Presseschau

NZZ vom 15.06.2019

Der FC Basel stellt sich selber bloss – und Besserung ist keine in Sicht

Kommentar

VON Benjamin Steffen

Es ist gut anderthalb Wochen her, dass Marco Streller an der Generalversammlung des FC Basel sagte, er sei «hundertprozentig überzeugt, dass es in die richtige Richtung geht». Heute fragt sich, welchen Weg der Sportdirektor dabei sah. In den Tagen danach probierte Streller einen Trainerwechsel herbeizuführen, von Marcel Koller zu Patrick Rahmen, dem Trainer des FC Aarau. Diese Versuche drangen an die Öffentlichkeit, was für den FCB noch verkraftbar gewesen wäre, wenn Rahmens Verpflichtung auch wirklich geklappt hätte. Doch am Freitagmorgen bestätigte der Aarau-Sportchef Sandro Burki gegenüber der NZZ, dass Gespräche geführt worden seien, Rahmen den Abgang aber nicht vollziehe. Stunden später trat Streller als Sportdirektor zurück – er stolperte über diesen missratenen Trainerwechsel.

Es ist das Scheitern eines Konzepts: Zwei Jahre nach dem Rücktritt als Spieler war Streller Mitte 2017 als Sportdirektor angetreten, als Gesicht des neuen FCB unter dem neuen Besitzer Bernhard Burgener, an der Seite mehrerer Personen, die wie er neu waren in ihren Ämtern. Und wer fragte, ob so etwas gutgehen könne, bekam schon fast Entrüstung zu spüren – und die Antwort zu hören, dass sich alle diese Leute doch allzu gut kennten, alles kein Problem. Die Basler irrten sich, immer wieder warf der FCB Fragen auf in den vergangenen beiden Jahren, und wie wenig sie gelernt haben, zeigte sich in der Kommunikationspolitik vom Freitag: Sie verschanzten sich hinter einem Rücktritts-Communiqué, das vieles offenliess. Etwa: warum genau Streller demissioniert – ob er Fehler eingesteht oder sich alleingelassen fühlt.

Um diesen Eklat durch die Causa Rahmen zu verhindern, hätte es nur einen Weg gegeben für den FCB: den Trainerwechsel selbstbewusster durchzuziehen, schneller auch, damit nach den ersten Gerüchten bereits Vollzug hätte gemeldet werden können. Vor allem aber hätte der FCB Übereinstimmung gebraucht in der Führung. Es war erstaunlich genug, dass die Basler überhaupt einen Trainerwechsel anstrebten angesichts des Sparvorhabens des Präsidenten Burgener, der die Ausgaben noch im laufenden Geschäftsjahr um einen zweistelligen Millionenbetrag senken möchte. Wer bei diesem finanziellen Druck den Coach austauscht und Mehrkosten generiert, muss überzeugt sein von diesem Schritt. Er sollte die Bereitschaft aufbringen, so viel Geld auszugeben, dass er am Ende keinen Imageschaden erleidet, der grösser ist als so manch finanzieller Verlust.

Der Trainer Koller war im August 2018 angetreten, um dem FCB Stabilität zu geben – und es ist bemerkenswert, dass er diese Vorgabe nach einem schwierigen Herbst 2018 im Frühling 2019 resultatmässig erfüllt hat, obwohl ihm all die Zweifel gegenüber seiner Person bekannt sein mussten. Der FCB sicherte sich im Mai immerhin den Cup-Sieg – aber einen knappen Monat danach destabilisiert er sich selber derart umfassend, wie es keiner gegnerischen Mannschaft möglich wäre. Der FCB steht vor einem Scherbenhaufen – was nicht nur an den Turbulenzen dieser Tage liegt.

In erster Linie ist in den letzten zwei Jahren offensichtlich geworden, dass dieses im Frühling 2017 gebaute Konstrukt nicht trägt – so vieles ist schon schiefgegangen, das irgendwie schöngeredet werden musste. Immer wieder herrschte Uneinigkeit, gerade bei den Trainerwahlen; immer wieder gab es Versprechen oder Vorsätze der Korrektur. Nach der Entlassung des Trainers Raphael Wicky nach nur zwei Spielen der Saison 2018/19 verlautete aus den Reihen der Basler, sie hätten auf die ersten Unsicherheiten reagieren und schon nach dem Meisterschaftsende im Frühling 2018 handeln müssen. An Wickys Nachfolger Koller gab es diesmal schon viel länger Zweifel, der FCB hätte Wochen, wenn nicht Monate Zeit gehabt, sich für die Sommerpause eine Strategie zurechtzulegen – doch es fehlte der Konsens und endete im Fiasko. Die Basler hatten nicht einmal einen Plan B zur Hand, der ihnen ermöglichte, sich aus Überzeugung von Koller zu trennen und einen anderen Nachfolger als Rahmen vorzustellen.

Wie sehr hatte Streller an der GV doch den internen Zusammenhalt beschworen – er sagte, die Leute in der Führungsetage hätten sich gefunden, «ich kann ihnen sagen, dass wir Hand in Hand arbeiten». Der Fall Rahmen legt verblüffend rasch nahe, dass das Gegenteil der Fall war. Es war Februar, als ein früherer Angestellter des FC Basel sagte, sein ehemaliger Arbeitgeber überrasche ihn stets aufs Neue. Wenn der Eindruck herrsche, der FCB sei an einem Tiefpunkt angelangt, sinke er alsbald noch tiefer. Damals war es um das FCB-Investment in einem indischen Klub gegangen, eine erstaunliche Idee, aber bei aller Kritik brauchte darob nicht gerade der Stab gebrochen zu werden über der Klubleitung – vielleicht hatte der Visionär Burgener wieder einmal etwas entdeckt, das noch niemandem sonst aufgefallen war. Über die jüngsten Entwicklungen kann es aber keine zwei Meinungen geben: Der FCB stellt sich selber bloss.

Eine solche Selbstdemontage eines Spitzenklubs gab es im Schweizer Fussball lange nicht mehr. Es erinnert am ehesten an die Young Boys im September 2016, als sie den Sportchef Fredy Bickel entliessen mit der Absicht, einen Nobody als «Leiter Sport» einzusetzen. Der für den Sport zuständige YB-Verwaltungsrat Urs Siegenthaler torpedierte diesen Plan gleich selber, indem er sich im Basler St.-Jakob-Park vor eine TV-Kamera stellte und befand, den FCB anzugreifen, sei für YB «völlig unrealistisch». Die YB-Fans begehrten auf, Siegenthaler musste gehen – zurück blieben ein Berg voller Fragen und ein zerstrittener Verwaltungsrat.

Was die Young Boys 2016 vom FCB 2019 unterscheidet: Sie hatten mit Adi Hütter einen Trainer, den das Team respektierte – und mit Christoph Spycher einen Talentmanager im eigenen Haus, der sich für YB nahezu bedenkenlos zu Bickels Nachfolger befördern liess. YB war damals angeschlagen und Spycher autoritär genug, um als neuer Sportchef deutliche Bedingungen diktieren zu können.

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass der FCB eine ähnlich überzeugende Alternative für die sportliche Führung in der Hinterhand hat. Alex Frei, eine mögliche Option, ist soeben aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten und hat erlebt, wie schwierig es sich leben lässt im neuen FCB. Vor allem aber hat der FCB keinen Trainer mit der Stärke, wie sie damals Hütter bei YB hatte. Sosehr sich der FCB Mühe gäbe, den Kampf um Rahmen als Sololauf Strellers zu verkaufen – es wäre bloss die nächste unglaubwürdige Posse der Ära Burgener. Koller nimmt die Saisonvorbereitung Anfang nächster Woche auch ohne Streller geschwächt in Angriff – er ist in den letzten Tage desavouiert worden. Und es hiess wiederholt, der Coach geniesse im Team wenig Rückhalt.

Der FCB unternimmt alles, damit es «völlig unrealistisch» wird, den Schweizer Meister YB anzugreifen. Und nachdem Burgener und der CEO Roland Heri den Klub in diese Situation haben schlittern lassen, ist keine Person zu sehen, die in der Lage wäre, diese Entwicklung aufzuhalten.

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