Presseschau

NZZ vom 20.05.2019

Der neue FCB bleibt sich treu: Verwirrung trotz Cup-Sieg

Kommentar

von Benjamin Steffen

Es gab schon feurigere Cup-Finals als dieses Endspiel 2019 zwischen Basel und Thun, das der Favorit 2:1 gewann. Es war eine Partie von mittelmässigem Niveau, die Basler siegten mit ihrer Härte und ihrer Solidität, die sie durch die letzten Monate begleitet hatten. Reiner Pragmatismus war’s, nichts Brillantes, und es sagt alles aus, dass der FC Basel noch einige spannende Schlussminuten zuliess – dass er es nicht geschafft hatte, dem Aussenseiter frühzeitig die Hoffnung zu nehmen. Es gibt bestimmt Leute, die dieses Ergebnis als Aufbruch in eine neue, bessere Zeit verstanden haben möchten – der erste Titel unter dem Präsidenten Bernhard Burgener und dem Sportdirektor Marco Streller, die im Sommer 2017 die Führung übernommen hatten, los geht’s, weiter, endlich!

Aber so einfach ist es nicht. Es geht nicht einmal darum, ob der FCB im Kerngeschäft «Super League» eher früher als später auf den ersten Platz zurückkehrt – sondern darum, dass er zwiespältig wirkt. Diesen Eindruck vertrieb er im Cup-Final und auch danach nicht. Er wirft unablässig Fragen auf, Fragen der Homogenität, auf und neben dem Feld. Wie war es möglich, dass er diesen Final nicht überzeugender führte? Was genau hatte er vor in diesem Spiel? Und was hat er sonst vor? Es sind Fragen der Ausrichtung, taktischer Art, strategischer Art.

Es fehlt an Klarheit. Beispiele dafür liefert der FCB fast frei Haus, darin liegt ein Merkmal der neuen Ära. In der «Basellandschaftlichen Zeitung» vom vergangenen Freitag sagte der Sportdirektor Streller: «Der grösste und wichtigste Titel ist die Schweizer Meisterschaft. Solange wir die nicht haben, ist das Projekt für mich nicht abgeschlossen. Wir haben dafür noch ein Jahr Zeit, erst dann ist 2020.» Den Meistertitel also bitte 2020. Die «Sonntagszeitung» indes zitierte Streller vor dem Cup-Final so: «Das Ziel ist, nächste Saison näher an YB heranzukommen, um im Sommer 2020 sagen zu können: Jetzt greifen wir wieder an.» Also doch erst 2021? Und im «Sonntags-Blick» sagte Streller: «Über konkrete Ziele reden wir erst, wenn wir unser Kader für die Saison 2019/20 beisammen haben.» Also 2020 oder 2021.

Am vorletzten Samstag schrieb die «Basler Zeitung» zudem, bis zum Ende des Geschäftsjahres 2019 sollten die FCB-Ausgaben um 21 Millionen Franken gesenkt werden – eine horrende Zahl, fast doppelt so gross wie das Budget des Cup-Final-Gegners; und vor allem eine Zahl, die nicht auf Angriff hinweist. Es geht so weit, dass in der Branche gemunkelt wird, der FCB wäre froh, den einen oder anderen routinierten Leistungsträger trotz Vertrag loszuwerden, sogar Namen werden herumgeboten. Ob es stimmt oder nicht: Es zeigt, dass der FCB den Ruf einer gewissen Unerschütterlichkeit verloren hat; und dass der Klub rasch Zweifel schürt.

Der FCB ist ein anderer Klub geworden in den vergangenen zwei Jahren, und der Präsident Burgener sagt gerne, genau darauf habe er hingewiesen, als er sich im Frühling 2017 den Mitgliedern als Besitzer beliebt gemacht habe. Aber der FCB ist nicht einfach anders geworden in personellen oder strukturellen Fragen, mit Ideen und Innovationen, mit den umstrittenen Investments in einen indischen Klub und im Bereich eSports. Der FCB hat vor allem seine Aura verloren, und damit, genau damit hätte kaum jemand gerechnet, weder intern noch extern. Der Cup-Final gehört zu den wenigen bedeutenden Alles-oder-nichts-Partien der Saison, in denen der FCB alles erreichte. Auf europäischer Ebene unterlag er in Qualifikations-Duellen Paok Saloniki (Champions League) und Apollon Limassol (Europa League). Und in der Super League sicherten sich die Basler gegen den Meister YB einen einzigen Punkt, die Resultate: 1:7, 1:3, 2:2 und, vor einer Woche, 1:3.

Gewiss, das europäische Scheitern und das fast schon legendäre 1:7 reichten in eine andere Zeit zurück, in die Tage vor dem Amtsantritt des heutigen Trainers Marcel Koller und in eine Phase des Kennenlernens. Aber in der letzten Partie gegen YB waren die Basler viel klarer unterlegen, als das Resultat glauben machte. Der FCB-Kaderplaner Remo Gaugler sagte danach in einem Talk im Lokal-TV, der FCB sei nicht vorbereitet gewesen auf die Wucht des Gegners und auf das Selbstverständnis von YB – was sogar in einer Partie mit Kehraus-Charakter fast an Fahrlässigkeit grenzt: sich der Festigkeit eines Gegners nicht bewusst zu sein, der 20 Punkte voraus liegt (zum damaligen Zeitpunkt).

Und so bleibt die Frage, wer was sagt und warum. Hat schon ein Abschiednehmen begonnen? Vor dem Cup-Final hatte der Sportdirektor Streller ein Bekenntnis zum Coach Koller vermieden. Dabei blieb es am Sonntagabend. Auf die Frage, wie klar es für ihn sei, mit demselben Trainer in die neue Saison zu gehen, sagte Streller, ja, er gehe von einer weiteren Zusammenarbeit aus, weil Koller einen laufenden Vertrag habe und die Rückrunde sehr gut gewesen sei – aber er wolle «jetzt nicht hier stehen und sagen, wir machen das sicher oder wir machen das nicht». Auch Koller verwies an der Pressekonferenz auf den bis 2020 gültigen Vertrag, «und was passiert, das weiss ich nicht» – er sprach über seine Arbeitsweise, über seine Routine, aber er habe in seiner Karriere auch die Erfahrung gemacht, «okay», wenn es irgendjemandem nicht passe, «dann muss man darüber reden, und dann ist es so».

Auf bedingungsloses gegenseitiges Vertrauen weisen solche Worte nicht hin – darin liegt ein internes Problem. Wollen Koller und der FCB weiterhin zusammenarbeiten, gibt’s Gesprächs- und Klärungsbedarf – zumindest davon zeugen die Äusserungen nach dem Cup-Final. Aber es gibt auch ein Problem in der Aussendarstellung: Der Cup-Final war vorbei und sogar gewonnen – und der neue FCB warf weiterhin Fragen auf.

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