Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 03.04.2019

Plötzlich nicht mehr jung

Raoul Petretta befindet sich in seinem Bestätigungsjahr. Er erklärt, wieso ihm das in seinen Augen gelungen ist

Céline Feller

Als Raoul Petretta am 10. Dezember 2018 im Bauch des St. Jakob Park steht, müsste er eigentlich bester Laune sein. Soeben hat er im Klassiker mit dem FC Basel 2:0 gegen den FC Zürich gewonnen. Er hat ein Tor erzielt, ein wunderschöner Distanzschuss. Und vor allem: Er hat endlich wieder gespielt. Doch statt sich lange und ausgiebig freuen zu können, reflektiert Petretta. Über eine Hinrunde, die nicht die seine war. Eine Hinrunde, in der er kaum gespielt hat. Über Wochen und aus für ihn nicht wirklich verständlichen Gründen.

Als Raoul Petretta am 1. April im Rotblau-Bistro sitzt, ist er bester Laune. Zwei Tage zuvor stand er auf dem Platz. Über 90 Minuten. Wie er das immer tut in dieser Rückrunde. Seine Situation hat sich geändert. Komplett. Präsent ist die schlechte Zeit aber noch immer.«Es gab in dieser Phase Zeiten, wo ich Probleme hatte einzuschlafen», gibt er preis. «Ich habe mir nicht den Kopf zerbrochen, aber natürlich habe ich, auch wenn ich im Bett lag, darüber nachgedacht, was ich falsch gemacht habe oder wo ich mich verbessern muss.» Es ist das erste Mal in seiner Karriere, dass sein Weg nicht stetig ein bisschen weiter nach oben geht. Petretta bat sogar darum, in der U21 spielen zu dürfen, um Praxis zu bekommen. «Vorher hatte ich selten grössere Widerstände. Es hat mich voll getroffen, wenn ich ehrlich bin. Aber lieber es trifft dich einmal fest und dann kann man es abhaken – anstatt immer wieder (lacht).» In solchen Momenten ist Petretta selbst sein härtester Kritiker. Weil er weiss, was er zu leisten fähig ist. Stichwort Champions League, Leistungen wie gegen Benfica Lissabon oder Manchester United. «Daran versuche ich anzuknüpfen.» Auch wenn er einwirft: «Da war natürlich auch eine Euphorie da. Was wir da gezeigt haben war auf ganz hohem Niveau. Nicht nur von mir, sondern von der ganzen Mannschaft.» Seither wird er immer wieder an diesen Leistungen gemessen, mit dem Raoul Petretta von dort verglichen. «Ob das unfair ist? Nein, das finde ich nicht. Es ist richtig so. Das ist das, was ich kann – und dort will man natürlich auch wieder hin.» Ganz gelungen ist ihm das nicht, dem Vergleich mit sich selber kann er nicht immer standhalten. Petretta spielt solid, wie er findet gut, «sonst würde mich der Trainer nicht aufstellen.»

Der gewollte Unterschied

Raoul Petretta selber hat die Saison 2018/2019 unter den Stern der Bestätigung gestellt. Er wolle sich weiterentwickeln, sagte er im Sommer-Trainingslager am Tegernsee. Und auch wenn die Hinrunde «schwer war für mich», sagt er auch, nach langem Überlegen: «Ja, ich finde, ich habe bisher eine Bestätigung gezeigt.» Das habe aber nicht nur mit seiner fussballerischen Leistung zu tun. Sondern auch damit, wie er sich entwickelt hat. «Bis jetzt war ich immer einer der Jungen. Sicher bis letzte Saison. Es wurde vieles toleriert. Wenn ich mal ein schlechtes Spiel gemacht habe, dann hiess es einfach: Der ist noch jung, das passiert.» Jetzt aber sei es anders. «Wenn ich jetzt schlecht spiele, dann wird das auch so gesagt und geschrieben. Das ist der Unterschied.» Ein Unterschied, mit dem er alles andere als Probleme hat. Im Gegenteil: «Das wollte ich. Das ist auf diesem Niveau normal und gehört dazu.» Für Petretta ist es auch ein Zeichen, ganz angekommen zu sein. Er hat sich etabliert. Oder wie er es sagt: «Ich bin mehr zum Mann geworden, mehr zu einem Spieler, den die Mannschaft braucht.»

Die erhofften Schritte

Seit dem neuen Jahr habe er das Gefühl, dass er anders angesehen und wahrgenommen werde. «Das sind Kleinigkeiten, die Schritt für Schritt passieren. Ich wohne alleine, habe mehr Verantwortung und bin nicht mehr der Junge in der Kabine.» 22 Jahre ist er erst jung, das auch erst seit wenigen Tagen. Und doch betont er es immer wieder. «Wenn ich zum Beispiel Julian Vonmoos sehe mit seinem 2001er Jahrgang, dann ist das jung. Da bin ich im Vergleich schon alt.» Wobei er auch sagt: «Jung sein hat für mich nicht nur mit dem Alter zu tun.» Sondern? «Das hängt auch von den Spielen ab. Ich meine, schauen Sie sich den Torhüter von der AC Milan an. Der hat Jahrgang 1999 und bereits 150 Spiele gemacht. Der ist doch nicht mehr jung.» Auch sein bester Freund im Team, Albian Ajeti, sei nicht mehr jung. «Er hat fast 100 Super-League-Spiele gemacht und wurde Torschützenkönig. Jung wäre ein 20-Jähriger, der erst zehn Spiele aufweisen kann.» Petretta selber steht bei 37 Super-League-Partien. Das reiche auch dafür, dass ihm Trainer Marcel Koller immer wieder sage, dass er nicht mehr jung sei. All dies verändere ihn, Schritt für Schritt.

Der nächste Schritt, es soll jener ins Ausland sein, «hoffentlich irgendwann mal!». Das soll der Cupsieg sein mit dem FCB, «das ganz grosse Ziel dieses Jahr, das immer im Hinterkopf ist». Und das soll die Teilnahme an der U21-EM im eigenen Land sein im Sommer, «das wäre ein Traum». Aber er könne nicht in seine Zukunft schauen, «zum Glück!» Garantien gäbe es schliesslich nie. Hätte er am 10. Dezember aber in die Zukunft schauen und sehen können, dass er jetzt immer spielt, er hätte es unterschrieben. Garantiert.

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