Presseschau

NZZ vom 18.03.2019

Schöner leben auf dem dicken, weichen Punktepolster

YB nimmt einen grossen Schritt zum Meistertitel, und niemand findet’s so richtig aufregend – 2:2 im etwas anderen Spitzenkampf gegen Basel

Benjamin Steffen, Basel

Dieses besondere Gefühl fehlte: das Gefühl, dass ein Treffer etwas verändert, dass er die Gewichte verschiebt oder zumindest die Hoffnungen. Diese Gefühle gehören eigentlich zu einem Spitzenkampf im dritten Viertel einer Meisterschaft – im Match zwischen dem FC Basel und YB waren sie inexistent.

Nach gut einer Viertelstunde ging der FCB durch ein Eigentor Michel Aebischers in Führung, doch dem Moment wohnte nichts Prickelndes inne, nichts Vorentscheidendes, der Verfolger brachte den Favoriten in Rücklage, und gleichwohl wussten alle: YB wird Meister werden. Eine Niederlage hätte den Vorsprung auf 18 Punkte schmelzen lassen, aber YB verlor nicht. Die Partie endete 2:2, und wenn sie doch irgendwelche Sentimentalitäten weckte, lag darin vielleicht das Ernüchterndste für die Basler: dass sie es auch in dieser Partie nicht schafften, YB zu besiegen. Vor der Pause war der FCB lange Zeit besser gewesen, eine Standardsituation nach der anderen brachte YB in Bedrängnis.

Den Bernern fehlte zuerst eine gewisse Ausstrahlungskraft, nicht zum ersten Mal in diesem Jahr, die drei letzten Ligaspiele gewannen sie durch Tore in der Nachspielzeit, den Cup-Viertelfinal in Luzern verloren sie 0:4. YB verströmt etwas weniger Aufregendes als im Herbst, dafür viel Abgeklärtheit. In Basel bekam das YB-Spiel erst nach einer halben Stunde mehr Fahrt, prompt stand es plötzlich 2:1; Jean-Pierre Nsame hatte zweimal getroffen, der FCB merkte kaum, wie ihm geschah.

YB spielte mit dem Stil einer Mannschaft, die macht, was sie muss. Diese Haltung braucht nicht zu erstaunen, wenn ein Team auf einem derart dicken, weichen Punktepolster sitzt – und prägende Figuren zu ersetzen hat. Zwei der wichtigsten Skorer spielten zuletzt keine entscheidende Rolle, Guillaume Hoarau (bisher 13 Tore und 3 Assists) sass in Basel nach einer mehrwöchigen Verletzungspause erstmals wieder auf der Ersatzbank (Einwechslung in der 65. Minute), Miralem Sulejmani (7/11) fällt länger verletzt aus. Im zentralen Mittelfeld fehlt zudem der Aggressivleader der vergangenen Jahre, Sékou Sanogo, der im Winter nach Saudiarabien wechselte.

Im YB-Zentrum spielten am Sonntag Djibril Sow und Michel Aebischer, die beiden 22-Jährigen, die 2018 verblüffende Champions-League-Partien geliefert hatten. Den Eindruck einer Überlegenheit liessen sie in Basel vermissen, was nachvollziehbar ist, wenn sich beim Gegner drei zähe Routiniers wie Fabian Frei (30), Taulant Xhaka (27) und Luca Zuffi (28) dazu aufraffen, Paroli zu bieten oder sogar den Takt anzugeben. Dieses Trio steht stellvertretend dafür, dass das FCB-Team so schlecht nicht wäre. Diese Mannschaft müsste in der Meisterschaft besser stehen als 21 Punkte hinter YB. Aber diese Hypothek ist die unbarmherzige Erinnerung an die zweite Jahreshälfte 2018, zu deren Tiefpunkten für den FCB das 1:7 gegen YB zählte.

Der FCB-Coach Marcel Koller hat das Team wieder stabilisiert, in den bisherigen Super-League-Spielen 2019 haben die Basler nur zwei Punkte weniger gewonnen als YB. Aber eine Gruppe von racheschnaubenden Widerständlern ist aus diesem FCB noch nicht geworden. Nach der Pause schoss Okafor das 2:2, auf mehr schien Koller nicht zu drängen. Albian Ajeti, seinen besten Torschützen, wechselte er erst nach 89 Minuten ein.

Die YB-Spieler schienen nicht so recht zu wissen, wie sehr sie nun jubeln sollten nach dem Schlusspfiff, aber vermutlich fühlte sich das 2:2 für sie doch irgendwie schön und gut an. Es kommt selten vor, dass ein Team so unbedrängt und unaufgeregt einen grossen Schritt nimmt in Richtung Meistertitel.

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