Presseschau

Tages-Anzeiger vom 16.07.2019

YB ist das neue Basel – und umgekehrt

Wenn einer in der neuen Saison der Super League den Titelverteidiger aus Bern herausfordern kann, dann der FC Basel. Aber die Vorzeichen stehen nicht gut. Ein Vergleich in fünf Punkten.

Trainer

YB: 18 Monate erst trainiert Gerardo Seoane im Männerbereich – und schon gilt er als jener junge Schweizer Coach mit den besten Aussichten. Auf Avancen von Gladbach, Schalke, Wolfsburg und vor allem Hertha Berlin ging er im Frühling nicht ein, seine Arbeit bei YB sieht er nicht als beendet an. Der 40-Jährige ist ehrgeizig, zielstrebig, fleissig, er spricht sechs Sprachen und betrachtet Bern in seiner Karriereplanung nicht als Höhepunkt – sondern als Sprungbrett. Irgendwann. Oder besser: bald. Nun muss er bei YB einen heftigen Kaderumbau moderieren, und er scheint sich sehr auf diese Herausforderung zu freuen. Seoane hat die schwierige Nachfolge von Meistertrainer Adi Hütter gemeistert – nicht erst seit dem 5:1 letzte Woche am Uhrencup gegen Hütters Frankfurt.

Basel: Im Juni ist Marcel Koller mitten in den Ferien in sein Büro gefahren und hat mithilfe seines Beraters private Dinge gepackt und aus dem St.-Jakob-Park getragen. Das tun üblicherweise nur freigestellte oder entlassene Trainer. Aber Koller trainiert – auch zur Überraschung von Ex-Sportchef Marco Streller – noch immer den FCB. Und so stellt sich die Frage, wie sehr seine Autorität im Team unter dem Basler Sommertheater leidet. Koller hat versucht, seine Stellung zu stärken, indem er Fabian Frei nicht zum Captain ernannte. Das kommt einer Degradierung seines härtesten internen Kritikers gleich. Trotzdem könnte ein frühes Aus im Europacup Kollers Position ganz schnell erodieren lassen.

YB geht locker 1:0 in Führung.

Mannschaft

YB: Die halbe Stammelf ist weg. Von Bergen, Mbabu, Benito, Sow, Sanogo waren die Besten der Liga auf ihren Positionen. Zudem fehlt Lauper vorerst mit einem Kreuzbandriss. Und dennoch: YB ist kaum schwächer geworden. Einerseits wegen Zuzügen wie Fabian Lustenberger, Vincent Sierro, Christopher Martins oder Marvin Spielmann. Anderseits wegen der genesenen Rückkehrer Sulejmani und Lotomba. Und vor allem wegen der Vielfalt an personellen und taktischen Möglichkeiten. Weil die meisten Spieler vielseitig einsetzbar sind, ist jede Position für Schweizer Verhältnisse fast schon dreifach erstklassig besetzt. Das erlaubt Trainer Seoane, noch flexibler zu werden und je nach Gegner im 4-4-2 oder im 3-4-3 mit all ihren Abwandlungen zu agieren. Talente wie Lotomba, Camara oder Mambimbi werden vorzüglich von erfahrenen Kräften wie Lustenberger, Sulejmani und Goalgetter Hoarau angeleitet.

Basel: Es hat sich wenig verändert. Das kann positiv sein für ein Team, das in den letzten eineinhalb Jahren dreimal grosse Mühe damit hatte, einen Umbruch zu verkraften. Andererseits steigt der FCB praktisch mit der Mannschaft in die neue Saison, die die letzte Spielzeit 20 Punkte hinter YB beendet hat. Aus Spargründen erhielt mit Suchy ausgerechnet jener Innenverteidiger keinen neuen Vertrag, mit dessen Rückkehr das Team im Winter defensive Stabilität zurückgewann. Ihn ersetzt der Paraguayer Alderete, der mit 1,88 Metern ebenso Kollers Forderung nach mehr Körpermasse entspricht wie Stürmer Ademi (1,90 m), der von Xamax gekommen ist. Gemäss der Vorbereitung hält Koller nicht mehr strikt am 4-2-3-1 fest, sondern lässt auch mal ein 4-1-4-1 oder ein 4-4-2 spielen.

YB baut trotz Umbruch auf 2:0 aus.

Clubführung

YB: Die Strukturen bei YB sind so klar, wie sie einst beim damaligen Serienmeister Basel unter Präsident Heusler und Sportdirektor Heitz waren. Es ist Sportchef Spycher, der die Richtung bestimmt, zusammen mit seiner eingespielten Crew um Chefscout Chapuisat. So gelingen auch schwierige Umbrüche. Der Verwaltungsrat mischt sich nicht ein, es herrschen Ruhe und Teamgedanken, die Stimmung ist gut. Wer sich an all die sportlichen und wirtschaftlichen Turbulenzen bei den Young Boys bis Herbst 2016 erinnert, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Seit Spycher vor bald drei Jahren sein Amt angetreten hat, ist YB ein anderer, besserer Club. Der neue FCB.

Basel: Eines muss man der gar nicht mehr so neuen FCB-Führung lassen: Sie liefert Gesprächsstoff. Die praktisch öffentlich geführten Verhandlungen mit Aaraus Trainer Rahmen, die irrwitzige Volte mit Kollers Nicht-Entlassung, der Abgang im Zorn von Sportdirektor Streller, der trotzdem Verwaltungsrat bleibt: All das erinnert an jene Art von Unterhaltung, für die bis vor ein paar Jahren noch YB zuständig war. Seit Präsident Burgener den Club gekauft hat, fehlen dem FCB eine klare Strategie und vor allem eine starke Persönlichkeit, die den Laden gegen innen zusammenhält und den Verein nach aussen repräsentiert. Kann jetzt CEO Heri als Aufsteiger nach dem Streller-Abgang diese Rolle ausfüllen?

Komfortabler Punkt und das 3:0 für YB.

Finanzen

YB: Rund 80 Millionen Franken haben die Besitzer Andy Rihs, im Frühling 2018 verstorben, und Hansueli Rihs zwischen 2010 und 2016 eingeschossen, um Verluste zu decken. Aber jetzt ist alles anders. 2018 mussten die Berner erstmals ihre Kennziffern veröffentlichen, weil es die Uefa so will. YB präsentierte Zahlen, die Clubrekord bedeuteten: 80 Millionen Franken Umsatz, 17,4 Millionen Gewinn. 2019 locken dank Verkäufen wie Mbabu (rund 10 Millionen, Wolfsburg), Sow (rund 12 Millionen, Frankfurt) und Sanogo (rund 8 Millionen, Saudiarabien) erneut Bestwerte, falls die Champions League erreicht wird.

Basel: Unter Burgener gab der FCB 2018 erstmals nur noch die von der Uefa vorgeschriebenen Zahlen bekannt. 99 Millionen Franken Umsatz klingen gut, sind aber ein Problem, weil die Lohnsumme (samt Clubmitarbeitern) 52,3 Millionen Franken betrug. So reichten nicht einmal Transfereinnahmen von 52 Millionen, um die Löcher zu stopfen. Der FCB löste 22 Millionen an Rückstellungen auf, um keinen Verlust auszuweisen. Verpasst Basel den Europacup, drohen rote Zahlen. Und Burgener sieht sich nicht als Mäzen, sondern als Investor, der gerne Dividenden hätte.

Noch ein (unerwarteter) YB-Sieg – 4:0.

Fans

YB: YB macht Bern glücklich. Letzte Saison war der Rekord-Zuschauerschnitt erstmals seit 18 Jahren höher als jener des FCB (25 751 zu 24 259). Der eben aufgestellte Bestwert von 18 800 Dauerkarten wird fallen, derzeit sind 18 600 abgesetzt. Erreicht YB die Königsklasse, dürften es gar über 20 000 sein. Der Höhenflug hat jedoch ein paar nicht unproblematische Elemente in die eigentlich friedliche Fankurve geschwemmt. Die ausufernde Pyro-Show im Letzigrund im Mai weist auf eine gestiegene Lust an Machtdemonstrationen hin. Das kann zu Spannungen führen – auch kurvenintern.

Basel: Die Zahl der Jahreskarten ging Anfang 2019 um neun Prozent zurück, lag aber immer noch bei 19500. Dank sieben Teilnahmen an der Champions League hat der FCB nicht nur in seiner Region Anhänger, sondern schweizweit und über die Grenzen hinaus. Die Basler Ultras sorgten zwar mit ihrem Protest vor dem Cupfinal für Aufregung, als sie eigene Tickets druckten, durchleben aber insgesamt eine der friedlicheren Phasen in der Geschichte der Muttenzerkurve.

Der Ehrentreffer für Basel – 4:1.

Florian Raz, Fabian Ruch

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