Presseschau

Tages-Anzeiger vom 19.07.2019

Weniger Klamauk, bitte!

Die Young Boys sind als Meister auch vor der neuen Saison das Vorbild dafür, was mit seriöser Arbeit zu erreichen ist – in ihrem Rücken kündet sich erneut ein Jekami an.

Thomas Schifferle

Als das Magazin «Zwölf» im Frühsommer ein Interview mit Valentin Stocker führte, ging es auch um die grossen Fragen im Fussball. «Wird beim FC Basel überhaupt noch gejasst?», wollte es wissen. «Nein», sagte Stocker, «gespielt wird vor allem Eile mit Weile.»

Dieses Spiel hat einen Vorteil: Auch Kinder können mitmachen. Das ist deshalb von Bedeutung, weil sich der FCB in diesem Sommer aufführte, als wäre er ein Club in Kinderschuhen und kein Unternehmen, das seinem Personal 52 Millionen Franken an Löhnen zahlt.

Mitte Juni versuchte Bernhard Burgener öffentlich viel zu erklären. Wieso zum Beispiel Marco Streller mit Aaraus Coach Patrick Rahmen redete, obschon Marcel Koller noch Trainer gewesen ist. Ach, sagte Burgener sinngemäss, man müsse ja vorbereitet sein, falls ein Club wie Juventus Koller wolle. Juventus und Koller? Wahrscheinlich fehlt einem Journalisten die Fantasie, um sich diese Kombination vorzustellen. Burgener dagegen ist auch im Filmgeschäft daheim, als Chef der Constantin Film. Von daher ist er offenbar Klamauk gewohnt.

Koller ist noch immer da, wenn heute Abend der FCB in Sitten die neue Saison der Super League eröffnet. Er ist nicht davongelaufen, nur weil im Club ein Theater stattfand und der alte Sportchef Streller ihn absetzen wollte. «Ich lasse nicht zu, dass mich solche Geschichten kaputtmachen», sagt er in der NZZ. Er kämpft weiter für einen Verein, bei dem Streller trotz seines Rücktritts als Sportchef weiterhin im Verwaltungsrat sitzt. Diese Konstellation ist absurd. Wenigstens hat Koller mit dem altgedienten Ruedi Zbinden nun einen Sportchef, der sein Handwerk versteht. Für Kollers Ansehen wird allerdings wichtig sein, wie seine Mannschaft künftig auftritt. Hypnotisch langweilig, wie ihm im Frühjahr vorgeworfen wurde? Oder doch etwas unterhaltsamer?

So ist das also bei einem Club, der einmal gut geführt und erfolgreich war, der nun nicht mehr gut geführt und mässig erfolgreich und trotzdem der grosse Herausforderer der Young Boys ist. Er ist nicht nur der grosse, sondern wohl auch der einzige Herausforderer. Das sagt viel über die Liga aus. Unter normalen Umständen hätte auch der FC Sion die Möglichkeit, ganz vorn mitzuhalten. Aber was ist schon normal im Sonnenkönigreich Wallis! Hätte Christian Constantin so viel Geduld wie Geld, so viel Vertrauen in sein Personal wie Misstrauen, so viel Empathie wie Energie, dann könnte Sion eine Grösse im Schweizer Fussball sein.

Stéphane Henchoz tritt nun an, sich unter Constantin zu behaupten. Selten hat das jemand mit ausgeprägterem Realitätssinn getan als der knorrigpointierte Freiburger. «Ein Jahr bei Sion wäre ein Exploit», sagt er. Henchoz ist in einem Berufszweig tätig, der landesweit vom Constantinismus erfasst worden ist. Er und seine neun Kollegen in der Super League sind durchschnittlich seit zehn Monaten im Amt.

Es ist ein bedenklicher Wert, und er zeigt, wie schnell die Verantwortlichen von Panik erfasst werden. In einer Zehnerliga mit Barrage und einem zweiten möglichen Absteiger gibt es halt kein Mittelfeld, in dem man sich verstecken kann, kein Ausruhen. Umso wichtiger wären eine ruhige Hand und ein gutes Auge der Verantwortlichen. Im Moment gibt es kaum einen wie Christoph Spycher in Bern. Spycher ist als Sportchef zum Gesicht des Unternehmens geworden. Seinen Präsidenten kennt ausserhalb von Bundesbern keiner. Der Erfolg der letzten beiden Saisons zeigt, dass das kein schlechtes Zeichen zu sein braucht. Dass die Berner für ihre Arbeit gelobt werden, manchmal auch mit dem einen oder anderen Superlativ zu viel, ist angemessen.

Es spricht für sie, dass sie sich davon nicht ablenken lassen. Der Präsident heisst übrigens Hanspeter Kienberger.

Da sind also YB und Basel, unterwegs in finanziell eigenen Sphären. Von ihnen ist der Schweizer Fussball auch international abhängig. Da gibt er ein mehrheitlich trostloses Bild ab. YB könnte bereits ein Ausrufezeichen setzen, wenn es sich wieder für die Champions League qualifizieren würde. Und Basel auch. Dumm nur, dass ihm gegen den PSV Eindhoven der Exploit nur schwer zuzutrauen ist.

Hinter den beiden ist das Feld zum Würfeln weit offen. In der vergangenen Saison trennten den Dritten Lugano und den Achten Sion 3 Punkte, während YB 20 Punkte vor Basel lag und Basel wiederum 25 vor Lugano. Abgesehen vom Vorsprung von YB auf Basel kann es auch diesmal wieder so sein, dass die Liga ein Bild von Jekami abgibt.

Immerhin sind die Grasshoppers verschwunden, die Klamauk ohne Ende veranstalteten. Das war ein Stück weit unterhaltsam, vor allem war es gnadenlos erfolglos. Aufsteiger Servette dagegen verspricht unter Didier Fischer weit mehr Seriosität. Was deshalb schon bemerkenswert ist, weil Servette vor Fischers Einstieg selbst während vieler Jahre für scheinbar endlose Tumulte stand. In Luzern sind die Launen von Grossaktionär Bernhard Alpstaeg gefährlich. In St. Gallen lebt der Fussball wunderbar, aber hat Peter Zeidler wirklich die Spieler, um den wilden Fussball zu spielen, den er sehen möchte? In Zürich gibt es den FCZ, der sich als Grossclub versteht und trotzdem einen Trainer hat, der weiter in der Lehre steckt. In Lugano und Neuenburg sind zwei unberechenbare Präsidenten am Werk. In Thun gibt es immerhin einen Verein, der die Ruhe nutzt, um das Beste aus seinen Mitteln zu machen.

Und was lernen wir aus alldem? Dass in der Super League der nächste Meister leichter vorauszusagen ist als der Sieger beim Eile mit Weile.

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