Presseschau

SonntagsZeitung vom 16.06.2019

Burgener verliert mit Streller das Gesicht, das er selbst nicht sein kann

Der FCB-Präsident steht ohne den Kopf seines Projektes da, ist zu wenig greifbar und verliert immer mehr an Akzeptanz

Samuel Waldis

Basel Im Fussballgeschäft gibt es einen Satz, der kaum etwas bedeutet: «Wir stehen hinter unserem Trainer.» Und man bemerkt ihn eigentlich erst, wenn er nicht ausgesprochen wird. Wie zuletzt beim FC Basel. Sowohl Sportchef Marco Streller als auch Präsident Bernhard Burgener haben in den letzten Wochen, zum Beispiel nach dem Cupsieg, auf diesen Satz verzichtet – und damit den Sturm erst ermöglicht, der den Verein in den letzten Tagen gehörig aus dem Gleichgewicht gebracht hat.

Koller steht seit Längerem in der Kritik, mit Patrick Rahmen schien sein Nachfolger bereitzustehen. Streller wollte den Basler vom FC Aarau, Burgener sah die Mehrkosten, die eine Entlassung Kollers mit sich bringen würde. Und so hat der junge Sportchef nach zwei Jahren im Amt bei einer der wichtigsten Personalfragen das Machtspiel verloren. Dabei muss derart viel schiefgelaufen sein, dass Streller nur noch zurücktreten konnte. Seit Freitag ist er nicht mehr Sportchef des FC Basel, seiner beruflichen Liebe. Man darf Streller glauben, wenn er in einer Abschieds-SMS an die Mannschaft schreibt: «Es bricht mir das Herz.»

Dem FCB entgleitet die Aussendarstellung

Dass eine solche SMS an das Boulevardblatt «Blick» weitergeleitet wird, sagt einiges aus über den Zustand des FC Basel. Dem Verein entgleitet die Aussendarstellung. Und das seit zwei Jahren, seit Bernhard Burgener den FC Basel gekauft hat. Mit dem neuen Besitzer hat sich das Führungsparadigma verändert. War vor ihm mit Bernhard Heusler ein gewiefter Rhetoriker am Werk, so liegt der FC Basel jetzt in den Händen eines Unternehmers, eines Mannes der Zahlen, dessen kommunikative Fähigkeiten nicht ausreichen, um die Basis von seinem Handeln zu überzeugen. Burgener spricht von Kunden, wenn er von Fans sprechen könnte. Oder von Marke, wenn er vom FC Basel spricht.

Burgener fühlt sich seit jeher mit dem FC Basel verbunden, und auch wenn er den Verein als Geschäftsmann führt, ist er ihm trotzdem eine Herzensangelegenheit. Schliesslich ist er in der Nähe des Stadions aufgewachsen und kümmerte sich 1993 als Vereinsvorstand um die Feier des 100-jährigen Bestehens des FCB. Vor zwei Jahren ist Burgener mit einem Konzept angetreten, das den jungen Spielern, wenn möglich aus der Region, eine grosse Rolle zuschreibt.

Im Kern klang das gut, zudem sprachen sich die abtretende Führung und ein unabhängiges Gremium für die Ideen des neuen Besitzers aus. Burgener wollte mit seinem Konzept erreichen, dass sich die Menschen mit dem FCB identifizieren können. Nur ist die Herkunft der Spieler kaum entscheidend, wenn die Fans für die sonstigen Vorstösse des Präsidenten wenig Verständnis haben: zum Beispiel für die Ernennung Jean-Paul Briggers zum Delegierten des Verwaltungsrats; für die Trennung von Trainer Raphael Wicky nach gerade mal zwei Wettbewerbsspielen der abgelaufenen Saison; oder für sein Engagement mit dem FCB in fussballfremden Geschäftsfeldern. Der Verein hat sich unter Burgener von jener Basis entfernt, die ihn ausmacht. Das führte dazu, dass an der Generalversammlung nur noch 65 Prozent der Mitglieder Burgener ihre Stimme gaben. Jedes andere Vorstandsmitglied hat mehr Zustimmung erhalten.

Burgener ist der grosse Abwesende

Das Misstrauen gegenüber dem 61-Jährigen wächst weiter. Und Strellers Rücktritt ist mehr als der Abgang eines Sportchefs: Burgener verliert das Gesicht des Vereins, das er selber nicht sein kann. Dafür ist er zu wenig greifbar, dafür ist er zu oft abwesend, dafür scheint er aufgrund seiner anderen Tätigkeiten in der Filmbranche, im Box- oder Eventgeschäft zu weit weg vom Tagesgeschehen des FC Basel. Burgener hat mit Roland Heri einen CEO installiert, der im Namen des Präsidenten sprechen darf. Trotzdem bedeutet Burgeners Abwesenheit ein Führungsvakuum. Nicht erst seit der Operette rund um den Trainerposten entsteht der Eindruck, dass beim FCB zuweilen nicht alle Hebel in die gleiche Richtung bewegt werden.

Burgener ist ein Visionär. Er baute in jungen Jahren eine Videothek auf und wurde Millionär; er stand am Ursprung der Idee einer Champions League im Boxen; und er hat sich mit dem FC Basel als erster europäischer Verein im indischen Fussball engagiert. Diese Beispiele zeigen, warum sich Burgener als «First Mover» bezeichnet. Nur hätte es bei der Übergabe vor zwei Jahren keinen Visionär gebraucht. Sondern einen Verwalter des Vermächtnisses, das ihm die alte Führung überlassen hatte. Von diesem Vermächtnis ist wenig übrig geblieben. Burgener hat mit Streller eine Identifikationsfigur verloren, er hat 22 Millionen Franken Reserven aufgelöst, um keine Verluste zu schreiben, er hat keinen grossen Rückhalt in der Basis und der FC Basel sportlich nicht den gewünschten Erfolg.

Mittelfristig muss Burgener diese Themen in den Griff bekommen, kurzfristig einen neuen Sportchef ernennen. Am Dienstag beginnt der FC Basel mit der Saisonvorbereitung. Und sollte Marcel Koller auf dem Rasen der Brüglinger Ebene stehen, wo sich das Trainingsgelände befindet, muss spätestens dann ein Verantwortlicher sagen: «Wir stehen hinter unserem Trainer.» Am besten der Präsident höchstselbst.

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