Presseschau

NZZ vom 17.05.2019

Anspruch und Wirklichkeit

Zdravko Kuzmanovic ist im FC Basel ein Spieler für besondere Momente. Auch im Cup-Final gegen Thun?

Stephan Ramming, Basel

Sitzt Zdravko Kuzmanovic wie am letzten Sonntag in Bern gegen YB nur auf der Ersatzbank, hat er schlechte Laune. «Das ist klar», sagt er, «doch was soll ich machen? Der Trainer stellt die elf Spieler auf. Ich muss seine Entscheidungen akzeptieren.» Spielt Kuzmanovic wie am Mittwoch gegen Luzern, ist es aber auch nicht recht. Denn es heisst, der FCB-Trainer Marcel Koller habe das B-Team antreten lassen, um das A-Team für den Cup-Final am Sonntag zu schonen.

Ist Kuzmanovic also im B-Team, ist er deshalb am Sonntag um 14 Uhr im Stade de Suisse in Bern nicht von Anfang an dabei im Cup-Final? Bleibt Kuzmanovic, was er in seiner Zeit im FC Basel geworden ist: Ersatzspieler, Edelreservist?

Bescheidener? Demütiger?

Er selber sieht das ganz anders. «Ich kenne meine Qualitäten. Wenn der Trainer sie braucht, bringe ich sie auf den Platz. Das habe ich bewiesen. Mit meinen Leistungen übe ich auch einen gewissen Druck aus auf den Trainer», sagt er.

Kuzmanovic stellt Ansprüche. An sich selber. Aber auch an die anderen. Das kann zu Problemen führen. Zu schlechter Laune, vor allem bei ihm selber. Denn da ist die Wirklichkeit. Sie deckt sich beim bald 32-Jährigen offenbar nicht immer mit den Ansprüchen. Was steht zwischen Wirklichkeit und Anspruch? Ist es der Kopf, die Einstellung? Ist es der Körper, der nicht machen will, was er soll, sind es Verletzungen? Wie fühlt sich der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit an? Wie hat er, Kuzmanovic, in seinem langen Fussballer-Leben damit umzugehen gelernt?

«Ich bin zu hundert Prozent fit und immer bereit», sagt er. Nochmals: Wird man bescheidener, wenn man verletzt ist, zweifelt, sich zurückkämpfen muss, nicht mehr oft spielt? «Bescheidener?», fragt Kuzmanovic. Er denkt nach. Er kennt das Gefühl, wenn die Achillessehnen reissen. «Holz anfassen. Darüber möchte ich nicht reden.» Neuer Versuch: Wird man demütiger? «Demütiger? Das Wort kenne ich nicht. Das kann ich nicht gebrauchen als Profi.»

Vor knapp vier Jahren hat Kuzmanovic einen Fünfjahresvertrag im FC Basel unterschrieben. Er spielte davor bei Inter Mailand, bei Stuttgart, bei der Fiorentina. Das war nach dem Aufstieg im FC Basel unter Christian Gross. Er wurde serbischer Nationalspieler mit 51 Einsätzen und war 2010 WM-Teilnehmer.

Nach der Rückkehr nach Basel aber hatte Kuzmanovic im ersten Halbjahr unter Urs Fischer 13 Einsätze, die immer kürzer wurden. Er hatte keine Lust mehr, er ging zu Udinese und war danach zwei Saisons in Malaga, fast die ganze Zeit verletzt. Nun kommt er in dieser Saison bis jetzt auf 15 Einsätze für den FCB, nur 3 während 90 Minuten. Das ist eine Bilanz, die den Ansprüchen nicht genügt. «Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich habe alles richtig gemacht», sagt er.

Zum FCB gekommen ist Kuzmanovic, weil die damalige Führung unter Bernhard Heusler und Georg Heitz das Karrierenende von Marco Streller abfedern wollte mit einem Spieler gehobener Klasse, der sich mit dem FCB identifiziert und mit dem sich auch das Publikum identifizieren kann. Der FCB lockte mit einem Fünfjahresvertrag und einem kolportierten Lohn von anderthalb Millionen Franken. «Make money, not friends», mach Geld, nicht Freunde, hat Kuzmanovic auf seinem Instagram-Profil geschrieben.

«Zeigen Sie mir das Zitat», sagt Kuzmanovic auf die Feststellung, dass er am Anspruch auf die Chef-Rolle gescheitert sei. «Ich habe nie gesagt, dass ich der Chef sei. Das haben die Journalisten geschrieben», sagt er. «Ich hatte Selbstvertrauen. Das darf man haben, wenn man bei Inter Mailand gespielt hat. Es gibt wenige hier, die wie ich bei grossen Klubs waren.»

Ein «geiler Kicker»

Das sieht man auf dem Platz, wenn Kuzmanovic spielen darf. Man sieht einen Spieler mit Technik, Übersicht, Passqualität und vor allem eine unerbittliche Grundaggressivität, die Spiele entscheidet wie den Cup-Halbfinal gegen den FCZ oder die Verlängerung im Viertelfinal gegen Sitten. «Er ist ein geiler Kicker», hatte der FCB-Trainer Marcel Koller nach dem 4:2 gesagt.

Was ist ein «geiler Kicker»? «Ich bin ein geiler Kicker . . . Das war nur Spass», sagt Kuzmanovic. «Ibrahimovic, Messi, Neymar, ich habe auch mit einigen geilen Kickern gespielt, Jovetic, Cambiasso, Cassano.» Und was hat Marcel Koller gemeint, als er ihn als «geilen Kicker» bezeichnete? Er sagt: «Das weiss ich gar nicht. Sie müssen ihn selber fragen.» Koller will vor dem Cup-Final «nicht über einzelne Spieler reden».

Einen Spieler wie Kuzmanovic hat jeder Trainer und jeder Sportchef gerne auf der Bank. «Ich bin ein grosser Fan von Kuzmanovic», sagt der FCB-Sportchef Marco Streller. Er wehrt sich gegen die Ansicht, Kuzmanovic könne Spiele, aber keine Meisterschaften entscheiden. Streller sagt: «Wir haben keinen Match verloren, wenn er auf dem Platz war, er wird auch in der nächsten Saison eine wichtige Rolle spielen.»

Zdravko Kuzmanovic zu haben, ist ein Luxus aus den Zeiten, als sich der FCB solchen Luxus noch leisten wollte. Das ist anders geworden, der FCB muss sparen. Streller redet nicht über Finanzielles. Kuzmanovic sagt: «Ich habe vor vier Jahren gesagt, dass ich mit dem FCB Titel gewinnen will. Die letzten zwei Jahre gab es keinen Titel. Ich war weg. Am Sonntag will ich spielen und mit den Fans feiern.»

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