Presseschau

Schweiz am Wochenende vom 20.04.2019

Vorwurf: Verrat am Cup

Die Fans sehen das «Volksfest» Cup seiner Seele beraubt. Statt einzuschliessen, werde ausgeschlossen. Schuld soll der Schweizerische Fussballverband mit seiner Hochpreis-Politik sein. Was ist da dran?

Sébastian Lavoyer

Ein Aufschrei geht durch den Schweizer Fussball. Die Fans lehnen sich auf gegen den Verband. Das gleiche Bild bei allen Cup-Halbfinalisten. Wo man auch hinschaute – nach Basel, Luzern, Thun oder Zürich – überall Banner in den Fansektoren. Proteste gegen unfaire Preise für den Cupfinal 2019. Eine konzertierte Fan-Aktion – das gibt es nicht alle Tage. Aber das Gefühl, vom SFV ausgebeutet zu werden, einte sie.

Auf ihrer Website veröffentlicht die Muttenzer Kurve ein Schreiben im Namen der wichtigsten Fanorganisationen der vier Cup-Halbfinalisten. Man fordert faire Preise. Vor fünf Jahren hätte Jugendliche im Fansektor noch 25 Franken bezahlt, heute schon 50 (Tabelle links). Auf Haupt- und Gegentribüne zahle man heute 100 bis 120 Franken. Ermässigungen gäbe es keine mehr. «So aber müssen beispielsweise zwei Erwachsene mit zwei Kindern auf der Tribüne alleine für Tickets satte 400 Franken ausgeben», steht im Fan-Schreiben.

Weiter steht dort: «Eine Koppelung des Stadioneintritts an bestimmte Verkehrsmittel und Anfahrtswege stellt einen abzulehnenden Schritt in Richtung Kombitickets dar.» Man lechzt nach Bewegungsfreiheit, will den öffentlichen Verkehr nicht quersubventionieren. Die Fans fürchten einen Verrat des Cupgeists, den Verlust der speziellen Seele dieses Wettbewerbs, das Ende des Volksfests. Weil man durch die Preispolitik immer mehr ausschliesse – und letztlich vor halb leeren Rängen spiele.

Kein Gewinn für den Verband

Der Verband lässt die Kritik so nicht auf sich beruhen. Wie die meisten Veranstalter setze man die Preise seiner Events so an, dass man möglichst die Kosten decken könne. Sicherheit, Stadionmiete, öffentlicher Verkehr, Beteiligung und Prämie der Cupfinalisten, kleinere Posten wie die Medaillen, die Schiedsrichter oder das Ticketing – der Verband gibt pro Jahr 4,7 Millionen Franken für den Cup aus, 1,8 Millionen allein für den Final. Will man kostendeckend bleiben, bedeutet das bei 30000 Zuschauern einen durchschnittlichen Ticketpreis von 60 Franken. Sonst schreibt man rote Zahlen. Wie man das beim Verband auch erwartet. «Wir machen keinen Gewinn mit dem Cupfinal. Im Gegenteil, wir werden wohl auch dieses Jahr wieder leicht drauflegen, so wie das in den vergangenen Jahren regelmässig der Fall war», sagt SFV-Mediensprecher Marco von Ah.

Die Preise seien also alles andere als unfair, kontert der Verband den Fan-Vorwurf: Ein Erwachsener mit drei Kindern zahle für Plätze auf der Gegentribüne 190 Franken, zwei Erwachsene mit zwei Kindern 260 Franken. Beide Beträge liegen deutlich unter den von den Fans behaupteten 400 Franken. Verdoppelt hätten sich auch nicht alle Preise. Schon vor zehn Jahren zahlte ein Erwachsener in der Kurve 50 Franken.

Noch nicht beinhaltet war damals die Anreise mit dem Zug. Rechnet man die Bahnpreise ein, ergibt sich zudem ein ganz anderes Bild: Einzig die Thuner würden mehr bezahlen, als es einen Jugendlichen 2014 gekostet hat, um den FCB im Wankdorf gegen den FCZ spielen zu sehen (Tabelle oben rechts).

Die Kombitickets (Eintritt gekoppelt mit Zugbillett) hat die Stadt Bern gefordert. Eine Forderung, die auf Vorfälle im Jahr 2014 zurückgeht. Cupfinal im Wankdorf, Zürich gegen Basel. Ausschreitungen, Zerstörung, Gewalt. Involviert sowohl Zürcher als auch Basler Anhänger. Ein solches Szenario möchten die Berner künftig verhindern. Reto Nause, Sicherheitsdirektor der Stadt, sagt: «Wir möchten, dass die Leute mit der Bahn anreisen. Die Verkehrssituation wird sich im Vergleich zu 2018 deutlich verschärfen, da zwei Fanlager anreisen. Bern kann nicht einfach so 30000 Menschen schlucken, wenn die Mehrheit nicht mit dem Zug kommt.»

Vergangenes Jahr haben die SBB für die Fans aus Zürich sechs Extra-Züge bereitgestellt. Geht man von durchschnittlich 500 Reisenden pro Zug aus, wären das 3000 Menschen. Rechnet man das auf zwei anreisende Fanlager hoch, kommen 6000 Menschen mit dem Zug. Die Stadt Bern muss also noch ordentlich weibeln, wenn eine Mehrheit mit dem öffentlichen Verkehr kommen soll. An den Schweizerischen Bundesbahnen würde es nicht scheitern. «Als Beispiel: Wir stellen für den Osterverkehr 45000 zusätzliche Sitzplätze bereit», sagt SBB-Mediensprecher Reto Schärli.

Eigentlich möchte Sicherheitsdirektor Nause so viele Fans wie möglich über die Bahnhöfe Bern Wankdorf und Ostermundigen zum Stade de Suisse lotsen. Er weiss aber, dass die treusten Anhänger auf einem Fanmarsch bestehen werden, und sagt: «Wir sind in Verhandlungen. Ich bin optimistisch, dass wir uns mit den Fans auf eine Route einigen können.» Der Marsch hilft der Stadt auch. So lassen sich die Ultras vom Rest der Fans trennen. Der Hauptbahnhof wird so zwar trotzdem beeinträchtigt, dafür aber könnten allenfalls mehr Familien mit Kindern zur Reise mit der Bahn bewegt werden, hofft man.

Fans sind mitverantwortlich
Wenn es 2019 ähnlich ruhig bleibt wie letztes Jahr, kostet das Polizeiaufgebot um die 700000 Franken. Die Hälfte davon trägt der Verband. Wobei der SFV maximal 350000 Franken bezahlt, so ist das mit Bern vereinbart. Dazu kommen für den Verband noch einmal rund 200000 Franken für die Sicherheit im Stadion. Verband und Stadt teilten sich die Kosten also etwa im Verhältnis 60:40. Kommt es wie 2014 zwischen FCB und FCZ zu Ausschreitungen und Vandalismus, steigen die Sicherheitskosten schnell um 100000 Franken an. Auch die Ausgaben für Schäden bewegten sich damals in der Grössenordnung von 100000 Franken.

Übrigens: Diese Anfälle der Zerstörung haben mit dazu geführt, dass der Verband wesentlich weniger Sponsoringeinnahmen generieren konnte. Die Prämien wurden 2017 gesenkt, am stärksten für die Cupfinalisten (von 300000 auf 100000 Franken).

Die Fans empören sich über unfaire Preise, beklagen eine Preiserhöhung. Dabei ist ein Teil von ihnen mitverantwortlich für höhere Kosten und tiefere Einnahmen. Der Fan-Vorwurf des Verrats ist vor diesem Hintergrund heikel.

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