Presseschau

Basler Zeitung vom 25.04.2019

Die Kameras sind auf den FC Basel gerichtet

Der Halbfinal-Klassiker gegen den FC Zürich ist für den FC Basel das bislang wichtigste Spiel einer missratenen Saison. Die Chancen auf den Final-Einzug sind gross – der Druck auch.

Tilman Pauls

Kameras sind ein ziemlich guter Indikator für die Bedeutung und die Grösse eines Fussballspiels. Die Faustregel lautet: Je mehr Kameras und je grösser die Objektive, desto wichtiger die Partie.

Der FC Basel hat das schon oft erleben dürfen. Wenn er in der Liga auf ein entscheidendes Spiel zusteuerte, gegen YB, den FCZ oder GC, kamen die Fotografen und hielten fest, wie Spieler im Training sich um neonrote oder -gelbe Stangen schlängelten. In der Champions League, bei den ganz grossen Spielen also, kamen die Journalisten aus dem Ausland und brachten ihre TV-Kameras mit. Es sollte ruhig jeder sehen: Jetzt ist es wirklich wichtig!

Gestern, im Abschlusstraining vor dem Cup-Halbfinal zwischen dem FCB und dem FCZ? Keine Kamera, nicht eine. Man musste schon ganz genau hinschauen, um zu erkennen, dass heute im Letzigrund kein gewöhnliches Spiel stattfindet. Auf dem Weg zum Basler Trainingsplatz zum Beispiel, das obligate «Züri muess falle» am Wegesrand. Und während der Woche schauten auch mehr FCB-Fans zu, als das üblicherweise der Fall ist.

Genügend Hinweise also, dass die Stadt sich auf den Klassiker freut. Auch ohne Kameras.

Die hohen Erwartungen

Marcel Koller, der Basler Trainer, will das Spiel nicht noch zusätzlich überhöhen. Ihm genügt wohl die Gewissheit, dass sein Team der aktuellen Version des FCZ überlegen sein müsste. 22 Punkte und sechs Ränge trennen die beiden Vereine in der Tabelle. Der FC Basel hat in diesem Jahr noch kein Spiel verloren, die Zürcher steuern ungebremst dem Barrage-Platz entgegen.

Aber was bedeutet das schon an einem Tag, an dem die Tabelle nichts bedeutet?

Seine Spieler habe er in den Tagen nach dem 3:0 gegen den FC Sion locker erlebt, sagt Koller. «Es wird ein Cup-Fight. Aber es ist auch wichtig, dass wir nicht zu verbissen sind.» Von der Vorfreude in der Stadt habe er nicht viel mitbekommen. «Wir sitzen die meiste Zeit im Keller oder stehen auf dem Trainingsplatz. Da hört und sieht man nicht viel.»

Aber auch Koller wird die kleinen Veränderungen in seinen täglichen Abläufen realisiert haben. Die Fans im Training oder das «Züri muess falle» auf dem Weg dorthin. Vielleicht hat er zufällig auch eines der Plakate entdeckt, die seit einigen Tagen in der Stadt zu sehen sind: «Alli uff Züri.» Und ganz sicher hat ihm jemand gesagt, dass 1500 Basler in Zürich erwartet werden. Vielleicht auch mehr. Und dass jeder von ihnen darauf hofft, dass der FCB den Klassiker gewinnt, das weiss Marcel Koller ohnehin.

FCB gegen FCZ ist besonders. Immer. Selbst in einer Phase, in der an einem Mittwochabend nur 10 000 Zuschauer in den Letzigrund kommen und die Basler emotionslos mit 2:0 gewinnen. So war es vor drei Wochen.

Es ist und bleibt der Klassiker. Das ewige Duell. Und heute geht es in diesem Spiel endlich mal wieder um etwas: Der Gewinner fährt nach Bern, Cupfinal. Der Verlierer bleibt sich und der tristen Realität der Liga überlassen.

Ein Spiel, eine Entscheidung. Die Basler waren schon länger nicht mehr in dieser Situation, während sie früher geradezu in diesen Voraussetzungen gebadet haben. Es kam durchaus vor, dass der FCB innerhalb eines Jahres drei «Spiele des Jahres» erleben durfte. Mal kam Manchester United, mal Real Madrid und mal Bayern München. Und mit ihnen die ganz grossen Kameras.

Jetzt ist es aber schon wieder eine Weile her, seit der FCB und die Stadt auf ein so grosses Spiel hingefiebert haben. Am Anfang der Saison waren das vielleicht die Partien gegen Saloniki und Nikosia. Aber natürlich war es nicht das Gleiche. Und in der Liga kam das erste Duell gegen YB zu früh und hatte den Schönheitsfehler, dass es 1:7 endete.

Entsprechend gross ist jetzt die Vorfreude auf den Klassiker. Aber auch der Druck.

Das wichtigste Spiel

Immerhin kann das Spiel gegen den Titelverteidiger den Eindruck der ganzen Spielzeit prägen. Verlieren die Basler, ist es endgültig eine Saison zum Vergessen. Kein Titel, kein Europacup, kaum Grund zur Freude. Gewinnen sie jedoch und holen am 19. Mai den Titel, liesse sich der ganze Verlauf umdeuten. «Wenn wir den Titel holen, wäre das die Bestätigung einer Rückrunde, in der die Spieler unsere Idee immer besser verstanden haben», sagt Koller, «es wäre wichtig, um das Gefühl mit in die neue Saison zu nehmen.»

Aber was, wenn die Basler den Titel nicht holen? Was nimmt das Team dann mit in die nächste Saison oder, besser gesagt, wen?

Denn heute geht es nicht nur um die aktuelle Situation, sondern irgendwie auch um die Zukunft des FCB. Der Trainer hat die Mannschaft im Winter stabilisiert und ist ein gewichtiger Grund, wenn es um die Serie der Ungeschlagenheit geht. Das Gefühl, dass der FCB den Young Boys aus Bern künftig wieder gefährlich werden könnte, hat sich aber trotzdem noch immer nicht eingestellt. Mal fehlt es an der nötigen Effizienz, mal an der Lust und auch mal am Mut.

Für Koller wäre der Sieg heute in Zürich ebenso wichtig wie für den Verein, wenn es darum geht, im Sommer wieder eine Euphorie im Hinblick auf das neue Fussball-Jahr zu entfachen.

Das sind ziemlich viele Aspekte, die in einem einzigen Spiel zusammenfallen. Für die Basler ist es darum die wichtigste Begegnung in der Saison 2018/19. Und es werden entsprechend viele Kameras auf den FC Basel gerichtet sein.

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