Presseschau

SonntagsZeitung vom 16.06.2019

Noch mehr Fragezeichen als zuvor

Marco Strellers Abgang ist so ziemlich das Einzige, was beim FC Basel vor dem Trainingsstart klar ist

Basel Eigentlich hätte die Sommerpause beim FC Basel dazu dienen sollen, Klarheit für die Zukunft zu schaffen. Mit einer frühen Klärung der Trainerfrage, allenfalls gefolgt von einer Verpflichtung eines neuen Coachs. Stattdessen endet sie mit einem anhaltenden Echo nach einer Explosion, die den Club erschüttert und mehr Fragezeichen hinterlässt, als zuvor da waren: Mit Marco Streller ist das Gesicht des Projekts «Für immer Rotblau» als Sportdirektor zurückgetreten. Desillusioniert nach einem Trainerwechsel, der platzte, weil die Clubführung nicht mit aller Überzeugung und Geschlossenheit in dieselbe Richtung arbeitete.

Wie es jetzt weitergeht, weiss niemand. Anders ist das Communiqué nicht zu deuten, das der Club am Freitag verschickte und in dem so gut wie nichts stand, das nicht schon bekannt war. Einzig von einer Medienkonferenz war noch die Rede, die der Club zu Beginn der kommenden Woche abhalten wolle. Tag und Uhrzeit unbekannt.

Ebenfalls noch nicht bekannt ist die Zeit des ersten Trainings am Dienstag. Und es ist auch nicht bekannt, wer dieses leitet. Ein offizielles Statement pro oder contra Marcel Koller fehlt noch immer.

Schwierige Konstellation nach Kollers Demontage

Sich einfach auf dessen Vertrag zu berufen, geht nach den letzten Wochen samt von Aarau bestätigten Verhandlungen mit Patrick Rahmen als neuem FCB-Trainer nicht mehr. Und eigentlich geht es auch nicht mehr, dass Koller seine Arbeit in Basel wieder aufnimmt, nachdem er derart demontiert wurde, dass seine Entlassung beschlossen schien. Doch mit ziemlicher Sicherheit wird genau dies geschehen. Die verbliebenen Führungspersonen scheinen nämlich in all den Irrungen nie einen Grundsatzentscheid gegen Koller gefällt zu haben. Und dass dieser so stolz ist, aus freien Stücken zurückzutreten und auf viel Geld zu verzichten, ist nicht zu erwarten.

Natürlich bedeutet dies nicht, dass er seinen bis 2020 laufenden Vertrag erfüllen wird. Ein mediokrer Saisonstart oder ein abermaliges Verpassen einer europäischen Gruppenphase dürfte genügen, dass es noch in diesem Jahr zu einem Trainerwechsel kommt. Zumal sich das Klima zwischen Mannschaft und Koller so wenig zum Positiven verändern dürfte wie die Attraktivität des Fussballs, den er spielen lässt, oder die Zuschauerentwicklung im St.-Jakob-Park.

Wer dann folgen könnte, ist weit offener als zuvor: Sportdirektor Streller wollte zuletzt im Sinne des Konzepts eine Lösung mit rotblauer DNA. Jetzt wäre dies Rahmen gewesen, im letzten Spätsommer wäre Alex Frei eine Variante gewesen, nachdem sich diese Option zuvor durch dessen Rücktritt aus dem Verwaltungsrat eröffnet hatte. Nun wäre die Auswahl für die Nachfolge fast unlimitiert. Denn bevor man deren Profil definiert, müsste geklärt werden, wer die sportliche Verantwortung übernimmt.

FCB-Präsident Bernhard Burgener wäre nach dem jüngsten Desaster gut beraten, den Posten des Sportdirektors mit einem frischen, unbelasteten, starken Mann mit weitreichenden Kompetenzen zu besetzen. Nur: Dieser kompetente, strahlkräftige Mann ist schwer zu finden. Und er wird womöglich gar nicht erst gesucht. Burgener will schliesslich die Ausgaben im Vergleich zu 2018 um 21 Millionen Franken senken.

Unter dem chaotischen Eindruck, den Rotblau hinterlässt, wäre es folglich keine Überraschung, sollte es zu einer internen Lösung kommen. Dazu passt, dass der FCB am Tag nach Strellers Rücktritt die Verpflichtung Kemal Ademis (zuletzt Xamax) meldete. CEO Roland Heri sass schon vorher in der Transferkommission und nahm Einfluss auf Verhandlungen. Im Alltag unterstützt von Kaderplaner Remo Gaugler, könnte Burgener auf die Idee kommen, Heri auch die Sportchef-Aufgaben zu übertragen.

Machtkonzentration bei CEO Heri wäre gefährlich

Dies kann kein gangbarer Weg sein. Als CEO eines Unternehmens mit 200 Mitarbeitern kann man sich schwer vorstellen, dass Heri freie Kapazitäten hat. Erst recht nicht, wenn man sieht, wie sich der Club in den vergangenen zwölf Monaten entwickelte und welche Baustellen (Zuschauerschwund, Stadionsanierung, Fan-Dialog, Aussendarstellung) er abgesehen von der Profimannschaft noch aufweist.

Hinzu käme eine aussergewöhnliche Machtkonzentration, welche eine Korrektur im Misserfolgsfall äusserst schwierig machen würde. Das in einem Club, bei dem man schon lange das Gefühl hat, es würden ihm Impulse von aussen guttun.

Platz für diese andere Optik gibt es beim FC Basel mittlerweile genug: Der Sportchef-Sessel ist verwaist, der Verwaltungsrat der AG besteht im Grunde nur noch aus Burgener, Heri und Nachwuchschef Massimo Ceccaroni. Zwar nimmt auch Marco Streller noch bis auf weiteres Einsitz. Wozu, erschliesst sich allerdings keinem, zumal eine konstruktive Zusammenarbeit in diesem Gremium nach der verpatzten Aktion mit Patrick Rahmen samt Konsequenzen schwer vorstellbar ist. Oliver Gut

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