Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 16.07.2019

«Dann gehe ich in Pension»

Drei Tage vor Saisonstart spricht Cheftrainer Marcel Koller über Ruhe, seinen SMS-Kontakt mit Marco Streller und wie gut der FC Basel ist.

Céline Feller

Es war die Geschichte des Schweizer Fussball-Sommers: Der FC Basel entscheidet sich für einen Trainerwechsel, ist sich mit Patrick Rahmen bereits einig, und am Ende räumt nicht der alte Trainer seinen Posten, sondern tritt Sportchef Marco Streller plötzlich zurück. Mittendrin: Marcel Koller. Der Zürcher war eigentlich schon weg, hatte seinen Spind bereits geleert – und ist trotzdem immer noch da. Die noch grössere Überraschung: Seit Trainingsstart herrscht rund um den Klub Ruhe.

Ist diese Ruhe trügerisch?

Marcel Koller: Zuerst einmal: Diese Ruhe ist wichtig. Sie ist folgerichtig, weil alle voll mit Einsatz dabei sind, die Stimmung gut ist und wir praktisch keine Verletzten haben. Ausserdem ist der Grossteil der Mannschaft zusammengeblieben, es ist kein ständiges Herumrennen, bei dem hier einer weggeht und da einer dazukommt. Das war das Ziel. Denn das Gegenteil bringt Unruhe, und das suchen wir nicht. Unruhe hindert einen daran, gut arbeiten zu können.

Ein möglicher Unruheherd war die Nomination Valentin Stockers zum Captain und damit die Degradierung Fabian Freis.

Bei Valentins Nomination zum Captain geht es vielmehr um übergeordnete Aufgaben in der Mannschaft und im Verein. Natürlich ist er aber auch der verlängerte Arm des Trainers, wir sprechen am meisten miteinander. Er hat sich dieses Amt durch seine grosse Erfahrung und seinen Einsatz verdient.

Die Nomination birgt Konfliktpotenzial, weil Stocker den Posten hat, den Frei wollte und sich die ehemaligen Freunde sowieso kaum mehr etwas zu sagen haben.

Für mich ist das nicht ersichtlich. Ich weiss aber auch nicht, wie gut die zwei befreundet waren. Fabian hat gut trainiert, war immer sehr fokussiert, hat, seit wir da sind, ja auch fast immer gespielt. Er ist nach wie vor ein wichtiger Spieler für mich.

Sie sagen, Unruhe verhindert gute Arbeit. Im Sommer gab es enorm viel davon. Wie gut kann man eine Saison vorbereiten, wenn man in Betracht nimmt, was alles passiert ist und geschrieben wurde?

Am besten, man liest es nicht! (lacht) Nein, natürlich habe ich gewisse Dinge mitbekommen, die geschrieben und spekuliert wurden. Aber ich liebe den Fussball. Ich bin schon so lange dabei und habe schon so viel erlebt, dass es für mich entscheidend ist, was am Ende Tatsache ist und wer mich anruft. Ich habe 14 Tage abschalten und geniessen können. Das war wichtig, das habe ich gebraucht, weil sonst praktisch rund um die Uhr Fussball im Zentrum ist.

Aber man bekommt es und es nimmt einen wohl trotzdem mit.

Natürlich bekommt man es mit. Ich sage dann einfach: Es interessiert mich nicht. Wenn man das Gefühl hat, man kommt an einen Punkt, an dem es wichtig wäre, mit gewissen Personen zu telefonieren und Dinge zu bereden, dann muss man das tun.

Sind Sie denn mal an diesem Punkt angekommen?

Nein, das bin ich nicht.

Für Sie war den ganzen Sommer klar, dass Sie beim FCB bleiben?

Ja. Natürlich war die letzte der drei Ferienwochen etwas speziell.

Also hatten Sie da doch das Gefühl, dass die FCB-Zeit endet?

Nein, weil ich von den Verantwortlichen nichts gehört habe in diese Richtung. Es war einfach eine intensive Zeit.

Es gab in der vergangenen Woche aber ein Gespräch mit Ihnen und den Verantwortlichen, Sie wurden freigestellt. Nicht mal da hatten Sie das Gefühl, die Zeit beim FCB ist vorbei?

Nein, das hatte ich nicht.

Mittlerweile ist Marco Streller zurückgetreten. Haben Sie sich mit ihm noch einmal unterhalten?

Wir hatten nach dem Gespräch in der letzten Ferienwoche noch SMS-Kontakt. Aber er ist dann weggefahren, da war keine Zeit mehr, um sich gross zu unterhalten. Ich möchte das jetzt auch nicht weiter vertiefen. Er ist nicht mehr hier, und wir hatten bisher nicht die Zeit, das Ganze aufzuarbeiten. Es wäre insofern nicht korrekt, wenn ich hier irgendetwas erzählen würde.

Ist es Ihnen ein Anliegen, sich noch mit ihm auszusprechen?

Ich denke schon, dass das gut wäre. Im Fussball sieht man sich immer wieder. Meine Erfahrung ist, dass man nicht im Streit auseinandergehen, sondern noch einmal versuchen sollte, miteinander zu sprechen, um einen normalen Umgang zu haben.

Die Mannschaft hat das Ganze auch mitbekommen. Hatten Sie Angst um Ihre Autorität?

Für mich war klar, dass ich auftreten muss wie immer. Ich bin ihr Trainer und wir wollen weiterführen, was wir begonnen haben. Es geht nicht um das, was hätte sein können. Entscheidend ist, was Tatsache ist und wer effektiv dasteht. Die Spieler sind wie auch ich Angestellte des Vereins und als solche können sie sich auch nicht immer alles aussuchen, wie sie es gerne hätten.

Wie ist Ihre Bindung zu den Spielern? Es ist bekannt, dass Sie nicht von allen gemocht werden.

Es sind jedenfalls nie Spieler zu mir gekommen und haben sich bei mir beschwert. Und wenn man von Mitte Dezember bis Ende Mai nur ein Spiel verliert, dann können wir dieses Thema jetzt beenden.

Gut, beenden wir das Thema. Wünschten Sie sich manchmal die Ruhe als Nati-Trainer zurück?

(lacht) Nein! Ich habe das sechs Jahre lang gemacht und das tägliche Dabeisein vermisst. Das sorgt auch für dieses gewisse Kribbeln. Ausserdem hast du die Möglichkeit, gleich am nächsten Tag wieder einzugreifen, wenn etwas nicht optimal gelaufen ist. Das ist beim Nationalteam schwierig, wenn alle in ihre Himmelsrichtungen verschwunden sind. Wenn du alle immer zusammen hast, kannst du mehr bewirken.

Wird es Ihnen irgendwann auch zu viel?

Wenn ich Ruhe brauche, gehe ich in Pension. Aber so weit bin ich noch nicht. Es reizt mich noch.

Sie sind seit einem Jahr im Amt. Es war ein turbulentes Jahr. Wie fassen Sie dieses zusammen?

Eine schwierige Frage. Es war sehr intensiv. Auch rund um den Klub war sehr viel Betrieb. Da hat mir sicher meine Erfahrung geholfen. Ich kann sagen, dass ich immer die Ruhe bewahrt habe. Es war nicht nur für uns als Mannschaft, sondern für den ganzen Verein schwierig.

Was meinen Sie mit Drumherum?

Diese spürbare Nervosität, die herrschte, aber auch die Berichterstattung der Medien, die öfters Mal nicht gut war.

Wäre Marcel Koller vor 15 Jahren, ohne Erfahrung, klargekommen?

Dass ich ein paar Dinge schon gesehen habe, hat mir sicher geholfen. Wenn du in Deutschland im Abstiegskampf warst, gesehen hast, wie Mitarbeiter Druck auf Spieler ausüben, weil ihre Jobs an deren Leistungen gekoppelt sind, und du merkst, dass Millionen vom Ligaerhalt abhängen, dann weisst du, was es heisst, unter enormen Druck zu stehen. Ohne diese Erfahrungen wäre es viel schwieriger heute.

Hatten Sie schlaflose Nächte?

Nein, nicht zu schlafen nützt nichts. Ich weiss, das klingt einfacher, als es ist, und in Köln hatte ich auch mal drei Nächte, in denen ich nicht schlafen konnte. Aber ohne Schlaf bist du nicht überzeugend vor der Mannschaft, das musste ich lernen. Ich habe mir beigebracht, schlafen zu können und schlafe grundsätzlich gut.

Der FCB hat Ihnen also noch keine schlaflosen Nächte bereitet?

Doch, schon. Aber ich kann Ihnen keine spezifische Situation nennen.

Wo ist der Druck beim FCB am grössten? Meister zu werden, europäisch dabei zu sein oder Spieler zu entwickeln, um diese für Millionen verkaufen zu können?

Das müssen Sie den Präsidenten fragen, was aus Vereinssicht das Wichtigste ist. Ich will alle Ziele erreichen. Aber auch alle anderen Teams wollen das.

Der FCB ist aber nicht wie alle anderen, die Ansprüche sind andere.

Klar, aber damit muss ich umgehen können. International kommt es auf das Losglück an. Mit Eindhoven haben wir ein Schwergewicht bekommen, das wird extrem schwierig. Ich sage aber nicht, dass wir chancenlos sind. Wenn wir zwei, drei Torchancen haben, müssen wir zwei nutzen. Die Konzentration zu haben, um im richtigen Moment zuzuschlagen, macht Topteams aus. Die spielen nicht immer gut, aber bei einer Chance – bumm! – ist der Ball drin.

Wie YB vergangene Saison.

Genau.

Ist der FCB genug stark, um YB in dieser Saison zu fordern?

YB hat zweimal hintereinander den Meistertitel geholt und ist somit der absolute Favorit. Wir alle anderen müssen versuchen, ihm ein Bein zu stellen.

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