Presseschau

Basler Zeitung vom 15.04.2019

Und hinter YB lauert das Schwarze Loch

Analyse

Die Young Boys sind der Lichtblick in der Super League. Hinter ihnen kämpfen viele Clubs mit Problemen. Und ums Überleben.

Ueli Kägi

Sie hatten einen neuen Trainer. Sie hatten eine neue Rolle. Sie hatten neue Belastungen. Andere wären vielleicht eingebrochen. Sie sind noch besser geworden.

Die Young Boys sind die Spassmacher des Schweizer Clubfussballs. Sportlich. Sie haben sich für die Champions League qualifiziert. Sie haben den FC Basel 7:1 weggefegt. Sie haben 25 von 29 Super-League-Partien gewonnen. Sie haben Spiele immer wieder auf dramatische Weise in den letzten Minuten zurechtgebogen.

Die Young Boys bewegen sich in neuen Sphären. Auch wirtschaftlich. Sie haben aus einer Geldvernichtungs-eine Gelddruck-Maschine gemacht. Im jüngsten Geschäftsjahr machten sie 80 Millionen Franken Umsatz und mehr als 17 Millionen Gewinn. Sie sind jetzt mit über 25000 im Schnitt auch bei den Zuschauern die Nummer 1.

Die Young Boys stürmen am besten und verteidigen am stärksten. Sie haben sechs Spieler unter den 20 erfolgreichsten Goalgettern der Liga. Sie mischen Routiniers mit Aufsteigern, Nationalspieler mit Talenten. Sie sind der Konkurrenz so weit entrückt, dass Sie nicht einmal mehr spielen müssen, um den Titel zu gewinnen. Es genügte dafür am Samstagabend der Basler Stolperer gegen GC.

Die Young Boys sind wieder Schweizer Meister. Neun Runden vor Schluss, früher hat das noch kein Team geschafft seit Start der Super League. Die vorzeitige Entscheidung hinderte die YB-Fans gestern aber nicht daran, den Letzigrund zu weiten Teilen einzunehmen. Farblich. Stimmlich. Pyrotechnisch. Es verging kaum ein Augenblick, in der in der Kurve nicht Feuerwerke in die Luft flogen. Petarden rauchten. Fackeln brannten. Das Team krönte den sportlichen Teil Nachmittag mit dem 1:0 durch Jean-Pierre Nsamé, obwohl einige Spieler in der Nacht auf Sonntag nicht wie vorgesehen um zwei Uhr morgens im Bett gewesen sein dürften.

60 Mal in Folge haben die Berner in der Liga mindestens einen Treffer erzielt. Am Ostermontag folgt die Heimspiel-Meisterparty gegen Xamax. Es geht für YB bis Saisonende um Rekorde: Grösster Vorsprung auf Rang 2, am meisten erzielte Tore, am wenigstens Gegentore in einer Spielzeit. Das ist alles realistisch.

Danach wartet dann die schwierigste Aufgabe, seit der Club 2018 mit dem 12. Meistertitel mehr als drei erfolglose Jahrzehnte hinter sich gelassen hat. YB wird sich personell verändern. Im Winter ist Sekou Sanogo gegangen. Nach dieser Saison tritt Captain Steve von Bergen zurück. Loris Benito wird ablösefrei wechseln. Kevin Mbabu und Djibril Sow zieht es ins Ausland, YB erwartet für die beiden Nationalspieler total 20 Millionen Franken Ablöse.

Fünf gewichtige Abgänge in der Abwehr und im zentralen Mittelfeld. Mit Guillaume Hoarau (35) eine alternde Schlüsselfigur im Sturm. Und mit Gerardo Seoane einen Trainer, der kaum vorhat, seine Karriere allein in der Schweiz zu verbringen. Die Ausgangslage kann für jeden Schweizer Club folgenschwer sein. Doch die Berner mit Sportchef Christoph Spycher sind so stabil, dass sie auch grössere Veränderungen ohne nennenswerten sportlichen Einbruch überstehen können. Bis vor kurzem hätte das in der Schweiz nur der FC Basel geschafft. Damals, als das rotblaue Führungsduo noch Bernhard Heusler und Georg Heitz hiess. Und nicht an Kosten- und Gewinnoptimierung dachte wie der neue Besitzer Bernhard Burgener.

Es ist, als ob YB und FCB innert zwei Jahren die Rollen komplett vertauscht hätten. Da jetzt der angehende Serienmeister aus Bern, der mit Fabian Lustenberger schon einen gewichtigen Zuzug bekannt gegeben hat. Dort jetzt der krisenanfällige Herausforderer aus Basel. Und so, wie es früher nicht das Problem des FCB war, dass hinter ihm lange gar nichts folgt, ist es jetzt auch für YB so. Es gibt in der Liga noch den FC Thun, der die eigenen Ansprüche erfüllt, weil er trotz zuletzt acht Spielen ohne Sieg nichts mit dem Abstieg zu tun hat. Die anderen Super-League-Clubs werden eher vom Schwarzen Loch angezogen.

Beim FC Sion geht es seit 20 Jahren unkontrollierbar auf und ab. In Luzern ist die Euphorie nach dem Trainerwechsel schon wieder vorbei, zuletzt gab es unter Thomas Häberli noch zwei Punkte aus fünf Partien. St. Gallen hat keine Stabilität. Lugano ist Lugano. Und Xamax, seit der Winterpause viertstärkste Kraft der Liga, fällt mit dem absurden Entscheid aus dem Rahmen, Nothilfe-Trainer Stéphane Henchoz nicht über das Saisonende hinaus zu beschäftigen.

Am ärgsten allerdings sind die sportlichen Nöte in Basel und Zürich. Der FCB ist so unspektakulär, grau und langweilig, die Senioren des SC Dornach machen mit Alex Frei, Marco Streller, Matias Delgado und Beni Huggel mehr Lust auf Fussball. Und in Zürich spielen zwei Abstiegskandidaten. Für GC ist sogar ein positives Resultat in Basel negativ, wenn Xamax gleichzeitig gewinnt – sie brauchen jetzt schon ein kleines Wunder, um noch die Barrage zu erreichen. Und der FCZ hat jetzt noch fünf Punkte Reserve auf Xamax. Anfang Februar sind es zwölf gewesen.

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