Presseschau

Basler Zeitung vom 24.05.2019

Der Leisesprecher zieht weiter

Abschied Nach fünfeinhalb Jahren verlässt Captain und Abwehrchef Marek Suchy den FC Basel.

Tilman Pauls

Jetzt ist er ganz nah, der Tag, an dem Marek Suchy die Kabine des FC Basel zum letzten Mal betreten wird.

Vor fünfeinhalb Jahren war Suchy zum ersten Mal dort. Er kann sich noch an den Moment erinnern, als man ihm seinen Spind zeigte und sagte: «Das ist ein guter Platz, nutze ihn!» Suchy hat im ersten Moment gar nicht verstanden, was damit gemeint sein könnte. Wie sollte ihm ein Platz Glück bringen? Er kannte ja weder seinen einen Sitznachbarn, diesen adretten jungen Mann, der sich ihm als Yann Sommer vorstellte. Noch hatte er von Matias Delgado, seinem Nachbarn auf der anderen Seite, je etwas gehört.

Mittlerweile weiss Marek Suchy, was für ein Glück er damals mit seinem Spind und seinen Nachbarn hatte. Und würde man ihn jetzt, da es fast vorbei ist, fragen, ob der Wechsel zum FC Basel ein Glücksfall war, dann würde er wohl antworten: «Ja. Grosses Glück sogar.»

Keine Einigung

Gestern hat Marek Suchy seinen Abschied vom FCB angekündigt. Nach fünfeinhalb Jahren, sechs Titeln und 223 Einsätzen. Ein letzter wird noch hinzukommen, dann ist Schluss. Der 31-Jährige und der Verein konnten sich nicht auf eine Verlängerung des Vertrags einigen. Das lag zum einen am Verein, der nicht bereit war, Suchy zu den gleichen finanziellen Bedingungen weiterzubeschäftigen wie bisher.

Der Tscheche war aber ebenso wenig bereit, auf seinen stattlichen Fixlohn zu verzichten und einen stärker leistungsbezogenen Vertrag zu unterzeichnen.

«Ich hatte beim FC Basel eine wunderschöne Zeit, die ich sehr genossen habe. Ich war immer stolz, das rot-blaue Trikot tragen zu dürfen, und es war eine grosse Ehre, der Captain dieser Mannschaft zu sein. Basel bleibt in meinem Herzen.» Mit diesen Worten hat Suchy sich gestern vorverabschiedet, es waren leise Worte. Am Samstag wird er zum letzten Mal im St.-Jakob-Park auflaufen, aber man sollte nicht damit rechnen, dass es dann noch mal so richtig laut wird.

Kaum Alternativen

Mit Suchy verlässt zwar der aktuelle Captain den Club, aber es wird nicht das Gleiche sein wie bei den letzten Abschieden. Suchy hatte nie die Aura eines Marco Streller, auch wenn alleine der Vergleich schon fast ein bisschen unfair ist. Und die Basler Fans werden morgen auch nicht das Pressezentrum stürmen, so wie sie es getan haben, als Matias Delgado dort unter Tränen seinen Rücktritt verkündete.

Suchy wird einen Strauss Blumen und ein Bild überreicht bekommen, vielleicht gibt es noch eine kurze Videobotschaft von den ehemaligen Weggefährten. Diese Art des Abschieds hat sich beim FCB ja inzwischen etabliert. Dann wird er den FCB ein letztes Mal als Captain aufs Feld führen, er wird Bälle nach vorne schlagen, seinen Gegenspielern aufden Füssen stehen. Und einige Minuten vor dem Abpfiff wird er dann wohl das Feld verlassen.

Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, hat Suchy noch etwas ganz Wildes geplant, zum Beispiel ein bedrucktes Shirt mit einer Botschaft an die Fans.

Suchy war nie anders, und er hats auch nie versucht. Im Grunde ist er immer noch der Spieler, der im Januar 2014 vorgestellt wurde, als er erst für ein halbes Jahr von Spartak Moskau ausgeliehen wurde, um den verletzten Ivan Ivanov zu ersetzen. Ruhig, zurückhaltend, verlässlich. Kein Laut-, aber ein Leisesprecher.

Dass er 2017 zum Captain aufstieg, hatte natürlich mit seinen Leistungen zu tun. Aber es lag auch daran, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Alternativen vom Format eines Streller oder Delgado gegeben hätte.

Suchy hat sich auch als Captain nie verbogen. Er war keiner, der sich nach einem schlechten Spiel aufgeplustert hätte, um zu erklären, was ihm alles nicht passt. Als er in seinem neuen Amt zum ersten Mal vor dem Team sprach, war er nervös – trotz der Notizen, die er sich vorher gemacht hatte. «Im Mittelpunkt zu stehen, ist definitiv nichts, das ich anstrebe», hat Suchy mal gesagt. Entsprechend zurückhaltend hat er sein Amt als Captain ausgeübt.

Ein Anführer

«Nein, Marek war nie der Typ der ganz grossen Worte», sagt Tomas Vaclik, der Suchy als Mitspieler, als Captain, als Trauzeuge, aber in erster Linie als guten Freund kennt. «Aber er hat immer ganz genau gewusst, wann und wie er etwas sagen musste. Und dann haben ihm alle zugehört, weil erauch auf dem Rasen ein Anführer ist.» Undwenn er nicht spielte, so wie in der Hinrunde, als er verletzt war, dann hielt Suchy sich zurück. «Ich wollte nicht der sein, der von aussen reinredet.»

Der Anführer auf dem Rasen wird dem FCB nun fehlen. Einen neuen Captain werden die Basler finden, da muss man sich keine Sorgen machen. Vermutlich wird es Fabian Frei mit Taulant Xhaka als erstem Assistenten. Die andere Frage ist aber, ob die Basler auch einen Innenverteidiger vom Format Suchy finden.

Es gibt Spieler, deren Anwesenheit bemerkt man erst, wenn sie zur Abwesenheit geworden ist. Marek Suchy ist so ein Spieler. Als er in der Hinrunde verletztfehlte, schaffte es das Team kaum noch, mal ein Spiel ohne Gegentor zu beenden. Als er zurückkehrte, spielte auch der FCB wieder besser. Aber wer ist künftig der Bessermacher in der Abwehr des FCB? Eray Cömert? Eder Balanta? Der zu erwartende Omar Alderete?

Suchy kann das egal sein, er wird weiterziehen. Wohin, das ist noch nicht klar. Der Schritt zurück zu Slavia Prag, zu dem Club, der ihm immer am meisten bedeutet hat, kommt wohl noch ein paar Monate zu früh. Gut möglich, dass er sich jetzt noch den Traum von einer grossen Liga erfüllt. Spanien, Deutschland, vielleicht sogar England.

Er wird dort einen neuen Spind, einen neuen Platz zugewiesen bekommen. Ob auch der ihm so viel Glück bringen wird wie der beim FCB? Und haben die Basler ihrerseits das nötige Glück, für ihren verwaisten Platz einen Spieler wie Marek Suchy zu finden?

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