Presseschau

NZZ vom 15.06.2019

Bis der Präsident des FC Basel den Daumen senkt

Der grösste Super-League-Klub richtet ohne Not ein Beben in der Führung an und verliert den Sportchef Marco Streller

Peter b. birrer

Um 16.04 Uhr wird am Freitag das Communiqué versandt. Marco Streller verabschiedet sich per sofort als Sportdirektor, nicht aber als Verwaltungsrat des FC Basel. Der Entscheid erfolgt «aus eigenem Wunsch» und «im Interesse des Klubs, der Mannschaft und des Trainers», heisst es in abgeschliffener PR-Sprache. Der «Blick» hat schon zuvor eine SMS publiziert, mit der sich Streller emotional von den Spielern verabschiedet. Dort steht: «Es bricht mir s’ Herz» – und: «Es sind 2–3 Sache passiert, won ich nit chan akzeptiere.» Und noch dies: «Bitte holet dä Chübel zrugg nach Basel. Ich bin in Gedanke bi euch.»

Zahlreiche Fragen bleiben offen, weil (noch) niemand offen redet. Streller spricht nicht und stellt lediglich Dinge in den Raum, und der FC Basel kündigt eine Medienkonferenz für Anfang nächster Woche an. Aus den turbulenten letzten Tagen lassen sich vor allem drei Parameter herausfiltern. Erstens wollte Streller den ihm bestens bekannten Aarau-Trainer Patrick Rahmen nach Basel lotsen und Marcel Koller entlassen. Zweitens ist dabei etwas gründlich schiefgelaufen. Und drittens senkte der Basel-Präsident Bernhard Burgener am Ende der Kette den Daumen nicht wie zunächst von Insidern erwartet gegen Koller, sondern gegen Streller, der in Basel lokalen Heldenstatus geniesst.

Reihum Negativgeschichten

Mit beiden zusammen konnte es nicht mehr weitergehen. Dass Koller Anfang August 2018 vom Geschäftsführer Roland Heri und Burgener und nicht von Streller installiert wurde, bezeichnet ein Kenner der Angelegenheit als «Basis der Katastrophe». Diese schwelte lange. Die guten Resultate im ersten Halbjahr 2019 und der Cup-Sieg kitteten die Konfliktlinie notdürftig. Dass nun trotzdem Chaos ausbricht, ist ein schlechtes Zeichen für den FC Basel und erweitert die lange Reihe von Negativgeschichten im krisenanfälligen letzten Halbjahr der Super League. Was ist hinter dem Meister YB gut, wenn sich jetzt auch noch der FC Basel ohne ersichtliche Not in die Krise stürzt?

Zu viel kam und kommt zusammen. Marcel Koller weilt diese Woche zunächst in Laax in den Ferien, Rahmen auf Mallorca, und in Basel und Aarau laufen ein paar mobile Kommunikationsgeräte warm. Einige Berater sind ratlos, weil sie von Medienvertretern über fortgeschrittene FCB-Verhandlungen mit Rahmen in Kenntnis gesetzt werden, aber von direkt Involvierten keine Antworten erhalten. Der FC Aarau wiederum verschanzt sich hinter Basel und lässt verlauten, dass die Hoheit der Kommunikation beim potenziellen Käufer liege. Viel Wirrwarr, tagelange Spekulationen – und am Ende lupft es Burgener den Hut.

Bereits am Donnerstagabend ist offenbar klar, dass Rahmen nicht nach Basel wechselt. Am Freitagmorgen bestätigt dies Aaraus Sportchef Sandro Burki offiziell gegenüber der NZZ. Burki verheimlicht die Verhandlungen mit Basel nicht. Die Kernfragen sind, inwiefern der Präsident Burgener über den Rahmen-Deal auf dem Laufenden gehalten wird. Und weshalb die Aktion scheitert. Er muss eingeweiht gewesen sein. Das Meinungsspektrum von Beobachtern geht von «reiner Geldfrage» bis zu «arges Kompetenzgerangel in Basel». Eine Spielregel gilt generell, noch mehr aber im stark mediatisierten Fussball: Je länger sich Verhandlungen hinziehen und nicht zum Abschluss kommen, desto grösser wird die Gefahr eines Lecks. Und des Scheiterns.

«Kriegerlis»

Verbürgt ist zum Beispiel, dass Burgener in den falschen Hals geriet, dass der frühere Basel-Sportdirektor Georg Heitz Rahmen nahesteht. Darin manifestiert sich, auf welch glitschigem Terrain sich die FCB-Führung seit dem Abgang des früheren Führungsduos Bernhard Heusler / Georg Heitz bewegt. Gut möglich, dass da Geister geortet werden, wo gar keine sind. Burgener wusste im Fall Rahmen vermutlich zu wenig, was ein Beteiligter in folgender Übertreibung zusammenfasst: «Alle wissen es, nur er nicht.» Letztlich muss sich auf der zur Kumpanei neigenden Seite Strellers zu viel summiert haben. Ihm wird vorgeworfen, monatelang gegen Koller «Kriegerlis» gespielt und ihn destabilisiert zu haben. Doch auch die Seite Kollers betrieb bei Burgener Forechecking. In der Mannschaft des FC Basel sind nicht nur Koller-Fans zu finden. Fabian Frei gehört dem Vernehmen nach zum Anti-Lager. Doch Valentin Stocker, ein anderer Führungsspieler, soll sich vom Streller-Clan entfernt haben, weil «ihm alles zu viel wurde», wie ein Insider behauptet.

Auf den ersten Blick geht Koller gestärkt ins erste Training der neuen Saison. Als starker Mann, der mit Roland Heri und Bernhard Burgener in die gleiche Richtung läuft. Dennoch scheint er auf fragilem Boden zu stehen, ist doch auch nach den neusten Entwicklungen nicht alles so exzellent, wie es Koller gern sähe. Der FC Basel ist ein teurer Dampfer, beschäftigt zu teures Personal und hat sich in eine schwierige Situation navigiert. Streller springt nicht ins Wasser, sondern bleibt als Verwaltungsrat auf dem Schiff, einfach nicht mehr auf der Kommandobrücke. Eine eigentlich unmögliche Konstellation.

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