Presseschau

Tages-Anzeiger vom 19.06.2019

Der FCB-Präsident scheut Entscheide – bis es knallen muss

Analyse

Bernhard Burgener findet Gespräche mit anderen Trainern normal, sucht einen Sportchef – und sieht in all dem keine Krise.

Der Anfang folgt noch dem Skript. So, wie es sich für einen Unternehmer aus dem Filmgeschäft gehört. Mehr oder weniger fliessend liest also Bernhard Burgener jene Sätze vom Blatt, die die letzten, chaotischen Tage seines FC Basel einordnen und vielleicht sogar verständlich machen sollen. Es ist der erste öffentliche Auftritt des Vereins nach dem überraschenden Rücktritt von Sportdirektor Marco Streller. Aber schon bei Sätzen wie «Fussball ist herrlich emotional, aber auch irrational», ist zu ahnen, dass die Ansprache des FCB-Besitzers im besten Fall nicht noch mehr Fragen aufwirft. Antworten sind vonseiten des FCB für diesen Termin im prall gefüllten Mediencenter des St.-Jakob-Parks offenbar keine vorgesehen.

Dabei gäbe es einiges zu erklären: Verhandlungen mit dem Aarauer Trainer Patrick Rahmen wurden publik. Am Mittwoch wurde Trainer Marcel Koller gesichtet, wie er nach einer Sitzung mit Burgener, Streller und CEO Roland Heri mithilfe seines Beraters Dinge aus dem Büro im Stadion trug. Der «Blick» berichtete, Koller sei mündlich freigestellt worden. Am Freitag aber trat Streller ab – und Koller blieb.

Laien könnten das für Anzeichen einer hausgemachten Krise halten. Immerhin steht der teuerste Club der Schweiz am Tag des Saisonauftakts ohne Sportchef da. Aber die Welt, wie sie Bernhard Burgener sieht, ist ganz anders. Er sagt: «Ich habe Tausende Angestellte. Es ist nicht immer gleich eine Krise, wenn einer zurücktritt.» Ganz so, als ob Streller nicht das Gesicht des neuen FCB gewesen wäre, der Posterboy eines Projekts, das nach zwei Jahren in schwere Schieflage geraten ist.

Die FCB-Führung findet es auch nicht merkwürdig, dass sie nun mit Koller in die neue Spielzeit steigt, dessen Autorität zuvor wochenlang untergraben worden ist. Die Verhandlungen mit Rahmen stellt Burgener als das Normalste der Welt dar: «Ich erwarte von unserem Sportchef, dass er ein paar Dossiers hat, wenn uns jemand den Trainer wegnehmen will.» Egal, dass Koller gleich darauf erklärt, er habe nie Zeichen ausgesendet, dass er Basel verlassen wolle. Schliesslich sei der FCB «ein geiler Verein».

Es ist nicht die einzige seltsame Wendung, die diese Pressekonferenz nimmt. Je länger sie dauert, umso mehr verliert sich Burgener in abschweifenden Gedanken und Anschuldigungen gegen die Medien, die er sogleich relativiert: «Ich verstehe Sie ja.» Bloss in einem bleibt er klar: «Es hat keine Freistellung von Marcel Koller gegeben.» Der Trainer selbst erklärt danach zu seinem Bürobesuch: «Ich habe ein paar private Dinge geholt. Danach bin ich wieder in die Ferien gegangen.»

Präventive Gespräche mit anderen Trainern, obwohl man den eigenen Coach behalten will. Private Dinge aus dem Büro, die man dringend in den Ferien in Graubünden braucht. Das ist die offizielle Version des FCB. Und irgendwo zwischen diesen Ereignissen hat sich Sportchef Streller spontan entschieden, den Rücktritt zu geben. Warum? Burgener schweigt und sagt: «Diese Vertraulichkeit haben Streller und der Verein verdient.»

Was der FCB wohl auchverdient hätte: Eine Führung, die nicht zaudert, wenn sie Entscheidungen treffen muss. Seit Koller gegen den Willen Strellers angestellt worden ist, war klar: Früher oder später würde es nur für einen der zwei im Club Platz haben. Anstatt aber zum sauberen Schnitt anzusetzen, scheute Burgener so lange eine Entscheidung, bis es zum grossen Knall kommen musste.

Vordergründig ist Koller der Sieger der Basler Chaos-Tage. Vor allem aber wurde die Stellung von CEO Heri gestärkt. Er ist seit dem Kauf des Clubs durch Burgener beständig die Karriereleiter hochgeklettert. Jetzt steht Strellers einstiger Assistent vorerst auch der Transferkommission vor. Zwar sagt Heri, er wolle nicht Sportchef sein. Aber er ist derzeit der starke Macher im FC Basel.

Florian Raz

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