Presseschau

Basler Zeitung vom 27.04.2019

Der Cupfinalist steht weiter auf dem Prüfstand

Die BaZ beantwortet nach dem 3:1-Erfolg in Zürich zehn Fragen zur rotblauen Gemengelage.

Tilman Pauls und Oliver Gut

Viel Zeit blieb den Spielern des FC Basel nicht, um das 3:1 gegen den FC Zürich angemessen zu feiern, das ihnen den Einzug in den Cupfinal am 19. Mai gesichert hat. Gestern war bereits wieder eine Trainingseinheit angesetzt, und Trainer Marcel Koller erklärte fast schon entschuldigend, dass man den Blick rasch nach vorne richten müsse. Schon heute bricht der FC Basel wieder in Richtung St.Gallen auf, wo morgen das nächste Spiel in der Super League stattfindet (16 Uhr, SRF2 live).

Trotzdem lohnt sich der Blick zurück auf die Partie im Letzigrund. Immerhin sind die Basler ihrem letzten verbliebenen Saisonziel dort mit einer guten Leistung näher gekommen und werden die kommenden Spiele in der Meisterschaft nun voll und ganz dem Ziel unterordnen, die bislang erfolgreiche Rückrunde mit einem Titel zu krönen – und ein kleines Zeichen in Richtung der Young Boys aus Bern zu senden.

Die BaZ beantwortet darum zehn Fragen im Nachgang an den Sieg im Halbfinal-Klassiker.

1. Was bedeutet das 3:1 im Halbfinal gegen den FCZ?

Wenn man es mal ganz nüchtern betrachtet, dann hat der FCB sich dank dem Sieg nur zum 22. Mal für den Cupfinal qualifiziert und hat die Chance, den Wettbewerb zum insgesamt 13. Mal zu gewinnen. Damit würden die Basler mit der Zahl der Titel des FC Sion gleichziehen – allerdings haben die Walliser für diese Marke nur 14 Finalteilnahmen benötigt.

Zudem erhalten die Basler für die Qualifikation für den Final 100000 Franken. Aber das war sowohl für den FCB als auch für den FC Thun natürlich nicht die Hauptmotivation, das Endspiel zu erreichen. Es geht für beide Clubs darum, einen Titel zu gewinnen. Für Thun wäre es der erste Erfolg im Cup, für die Basler ein wichtiges Zeichen nach zuletzt schwierigen Zeiten.

2. Was waren die Gründe für den Basler Sieg in Zürich?

Aufseiten des FCB ist sicherlich die aktuelle Form zu nennen. Seit der Winterpause treten die Basler spürbar gefestigter auf, das Team erhält weniger Gegentore. Erst recht dann, wenn Trainer Marcel Koller, wie in Zürich, die ganze Routine seines Kaders aufs Feld wirft: Mit Suchy, Zambrano, Zuffi, Frei und Widmer vertraute der Trainer in der Defensive fast nur gestandenen Spielern. Einzig Petretta drückte den Altersschnitt der Abteilung Abwehr.

Zudem konnte sich der FCB erneut auf seinen Torhüter verlassen: Es schien, als habe Omlin die Zürcher Stürmer Odey und Ceesay mit seinen Paraden vor der Pause so beeindruckt, dass sie nach der Halbzeit lieber gleich neben das Tor schossen. Und dank dieser Mischung aus Basler Selbstvertrauen und Zürcher Ineffizienzwar der FCB-Sieg am Ende auch in der Höhe verdient.

3. Aber war am Ende nicht der Schiedsrichter schuld?

Natürlich wurde nach dem Spiel viel über Schiedsrichter Klossner und die Szene in der 80. Minute diskutiert, die sich in ihrer ganzen Pracht so darstellte: Stocker wird von Schönbächler im Strafraum gefoult, Klossner pfeift nicht, die Züricher spielen weiter, Kuzmanovic läuft Bangura hinterher, und Nef versperrt dem Basler den Weg. Sie stossen zusammen und Kuzmanovic trifft Nef mit seiner Hand am Kopf.

«Wenn das keine Tätlichkeit ist, weiss ich auch nicht», sagte FCZ-Trainer Magnin später in die Kameras, «der Schiedsrichter war heute entscheidend.» Mit dieser Einschätzung hatte er irgendwie recht. Aber irgendwie auch nicht.

Ja, Kuzmanovic hatte Glück, dass Klossner ihm keine Absicht unterstellte oder die Aktion gar nicht richtig erkannte. Der Basler hätte sich jedenfalls nicht beschweren können, für diese Aktion Rot zu sehen. Aber hatte Klossner mit seiner Einschätzung das Spiel entschieden? Nein.

Immerhin führten die Basler zu diesem Zeitpunkt 1:0, waren das aktivere Team. Ausserdem hätte Klossner sowohl dem FCZ als auch dem FCB einen Penalty zugestehen können. Der Schiedsrichter hatte sicher nicht seinen besten Abend. Entschieden hat er die Partie jedoch nicht.

4. Wie ist die aktuelle Saison zu bewerten, falls der FCB den Cup gewinnt?

Die Basler befinden sich jetzt in der nicht ganz alltäglichen Situation, dass ein einziges Spiel den Gesamteindruck dieser Saison massgeblich beeinflusst. Sollte der FCB gegen Thun verlieren, dannwäre die Spielzeitvollends missraten. Kein europäischer Herbst, kein Meistertitel, kein Cupsieg. Sollte Basel allerdings gewinnen, könnte der Verein seine Saison nach erfolgter Korrektur als Steigerungslauf deuten.

Als Jahr mit schwachem Start, dem Trainerwechsel, dem Aufschwung nach der Winterpause und der ersten Trophäe der neuen Vereinsführung. Der Club würde so an Vertrauen zurückgewinnen und diejenigen versöhnlich stimmen, die lange Zeit nicht zufrieden waren. Und damit verbunden ist die Hoffnung, dass man diese Euphorie mit in die neue Saison nehmen kann.

5. Wie stehen die Chancen für den Final in Bern?

Von aussen betrachtet, sind die Basler am 19. Mai klarer Favorit. In 63 Spielen gegen die Berner Oberländer hat der FCB sieben Partien verloren und 39 Begegnungen gewonnen. Im Cup hat Thun überhaupt noch nie gegen den FCB gesiegt. Allerdings istdie Bilanz diese Saison ausgeglichen: Nach einem 1:1 im ersten Duell folgten je ein Basler und ein Thuner Sieg in der Liga.

Was zudem für den Underdog spricht, ist die Unterlage im Stade de Suisse: Wie in der heimischen Stockhorn-Arena können sie dort auf Kunstrasen spielen.

6. Was ist am 19. Mai von den Fans zu erwarten?

Bis der Cupfinal beginnt, dürfte es noch einige Diskussionen um die Partie geben. Und das liegt in erster Linie daran, dass die Fans sich gegen die Preis- und Ticketpolitik des Verbandes wehren. Die Preise – 50 Franken in der Fankurve und zwischen 100 und 120 Franken auf den Tribünen – sind das eine Problem. Noch viel mehr stören sich die Ultras daran, dass die Zugfahrt nach Bern in diesen Preisen eingerechnet ist.

Darum will die Muttenzerkurve nun eigene Ticket zum Preis von 25 beziehungsweise 40 Franken verkaufen, individuell anreisen und darauf hoffen, dass man Einlass ins Stadion erhält, wo man dem Verband die Einnahmen aus dem eigenen Verkauf übergeben will. «Wir sind zuversichtlich, dass vor Ort oder vielleicht schon im Vorfeld eine Lösung gefunden wird», teilt die Basler Fankurve mit.

Fragt sich, ob der Verband am 19. Mai ein grösseres Chaos in den normalen Zügen verhindern will. Der FC Basel und der SFV stehen jedenfalls in Kontakt.

7. Wie muss Marcel Koller auf diesen Final hinarbeiten?

Es ist keine leichte Aufgabe, seine Spieler in der Liga bei Laune zu halten, wenn im Hinterkopf ohnehin nur der Cupfinal zählt. Aber genau das wird nun auf Koller zukommen, der einerseits die Motivation der Spieler hoch halten, gleichzeitig aber auch leichte Retuschen im Hinblick auf das Spiel in Bern vornehmen muss.

Sportlich gesehen ist schon klar, dass der FCB einen Linksverteidiger braucht, der den gesperrten Petretta ersetzt. Erste Alternative wäre, der Logik nach, Riveros. Doch der Paraguayer hat in diesem Jahr erst zwei Partien bestritten und scheint aufgrund seiner defensiven Mängel kaum eine ernsthafte Alternative in einem so wichtigen Spiel zu sein.

Denkbar, dass Koller in den nächsten Partien Alternativen sucht. Dass er zum Beispiel Xhaka auf dem linken Flügel testet oder auch Balanta, wenn es die sensiblen Muskeln des Kolumbianers zulassen sollten. Gleichzeitig muss der Trainer darauf bedacht, dass das Team nicht aus der Balance gerät und von seinem aktuellen Weg abkommt.

Sprich: Koller muss Pausen einräumen, aber nicht zu viel. Er sollte rotieren, aber nicht zu exzessiv. In den nächsten Wochen kommt es besonders darauf an, dass er das richtige Mittelmass findet, damit die Basler auch im letzten Cup-Spiel dieser Saison auf den Punkt bereit sind.

8. Sitzt der Trainer nun fest im rotblauen Sattel?

Nein. Mit dem Erreichen des Cupfinals hat er zwar resultatmässig ein weiteres Argument für sich gesammelt. Doch die Frage steht weiter im Raum, ob Koller der Mann ist, dem man zutraut, dass er die Mannschaft so führt, dass Erfolg, Spektakel und Entwicklung im gewünschten Mass stattfinden und der FCB den Weg zurück an die nationale Spitze findet. Eine Frage, die in der Clubspitze auch dann intensiv diskutiert werden dürfte, wenn Rotblau sich am 19. Mai in Bern den silbernen Kübel sichert.

Trotzdem wäre dann stark davon auszugehen, dass man den Weg mit Koller fortschreitet, zumal die Exponenten selbst von Präsident Burgener über Sportdirektor Streller bis zu CEO Heri aus unterschiedlichen Gründen und unter dem Eindruck einer Saison der verpassten Ziele in der Kritik stehen und ein FCB, der mit YB zumindest mithalten kann, kaum allein durch einen weiteren Trainerwechsel geboren wird.

9. Was bedeuten die Leistungen in der Rückrunde für die kommende Saison?

Wenig. Der FCB hat gezeigt, dass er besser ist, als dies gegen Ende der Rückrunde den Anschein machte. Doch das durfte erwartet werden. Und er hat damit noch keineswegs bewiesen, dass er mit YB mithalten kann, wenn er von Ungemach wie den vielen Verletzten verschont bleibt.

Will heissen: Selbst wenn das Team zusammenbleibt und YB Leistungsträger verliert, bedeutet dies nicht, dass der Kampf um die Meisterschaft wieder spannend wird. Dies auch, weil man in Bern mit Fabian Lustenberger und Marvin Spielmann bereits zwei Profis verpflichtet hat, die das Niveau der Gelbschwarzen hoch halten dürften. Aber auch, weil man sich in Basel stillhält, was nicht auf eine Transferoffensive schliessen lässt.

Vielmehr ist es so, dass der Abgang von Captain Suchy im Raum steht, da man ihm offenbar ein Angebot zur Vertragsverlängerung zu klar schlechteren Konditionen gemacht hat. Und es ist auch so, dass man sich bei allen Beteuerungen nicht sicher sein kann, dass Okafor eine weitere Saison in Basel absolviert.

Unter dem Eindruck eines Geschäftsjahrs 2019, das nur dann nicht mit einem massiven Minus enden dürfte, wenn man die Champions League erreicht, fragt sich, wie lange man sich gegen einen Okafor-Transfer wehrt, wenn ein lukratives Angebot vorliegen sollte. Und klar ist auch: Der Substanzverlust, der mit beiden Abgängen einherginge, wäre schwer aufzufangen.

10. Was sind die Probleme, die bleiben?

Die zentrale Frage, wer der richtige Trainer ist, um die Ansprüche des FCB zu erfüllen, wurde bereits ausgeführt. Gestreift wurden zudem die Finanzen: Die wenigen Kennzahlen aus dem Geschäftsjahr 2018, die der FCB bisher offenlegen musste, zeigen eine beunruhigende Entwicklung. Obwohl dort aufgrund der ausgewiesenen Ziffern ein Transferplus von 36 Millionen Franken resultierte, beschloss man das Jahr lediglich mit einem Gewinn von 1,75 Millionen Franken – und das, während das Umlaufvermögen von 75,4 auf 61,8 Millionen Franken abnahm. Der Apparat FCB kostet inzwischen rund 30 Millionen Franken mehr, als er ohne ausserordentliche Einnahmen (Transfers, Europacup) erwirtschaftet. Auffangen lässt sich dies nur durch Nebeneffekte des sportlichen Erfolgs. Also durch einen Mix aus hohen Europacup-Prämien und hohen Transfereinnahmen. Sonst geht es an die verbliebenen Reserven.

Die Krux ist: Unter diesem Eindruck ein Kader zu bilden, das sportlichen Erfolg bringt, ist schwierig, da man bereit sein muss Risiken einzugehen. Und auch ein Cupsieg schafft da keine Linderung, zumal der FCB als Ligazweiter gemäss Reglement wie im Vorjahr an der Qualifikation zur Champions League teilnehmen und somit bei sofortigem Ausscheiden wiederum die Qualifikation zur Europa League bestreiten müsste. Im Vorjahr endete so die internationale Kampagne Ende August auf Zypern, womit lediglich drei Millionen Franken eingenommen wurden.

Burgeners FC Basel versucht auch deshalb, auf anderen Wegen zu zusätzlichen Einnahmen oder Einsparungen zu gelangen. E-Sports, Stadion-Umbau und Indien-Engagement sind die Stichworte. Allerdings hat man mit diesen langfristig angelegten Projekten in kurzer Zeit den Graben vergrössert, der bis zu einem gewissen Grad immer zwischen traditionsbewussten Fans und strategisch ausgerichteter Clubführung besteht. In Paarung mit dem sportlichen Rückschritt und unter dem Einfluss des zuvor jahrelang anhaltenden Erfolgs sind so die Jahreskarten- und Zuschauerzahlen merklich gesunken, während die öffentliche Stimmung gegenüber der Führung skeptisch ist.

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