Presseschau

NZZ am Sonntag vom 19.05.2019

Der Cup-Final ist nicht vergiftet, aber angefault

Wettbewerb in der Krise

Die Fankurve des FC Basel ist zum Verkauf von eigenen Tickets übergegangen, weil sie mit der Preispolitik des Schweizerischen Fussballverbands SFV nicht ­einverstanden war. Vor allem wehrte sich die Kurve gegen Kombi-Tickets und suchte die Machtprobe. Das Resultat: Alle können anreisen, wie sie wollen. Im Eintritt, der in der Kurve 50 Franken kostet, sind die öffentlichen Verkehrsmittel inbegriffen. Niemand wird mit Extrazügen zum Stadion gefahren, obschon dies möglich wäre. Und der Basler Fanmarsch führt mitten aus dem Berner Stadtzentrum zum Stade de Suisse.

Personen, die sich im Cup-Final 2018 in die Fankurven begaben, weil sie nicht 100 Franken und mehr für Plätze in anderen Sektoren ausgeben wollten, erschraken. In der FCZ-Kurve herrschten laut Augenzeugen grenzwertige Zustände, wegen des Abbrennens von Pyro-Material und wegen Drogenkonsums. Zudem detonierten zwei Knallkörper, deren Lautstärke an Militärübungen erinnerte. Wäre ein Dritter gezündet worden, wären Folgen nicht ausgeblieben.

Der Cup-Final vereint viel. Es geht nicht nur um eine Trophäe, sondern auch um Fanmärsche, Macht, Sicherheit, Publikum und Gewinnmargen. Alles ist verknüpft. Der Final, der ein Volksfest sein sollte, kämpft gegen Krisensymptome. Der scheidende SFV-Präsident Peter Gilliéron sagt Sätze, die Bände sprechen: «Der Cup-Wettbewerb hat seinen Reiz. Wir dürfen nicht kapitulieren.» Wirtschaftlich gesehen wirkten sich die hohen Eintrittspreise 2018 positiv aus. YB gegen den FC Zürich war attraktiv und spielte über das Ticketing 2 Millionen ein. Cup-Einnahmen von 5,4 Millionen standen 2018 Ausgaben von 4,7 Millionen gegenüber.

Das liest sich gut, täuscht aber nicht über die Cup-Krise hinweg. Schon vor 2018 hatte es Sicherheitsprobleme gegeben: in Bern Fan-Ausschreitungen und ausser Kontrolle geratene Fanmärsche (2013, 2014), im St.-Jakob-Park Spielunterbrüche wegen Petarden (2015) und in Genf erhebliche Sicherheitskosten und ­Einschränkungen in der Stadt (2017). Das hat ein nicht vollständiges Sponsoring-Board und steigende Sicherheitskosten zur Folge. Der SFV wendet für die Sicherheit im Stadion 200 000 Franken auf. Dazu kommen in der Regel 350 000 Franken, die an die Polizeikosten ausserhalb des Stade de Suisse beigesteuert werden müssen.

Den Preis für die teurer werdende Sicherheit bezahlen das Publikum und die Klubs, die sich indirekt am Sicherheitsaufwand beteiligen. Immerhin hat der SFV im Vergleich zu 2018 reagiert, indem Kinder und Jugendliche ausserhalb der Fankurven weniger als 100 Franken bezahlen ? sofern sie in Begleitung sind. Die Klubs ihrerseits spüren die Krise mit sinkenden Prämien. Bis 2016 erhielten die Finalisten nach steilem Wachstum als Spitzenwert je 300 000 Franken, jetzt sind es noch je 100 000 plus eine Zuschauerbeteiligung ab 25 000 Eintritten.

Der «Tages-Anzeiger» hat den Cup unlängst als «vergifteten Apfel» bezeichnet. So weit geht Gilliéron nicht. Er sagt, dass der Apfel nicht vergiftet sei, aber braune Stellen habe, die man herausschneiden müsse. Gilliéron begann 1993 als SFV-Generalsekretär und sagt, dass er in den letzten Jahrzehnten nur zwei oder drei sorgenlose Cup-Finals erlebt habe. 1994 kamen etwa nur 12 000 ins alte Wankdorf, als GC gegen die unterklassigen Schaffhauser 4:0 gewann. Das ist eine Relativierung à la Gilliéron. Auch er weiss, dass die Verantwortlichen vor dem Final schlechter schlafen als früher und hoffen, dass der FC Basel nicht auf den FC Zürich trifft. Dieser Gedanke allein wäre ein Kapitulationsgrund.

Der FC Thun dient in seiner Nische auch vor dem Cup-Final als Vorbild. Zwei Extrazüge fahren nach Ostermundigen. Von dort führt der Fanmarsch am Rand von Bern zum Stade de Suisse. Doch der Cup-Final Basel - Thun hat seinen Preis. Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Verzwickte Fussballwelt. Peter B. Birrer

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