Presseschau

NZZ vom 22.06.2019

Für Routinier Zbinden – gegen neue Impulse

FC Basel regelt Streller-Nachfolge

Benjamin Steffen

Eine Woche nach dem Rücktritt des Sportdirektors Marco Streller hat der FC Basel den Nachfolger präsentiert. Ruedi Zbinden übernimmt das Amt, ein FCB-Insider, seit Jahren dabei. Einen Namen machte er sich primär als Chef-Scout. Als legendäre Zbinden-Entdeckung gilt Matias Delgado vor mehr als anderthalb Jahrzehnten. Noch lange danach schwärmte der Scout, wie Delgado auf irgendeinem Platz in Buenos Aires einen Pass aus dem Nichts spielte – und Zbinden wusste: «Das ist ein Spezieller.»

Dem 60-Jährigen wird ein gutes Auge nachgesagt und ein grosses Netzwerk. All die internationalen Verbindungen lassen sich für den FCB aber immer schwieriger ausspielen. Gerade der südamerikanische Markt wird von Grossklubs noch gründlicher beobachtet als vor Jahren schon, «Spezielle» entgehen ihnen kaum mehr. Der FCB hat gemerkt, dass er vermehrt auf das Prinzip der zweiten Chance setzen muss, falls ein Südamerikaner in Spanien oder Italien gescheitert ist – «das wollen wir forcieren», sagte Zbinden gegenüber der NZZ 2018.

Künftig soll er für den FCB noch ganzheitlicher denken, offiziell in neuer Rolle. Doch eigentlich arbeitete er schon vor etlichen Jahren als Sportchef, in der Ära des Trainers Christian Gross (bis 2009), «einfach ohne diesen Titel», wie er heute sagt. Gross hatte aber klare Vorstellungen, wenn es um Transfers ging – und eine grössere Durchsetzungskraft, als es die spätere Führung um den Präsidenten Bernhard Heusler den Trainern zugestand. Der Coach solle Träger, nicht Präger der Klubphilosophie sein, so lautete die Losung der Titelserie 2010 bis 2017.

Eine so klare Haltung ist nicht mehr sichtbar, die letzten Wirren stehen dafür – das Lavieren, ob Marcel Koller Trainer bleibt; die Gespräche mit dem Aarau-Coach Patrick Rahmen; Strellers Abgang. Zbindens Beförderung ist ein Zeichen für Sachlichkeit, Stabilität. Zbinden gilt nicht als offensiver Kommunikator, aber er geniesst Glaubwürdigkeit, scheut sich nicht vor klaren Meinungen und braucht kaum Einarbeitungszeit.

Womöglich nähert sich Basel wieder dem Modell Gross, das dem Coach mehr Mitsprache gibt. Es wäre die nächste erstaunliche Entwicklung, nachdem Koller durch die Rahmen-Gespräche noch desavouiert worden war. Aber es ist nicht auszuschliessen, dass sich Führungsleute zuletzt untereinander solidarisiert haben; dass sich der CEO Roland Heri und Koller gegenseitig stärken.

Jedenfalls hat sich der FCB gegen neue Impulse entschieden. Ein Sportdirektor mit einer Aussensicht hätte dem FCB kaum geschadet. Handkehrum hätte es eine starke Persönlichkeit mit grosser Akzeptanz sein müssen, damit sich der Sportdirektor in diesem labilen Konstrukt zu behaupten gewusst hätte. Auch die Scouting-Abteilung wird weiterhin Zbinden führen, was dem FCB einen Spareffekt bringen dürfte.

Bei allem Abwägen des jüngsten Entscheids ist es vor allem so zu sehen: Der Präsident Bernhard Burgener und der CEO Heri haben den FCB in eine Vertrauenskrise schlittern lassen – wenn sie daraus keine Lehren ziehen, ist es einerlei, wie der Sportdirektor heisst.

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