Presseschau

Tages-Anzeiger vom 04.04.2019

Nur das Bierverbot erinnert an den Klassiker

Der FC Zürich verliert gegen den FC Basel 0:2. Die Niederlage ist verdient, hätte höher ausfallen können, und der FCZ leidet noch immer an altbekannten Problemen.

Christian Zürcher, Zürich

Die 53. Minute läuft, und Stürmer Assan Ceesay schiesst wie immer kein Tor. In der 54. Minute bricht ein hoher Ball über die Zürcher Abwehr herein, Campo nimmt ihn direkt und trifft. Es sind dies nur zwei Szenen, doch sie erklären das Spiel und noch viel mehr: die Misere des FCZ.

Erstens das Tor, es ist wunderbar und famos, der Volley von Campo aus vollem Lauf und perfekt. Doch der Ball ist während 50 Metern in der Luft. Lang also und lange Bälle haben gewöhnlich die Eigenschaft, dass man sich verschieben und auf sie einstellen kann. Nicht aber die Zürcher Verteidiger, sie sind zu lieb, sie laufen unter dem Ball nur mit und lassen Campo Platz und Raum für den Prachtsschuss.

Zweitens, das Nichttor. Das Spiel des FCZ krankt an Chancenarmut, es ist eine Eigenschaft, die man zuletzt fast Woche für Woche beobachten konnte. Und hat der FCZ endlich einmal eine Chance wie in er 53. Minute – sie ist sogar anregend herausgespielt – legt Khelifi direkt ab in den Strafraum, nur steht da Stürmer Ceesay, und der macht das, was er meist vor dem Tor macht: Er trifft nicht. Die Offensive ist ein Problem. «Extrem harmlos», nennt es Torhüter Yanick Brecher. Es klingt darum wie blanker Hohn als der gegnerische Trainer Marcel Koller nach dem Spiel von einem Basler Journalisten gefragt wird, weshalb der FCB derart enorme Probleme beim Toreschiessen habe und so viele Chancen vergebe.

Übermotivierter Balljunge
Dabei hat sich der Trainer Ludovic Magnin so viel vorgenommen, er wollte wieder verrückt sein an der Seitenlinie, zuletzt sei er zahm gewesen. Magnin hegt den Gedanke, dass seine Spieler durch einen imaginären Schlauch mit ihm verbunden seien. Seine Logik: Ist der Trainer verrückt, sind es auch die Spieler. Ist er zahm, sind sie es auch.

Magnin schreit dann so viel, dass er Ende Spiel die Stimme verliert und Assistenztrainer van Eck zur Medienkonferenz schickt. Doch bei allem gutturalen Engagement Magnins: Der Schlauch scheint verstopft, der FCZ blass. Nur einmal klappt die Übertragung. Er feuert wie verrückt den Ballbuben an, den Ball schneller dem Spiel freizugeben. Und wie der Funken springt. Der Junge ist derart motiviert, dass er den Ball Sertic mit voller Wucht Richtung Kopf schmeisst. Sertic reisst die Arme hoch, kann abwehren, der Ball verspringt, Sekunden gehen verloren.

So ist der FCZ nicht nur schlechter als Basel, er spielt auch seltsam passiv. Da ist kaum eine Emotion, kaum ein Foul. Dass es ein Klassiker ist, merkt man vorderhand nur am Bierausschankverbot (selbst dieser Stimmungsaufheller bleibt den Zürcher Fans verwehrt). Die Rivalität war einmal eine problematische, jeder Tropfen Alkohol konnte das Fass zum Überlaufen bringen. Gestern fehlt der Rivalität ziemlich alles, zu überlegen ist Basel.

Spielerischer Stillstand
Der FCZ ist Fünfter, obwohl er mehr verliert, als gewinnt; obwohl er mehr Tore erhält statt schiesst; obwohl er sich besser gibt als er spielt. Der FCZ offenbart seit Wochen spielerischen Stillstand. Der geordnete Spielaufbau ist zusammen mit dem Selbstvertrauen und Spielwitz verschwunden. So kommt es, dass Torhüter Brecher der beste Spieler auf dem Platz ist. Ein Phänomen, das regelmässig beim Stadtrivalen zu beobachten ist. Kein gutes Zeichen.

So bleibt mit gutem Willen eine gute Nachricht. In drei Wochen spielt der FCZ im Cuphalbfinal wieder im Letzigrund gegen Basel. Das gestrige 0:2 ist eine verpatzte Hauptprobe, und verpatzte Hauptproben sorgen für einen guten Ernstfall. Ist eine alte Theaterweiheit. Und Weisheiten, das weiss man, die stimmen immer.

Fast immer.

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