Schweiz am Wochenende vom 27.07.2019
Nicht der Meistertitel, sondern Entwicklung ist das Saisonziel von Marcel Kollers FCB – die Ausgangslage ist bekannt, die Perspektiven sind besser.
Jakob Weber
Nein, Marcel Koller wollte einfach nicht. Auch nach mehrmaligem Nachhaken liess er sich am Saisonvorschaugespräch kein Rangierungsziel entlocken. Die Meisterschaft als offizielles Ziel auszurufen, mag bei der YB-Dominanz auch vermessen sein. Trotzdem kennt man diese Zurückhaltung beim FC Basel eigentlich nicht. «Das Saisonziel ist es, unsere Spieler zu entwickeln», sagt Koller nur. Und natürlich will er «den Abstand auf YB verringern».
Durch die Sommerpause und den Patzer des Meisters beim 1:1 zum Auftakt gegen Aufsteiger Servette hat der FCB den 20-Punkte-Rückstand auf Bern innert kürzester Zeit in einen 2-Punkte-Vorsprung verwandelt. Vorsprung auf YB gab es in der Ära Burgener seit Sommer 2017 überhaupt noch nie. Natürlich ist das nur eine Momentaufnahme. Doch die Spannung ist zu Beginn der neuen Super-League-Saison wieder zurück. Und es bleibt zumindest die Hoffnung, dass sie auch im weiteren Verlauf der Saison erhalten bleibt.
Ähnlichkeiten zur Situation von vor zwei Jahren
Der Blick auf die Zahlen (siehe Tabelle) zeigt: Der FCB war in der Rückrunde der letzten Saison in etwa auf dem spielerischen Niveau unterwegs wie im ersten halben Jahr unter Raphael Wicky. Rund 54 Prozent Ballbesitz, eine stabile Defensive und etwas mehr als zwei Treffer pro Spiel. Würde in der Super League Monopoly gespielt, stünde der FCB jetzt also wieder auf «Los». Ob die Reise aber mit dem nächsten Würfelwurf ins Gefängnis oder doch auf den Zürcher Paradeplatz führt, ist ungewiss.
Die nächsten Wochen werden zeigen, in welche Richtung die Entwicklung beim FCB geht. Marcel Koller hat bereits angekündigt, dass er aufgrund der vielen englischen Wochen zum Saisonstart rotieren will. Am Dienstag findet bereits das wichtige Rückspiel gegen Eindhoven statt. Gut möglich, dass deshalb am Samstagabend beim ersten Heimspiel der neuen Saison gegen St.Gallen einige Stammkräfte geschont werden. Geht der Plan auf, steht der FCB im September in einer europäischen Gruppenphase und auch in der Liga gut da. Doch es droht auch wieder dasselbe Horrorszenario wie vor einem Jahr. Damals vergeigte der FCB den Start, flog sowohl aus der Champions-League- als auch aus der Europa-League-Qualifikation und hatte schon im September sechs Punkte Rückstand auf YB.
Darum erlebt der FCB kein zweites Horrorszenario
Vor einem Jahr machte Marcel Koller die fehlende Vorbereitung und den Mangel an Zeit für die schlechten Resultate verantwortlich. Jetzt hat er bereits die zweite Halbserie komplett vorbereiten können. Auch die Turbulenzen um seine Position hat der Trainer gut weggesteckt. Die so oft betonte «Entwicklung» scheint in vollem Gange. In der vergangenen Rückrunde stabilisierte Koller vor allem die Defensive. Sein FCB liess weniger Schüsse und Chancen zu und kassierte dementsprechend auch weniger Gegentore. Auch agierten seine Spieler cleverer als noch im Seuchenjahr 2018. Die Folge sind weniger Fouls, weniger Undiszipliniertheiten und weniger Offside-Stellungen. Dazu hat Koller dem FCB offensiv wie defensiv auch die Standardstärke zurückgebracht. Im ersten halben Jahr unter Koller kassierte der FCB noch zwölf Gegentore nach ruhenden Bällen und schoss selber nur sechs. In der Rückrunde waren es nur noch drei Gegentore und zwölf eigene Standardtore.
In den ersten beiden Spielen der laufenden Saison besticht Basel zudem mit einer verbesserten Chancenverwertung (fünf Tore aus acht Grosschancen). Kann der FCB diese Entwicklung langfristig bestätigen, darf er auch bald wieder konkretere Ziele ausrufen. Aber Achtung. Nicht dass es in ein paar Wochen erneut heisst: FCB zurück auf «Los»!