Presseschau

NZZ vom 20.05.2019

Ebenbürtig, aber ohne Final-Glück

Thun bringt den FCB ins Wanken

Stephan Ramming, Bern

Schliesslich sprach der Thuner Trainer Marc Schneider doch noch von dem, was alle im Stadion gesehen hatten: Der FC Basel in dieser Verfassung wäre an diesem 19. Mai auch für den Aussenseiter Thun zu bezwingen gewesen. Schneider hatte die Medienkonferenz bereits beendet und den Lokalradios Auskunft gegeben, der FCB-Coach Marcel Koller begann sich gerade auf dem Podium für die Fragerunde der Medienleute einzurichten. Bevor sich Schneider zu seiner Mannschaft aufmachte, sagte er noch: «Die Enttäuschung ist gross, weil ich während des Spiels das Gefühl hatte, dass wir Basel schlagen können.»

Schneider lag richtig mit seinem Gefühl, das sich in der 82. Minute gar in Hoffnung verwandelt hatte. Fünf Minuten vorher hatte der Basler Captain Frei zum 2:0 getroffen, nach einer der wenigen gelungenen Konter-Aktionen über Riveros, Bua und abermals Riveros. Die Basler Fans waren noch immer mit dem Abfackeln von Rauch- und Knallpetarden beschäftigt, als Costanzo einen Corner ausführte und Sorgic mit dem Kopf den Anschlusstreffer erzielte. Schneider hüpfte auf, klatschte, machte den Magnin. «Kommt Jungs, da ist noch was möglich», schien er auf den Platz zu rufen.

Spannende Schlussminuten

Das Goal brachte nicht nur auf den Rängen endlich ein bisschen Final-Stimmung. Auch auf dem Platz begann ein offenes Hin und Her. Schneiders Mannschaft roch nun wieder den Braten, sie warf alles in Richtung des Basler Tores, doch zum Ausgleich reichte es nicht mehr. Und so lagen sich am Ende die erleichterten Basler in den Armen, während den wackeren Thunern die Enttäuschung in den Gesichtern stand.

Thun-Präsident Markus Lüthi stand vor der Spielerbank und redete mit dem Sportchef Andres Gerber, Schneider drehte eine Verarbeitungs-Runde um die eigene Achse, die ganze Mannschaft verabschiedete sich schliesslich von ihren Anhängern, die diese mit einem dreifachen Hurra in die Kabine entliessen. Gut gemacht – auch wenn eben mehr möglich gewesen wäre.

Stand das Glück schon während der ganzen Rückrunde nicht auf der Seite der Thuner, so war es auch am Sonntag nicht anders. Weil der Innenverteidiger Rodrigues von einer Hirnerschütterung nicht genesen war, musste Sutter den ungewohnten Part in der Defensive neben Gelmi übernehmen. Nach einem groben Schlag Ajetis verliess Sutter bald den Platz, Stillhart rückte aus dem Mittelfeld in die Abwehr. Glarner fehlte ohnehin gesperrt, Tosetti war angeschlagen, der Captain Hediger fehlte ebenfalls. All diesen Fährnissen zum Trotz boten die wackeren Thuner den mediokren Baslern bis zum Schluss die Stirn. Schneider sagte: «Wir waren als Mannschaft ebenbürtig, darauf bin ich stolz.»

Schneiders Stolz

Der Thun-Spieler mit dem höchsten Lohn verdiene immer noch massiv weniger als der FCB-Spieler mit dem kleinsten Salär, hatte Thun-Präsident Lüthi die Ausgangslage als David gegen den FCB-Goliath umschrieben. Auch vor diesem Hintergrund war Schneiders Stolz berechtigt.

Der Cup-Sieg der Basler hat auch Auswirkungen für die Meisterschaft. Der Tabellen-Dritte erbt nun den direkten Startplatz für die Gruppenphase in der Europa League. Die Plätze 4 und 5 berechtigen zur Qualifikation für die Europa League. Der FC Thun hat somit noch immer die Chance, am Mittwoch gegen Basel und am Samstag in Sitten einen Teil des Lohns abzuholen, der ihm am Sonntag verwehrt blieb.

Zurück