Presseschau

Basler Zeitung vom 19.07.2019

Sturm und Gedränge

Trainer Marcel Koller hat sechs Stürmer in seinem Kader, auf dem Rasen aber meist nur Platz für einen. Wie stehen die Chancen für Van Wolfswinkel, Ajeti, Pululu, Ademi, Vonmoos und Tushi?

Ricky van Wolfswinkel: Der falsche Flügel

Wenn man das alles noch richtig in Erinnerung hat, dann ist Ricky van Wolfswinkel damals vom FC Basel als Stürmer verpflichtet worden. Der Holländer war im legendären Konzept-Sommer 2017 ja sogar als Königstransfer angekündigt worden, was rückblickend vielleicht die Messlatte etwas zu hoch gelegt hat. Zwar hat Van Wolfswinkel seinen Wert in den letzten beiden Jahren immer wieder bewiesen und sich auch in der Kabine als meinungsstarkes Element etabliert. Aber die Sehnsucht nach vielen, vielen Toren hat er nicht stillen können. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass das nicht alleine Van Wolfswinkels Schuld ist. Die, die ihn damals als Stürmer verpflichtet haben, sind inzwischen nicht mehr beim FC Basel. Und Marcel Koller, der jetzt für die Aufstellung der Basler verantwortlich ist, sieht die Qualitäten des 30-Jährigen eher auf dem Flügel oder im Zentrum hinter der Spitze. Van Wolfswinkel hat seine Rolle unter Koller akzeptiert, auch wenn es ihm nicht immer leicht gefallen sein dürfte. Er ist gelaufen und hat gekämpft. Aber die Frage, die sich jetzt stellt, ist: Kann er sich auch in der neuen Saison wieder damit arrangieren? Im Sturm scheint Albian Ajeti, der beste Basler Torschütze, aktuell die besten Aussichten auf einen Platz in der Startformation zu haben. Und auf dem Flügel setzte Koller in der Vorbereitung meist auf Spieler, die sich auch tatsächlich als Flügelspieler bezeichnen lassen. Es wird sich zeigen, wie viele Minuten in dieser Konstellation noch für Van Wolfswinkel abfallen – und auf welcher Position. Und ob es nicht vielleicht denkbar wäre, dass der Holländer den Club noch verlässt. (tip)

Albian Ajeti: Irgendwo zwischen Nummer 1 und Abschied

Es gibt ganz viele Gründe, um zu erwarten, dass Albian Ajeti in der kommenden Saison die klare Nummer 1 auf der Mittelstürmer-Position ist. In der vergangenen Spielzeit hat er in den Pflichtspielen 21 Tore erzielt und elf Assists verbucht, was mehr Tore und Skorerpunkte sind als jeder andere FCB-Spieler totalisierte. Er traf zudem in den wichtigen Cup-Spielen. Und er ist nicht nur Liga-Torschützenkönig der Saison 2017/18, ein Mann aus Basel und physisch robuster als Van Wolfswinkel, sondern immer noch erst 22 Jahre jung, womit er im Gegensatz zum Holländer Entwicklungs- und Transferpotenzial besitzt. Allerdings ist er auch dies: in der Effizienz verbesserungsfähig und im Charakter ungeduldig. Als er in der Rückrunde leicht hinter Van Wolfswinkel anstehen musste, reichte dies, damit sein Agent durchsickern liess, man werde einen Transfer anstreben, sollte Marcel Koller Trainer bleiben. Auch wenn dies womöglich mehr Drohgebärde denn unverhandelbare Ultima Ratio war, so zeigt dies doch, dass der Stürmer weiter reifen muss. Erst recht, da Koller weiter Trainer ist und im Ruf steht, derartige Dinge gelegentlich zu bestrafen. Auch wenn Ajeti unter Einbezug all der erwähnten Parameter wohl die beste Lösung als zentraler Angreifer wäre, muss man wohl damit rechnen, dass er sich ab und an auf der Ersatzbank wiederfindet. Und eben auch, dass er – je öfter dies der Fall sein wird – tatsächlich ernsthaft nach Alternativen suchen lässt. Eher jedenfalls, als zu erwarten ist, dass beim Spieler Läuterung einsetzt. Doch wer weiss? Vielleicht steht ja auch Koller inzwischen unter dem Eindruck, dass es nur einen Mittelstürmer Nummer 1 geben kann – und dieser Albian Ajeti heissen muss. In der Vorbereitung jedenfalls konnte man diesen Eindruck durchaus gewinnen. (olg)

Afimico Pululu: Irgendwo zwischen Sturm und Mittelfeld

Seit Donnerstagnachmittag ist klarer denn je, dass der FC Basel langfristig mit Afimico Pululu plant. Der französisch-angolanische Angreifer verlängerte nämlich seinen Vertrag mit Rotblau um zwei Jahre bis Sommer 2022. Gemessen an dem, was man 2019 bisher von ihm sah, ist das nur logisch: Im Frühjahr kam er als Leihspieler bei Neuchâtel Xamax regelmässig im Sturm zum Einsatz und erzielte auch zwei Ligatore. In der Vorbereitung mit dem FCB vermochte er diese Werte dann so eindrücklich zu bestätigen, wie das in Tests eben möglich ist: Mit fünf Treffern war der 20-Jährige in den Freundschaftsspielen der erfolgreichste Torschütze. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass er bei Marcel Koller mit Einsätzen als Mittelstürmer rechnen sollte. Vielmehr scheint der Trainer ihn als zweite Spitze in einem Zweimann-Sturm zu sehen, den es so wohl nur bei Rückständen geben wird. Oder aber als hängender Angreifer, der aus dem offensiven Mittelfeld-Zentrum nach vorne prescht. Es ist dies eine Rolle, in der er wahrscheinlich mehr Spielpraxis sammeln wird, zumal er darin in der Vorbereitung auch durchaus zu gefallen wusste. Und doch fragt man sich, ob das wirklich seine Zukunft sein kann. Schon im Nachwuchs wurde er als Stürmertalent gelobt. Und aus der Physio-Abteilung der Profis hiess es nach seinem Wechsel zu den Erwachsenen stets, er liefere physische Werte, die derart überragen, dass sich darauf eine aufregende Karriere als mittlerer Angreifer aufbauen liesse. Nun: Ob ganz vorne oder ein bisschen weiter hinten – Marcel Koller scheint inzwischen Verwendung für ihn zu haben. (olg)

Kemal Ademi: Nicht zu übersehen

Kemal Ademi ist nicht der Typ, den man einfach so übersehen könnte. Das hat natürlich mit seiner Körpergrösse zu tun, 196 Zentimeter fallen nicht nur auf dem Rasen auf. Aber Ademi ist auch sonst keiner, der sich in der hintersten Ecke des Stadions verstecken würde, nur weil er jetzt das Trikot des FC Basel trägt. Nach der besten Saison seiner Karriere, nach 10 Toren in 31 Spielen für Xamax und seinem Fabelauftritt im Barrage-Rückspiel gegen den FC Aarau, sieht Ademi jedenfalls nicht viele Gründe, warum er sich nicht auch in Basel durchsetzen könnte. Immerhin hat er allein aufgrund seiner Masse ein Alleinstellungsmerkmal und bringt den Baslern etwas, das sie in der Vorsaison häufiger mal vermisst haben: Wucht. Ademi ist einer, der wehtut. Im Spiel und im Training. Einer, der arbeitet, mit dem ganzen Körper. Der den Ball abschirmt und sich auch mal fallen lässt. «Kemal ist ein Typ, der viel Mentalität hat», sagt Marcel Koller. Und wer den 23-Jährigen erlebt, der weiss, was sein Trainer meint. Ademi sagt, was er denkt. Er ist direkt, auch wenn das manchmal nicht allen passt. Er will sich beweisen. Die Erwartungen in den Stürmer sind nicht allzu gross. Aber Ademi, der letzte Transfer des ehemaligen Sportchefs Marco Streller, könnte in dieser Saison noch wichtig werden für den FCB. (tip)

Julian Vonmoos: Das Müsterchen ist geliefert

Für den FC Basel war es kein Spiel wie jedes andere. Sondern es war vielmehr ein Spiel, das um einiges weniger wichtig war als die meisten anderen. Zum Abschluss der Saison, gegen Neuchâtel Xamax, als für beide Equipen schon klar war, auf welchem Tabellenplatz sie stehen bleiben. Für Sturmtalent Julian Vonmoos hingegen war es so etwas wie die erste persönliche Mondlandung – womit auch gesagt ist, welches Ereignis aus dieser Partie allenfalls in der öffentlichen Erinnerung haften bleibt: Erst zum zweiten Mal überhaupt hatte er es aufs Matchblatt bei den Profis geschafft. In der 74. Minute wurde er für Noah Okafor eingewechselt und kam zu seinem Debüt. Und in der Nachspielzeit schickte ihn Van Wolfswinkel steil, entwischte er der gegnerischen Abwehr und spedierte den Ball gegen den herauseilenden Goalie im Stile eines abgezockten, routinierten Stürmers zum 4:1-Endstand in die Maschen. Ja, es war das Highlight des Abends – und es war ein erstes Müsterchen dessen, was man sich vom inzwischen 18-Jährigen versprach, als man ihn vor einem Jahr für viel Geld (die Rede ist von einer Ablöse von rund 1,5 Millionen Franken) aus dem Nachwuchs des Grasshopper Clubs loseiste. So gut man die langfristigen Perspektiven auch einschätzt – kurzfristig dürfte das Signal, das Vonmoos gegen Xamax aussendete, kaum Wirkung zeigen: Die Konkurrenz im Sturm ist zu gross, als dass er auf jenes Mass an Spielpraxis hoffen sollte, die er für seine Entwicklung braucht, weswegen sich ein Leihgeschäft anbietet. Dazu passt auch gleich, wie die Saison für ihn beginnt: als Zuschauer nämlich, aufgrund einer Mandelentzündung. (olg)

Tician Tushi: Von den Grossen lernen

Tician Tushi ist 18 Jahre jung, Mittelstürmer, hat in der letzten Saison zehn Tore in der Promotion League erzielt und sogar sechs Minuten in der Super League gegen den FC Thun gespielt. Geboren ist der junge Mann in Bern, was nicht unbedingt dem rotblauen Konzept entspricht, aber darüber lässt sich ja hinwegsehen, wenn mal wieder ein Stürmer den Weg nach oben in die 1. Mannschaft gefunden hat. Dies sind die Eckdaten, die man relativ schnell über den sechsten Stürmer in der Hackordnung der Basler Stürmer herausfinden kann – und mit denen man vermutlich auch relativ gefahrlos durch die ganze Saison kommen wird. Der Name Tushi wird nämlich – wenn alles normal läuft – meistens dort auftauchen, wo der Club diejenigen Spieler vermerkt, die am Wochenende nicht zum Einsatz kommen. Die Konkurrenz im Sturm ist gross und Tushis Aussichten auf Einsätze ausserhalb der ersten Runden im Schweizer Cup klein. Aber Tician Tushi wird das völlig egal sein. Er hat den Sprung geschafft und trägt immerhin das Versprechen vor sich her, dass da mal wieder einer ist, der sich durchsetzen könnte. Nun darf er in den kommenden Monaten tagtäglich im Training zuschauen, lernen und erleben, wie das ist, für den grossen FC Basel zu spielen. Und einen passenden Einstand in das Leben eines FCB-Profis hat Tushi schon vor dem ersten Spiel der neuen Saison geschafft: Er wird in Sion schon allein deshalb nicht spielen, weil er sich an der Wade verletzt hat. Wie ein ganz Grosser halt. (tip)

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