitativ deutlich zulegen muss, um den Young Boys ab Sommer wieder auf Augenhöhe zu begegnen. Die aktuelle Meisterschaft hat der FCB aufgegeben, auch das zeigte die Partie in Neuenburg: Koller schonte vier Stammspieler für den Cup-Viertelfinal vom Mittwoch in Sitten. Selten in jüngerer Vergangenheit war der Cupwettbewerb für den FCB so wichtig wie jetzt.

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