Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 07.08.2019

«Dachte, ich bekomme einen Herzinfarkt»

Taulant Xhaka erlebte seit 2011 alle magischen Champions-League-Nächte des FC Basel mit – und erklärt, wie der FCB das immer wieder schafft.

Céline Feller

Kevin Bua kann den Pass von Taulant Xhaka nicht richtig stoppen, er verspringt ihm. «Bist du da? Bist du wach?», schreit Xhaka seinen Mitspieler lautstark an. Bei der nächsten Aktion klappt es besser. Der 28-jährige Mittelfeldspieler des FC Basel schreit erneut in Richtung Buas. «Ah, du bist da!» Immer wieder wird der FCB-Vizecaptain im Abschlusstraining vor dem Hinspiel gegen Linz laut. Er heizt seinen Kollegen ein. Weil er selber richtig heiss ist. Heiss darauf, was der dienstälteste FCB-Spieler schon so oft erlebt hat: magische Nächte auf europäischer Bühne. Seit 2011 hat er alle Glanzstunden in der Königsklasse als Kaderspieler erlebt. Auch zuletzt gegen PSV Eindhoven.

War das Rückspiel gegen PSV eine dieser magischen Nächte?

Taulant Xhaka: Natürlich. Vor dem Spiel hätten sicher 70 Prozent der Leute gesagt, dass PSV weiterkommt – aufgrund ihres wirklich guten Kaders. Wir als FCB haben gezeigt, dass wir sie schlagen können. Das hier in Basel, dieses Rückspiel, das ist sicher eine magische Nacht gewesen, ja.

Was ist entscheidend, damit es solche Nächte gibt?

Es geht darum, dass man sich gegenseitig aufputscht. Dass jeder, der den Ball hat, gleich offensiv spielt, den Gegner gleich unter Druck setzt. Wenn da alle mitziehen, merkst du, was drinliegt. Das spürt dann auch jeder Spieler auf dem Rasen. Dazu muss man aber auch mit diesem Selbstvertrauen auf den Platz gehen, dass man genau das an diesem Abend umsetzen kann. Das ist das Wichtigste.

Wie kann jeder auf die Minute genau das abrufen, was er soll?

Das kann man schwer beschreiben. Beim PSV-Rückspiel war es einfach der Tag von jedem. Es hat bei allen alles geklappt. Wir haben einen super Fussball gespielt. Wir wurden vom Trainer gut eingestellt. Wir haben Leidenschaft gezeigt. Und auch wenn einer einen Fehler gemacht hat, ist jeder gleich für ihn eingesprungen. Für einen solchen Abend muss jeder einzelne einen solchen Tag einziehen.

Gibt es auch Kniffe, wie man sich auf solche Spiel anders einstellt?

Ich persönlich mache nichts Spezielles. Auf dem Weg ins Stadion telefoniere ich dann mit meinem Bruder. Er kennt die grossen Vereine, hat gegen fast jeden schon gespielt. Er sagt mir, auf welchen Spieler ich schauen soll, wer besonders schnell oder technisch stark ist oder wer immer nach innen zieht. Natürlich bereite ich das auch mit der Mannschaft vor. Aber mich mit ihm auszutauschen hilft mir einfach. Aber auch so kommt eine gewisse Nervosität jeweils noch auf.

Wann sind Sie nervös?

Bevor wir uns warm machen. Nachher aber nicht mehr.

War das schon immer so?

Nein, ich kann mich noch an mein erstes europäisches Spiel erinnern, das 3:3 gegen Manchester United im Old Trafford. Damals wechselte mich Thorsten Fink ein und ich dachte, ich bekomme einen Herzinfarkt. Da waren 70000 Zuschauer im Stadion, bei United waren Spieler wie Ryan Giggs oder Paul Scholes dabei, das sind Legenden. Ich dachte: Oje, wenn ich jetzt einen Ball verliere und es dann ein Tor gibt... Am Ende lief es gut.

Nach dem United-Spiel haben Sie unzählige solcher Nächte erlebt. Welches war die magischste?

Es gab so viele, das ist schwer. Sicher ist das 3:3 in Manchester eine davon. Aber auch das 1:1 in Liverpool, als wir sie rausgeworfen haben und selber weitergekommen sind. Und das Rückspiel gegen PSV sicher auch. Das war ein ganz geiler Match. Das hat jeder Spieler gesagt. Wir waren alle in der Kabine und haben nur noch gesagt: Wow, war das ein geiles Spiel.

Sie stellen PSV mit United und Liverpool gleich?

Definitiv, ja. Auch, weil im Vorfeld so viel geschrieben wurde, was alles passieren würde, wenn wir nicht gewinnen oder wieder nicht europäisch dabei sein würden. Das haben wir gespürt. Wir hatten einen Druck. Wir haben uns aber zu konzentrieren versucht, weiterzukommen und mal wieder zu zeigen: Wir sind da. Darauf waren wir heiss. Es war geil. Deshalb würde ich es gleichstellen mit United und Liverpool.

Wie sehr bekommt ein Spieler mit, was wirtschaftlich alles von einem Spiel abhängt?

Man bekommt es schon mit, natürlich. Aber ich persönlich befasse mich nicht so gerne mit solchen Dingen. Ich versuche, einen freien Kopf zu haben und einfach zu spielen. Wenn du dir diesen Druck machst, kannst du dich nicht fokussieren.

Ist ein gewisser Druck jetzt abgefallen nach dem PSV-Spiel?

Druck hast du als Fussballer immer. Aber es ist nicht mehr derselbe. Nichtsdestotrotz wollen wir noch mal so ein Spiel zeigen wie gegen PSV.

Wie wichtig ist die neugewonnene Ruhe im Verein, um eine solche Nacht erleben zu können?

Es ist sehr wichtig, dass man ruhig arbeiten kann. Das bekommt man als Spieler ja auch mit und ist automatisch auch etwas ruhiger. Aber es ist nicht unser Job, zu beurteilen, was der Vorstand oder sonst wer macht. Wir müssen unsere Leistung bringen. Das ist unser Job.

In den vergangenen Jahren hat sich der FCB in Europa Schub geholt für die Liga. Hat dieses PSV-Spiel einen ähnlichen Effekt?

Sicher. Es ist immer eine Frage des Selbstvertrauens. Das hatten wir eine Phase lang nicht, wir hatten Probleme, kamen in eine Negativspirale. Da wieder rauszufinden, ist schwer. Mit solchen Spielen aber bekommt man wieder das Vertrauen in sich, und mittlerweile hat das jeder wieder.

Setzt das vielleicht gar Energien für eine grosse Saison frei?

Ich hoffe es. Wir versuchen, in der Champions League nach den Sternen zu greifen, wie es der Trainer so schön gesagt hat.

Um so weit zu kommen, müssen noch zwei Hürden überstanden werden, die erste ist Linz. Ganz ehrlich: Kannten Sie Linz zuvor?

Ich habe sicher schon mal gehört, dass es sie gibt. Aber die Spieler kenne ich nicht.

Der FC Basel geht als Favorit in dieses Spiel. Einverstanden?

Wir waren schon mehrfach in der Champions League und haben als Klub wohl mehr Erfahrung als sie. Gerade auf dieser Ebene. Aber wie gesagt: Wir dürfen sie nicht unterschätzen. Genau solche Gegner sind die gefährlichsten. Aber über zwei Spiele schaffen wir das.

Besteht die Gefahr, dass man Linz nach dem Schwergewicht PSV auf die leichte Schulter nimmt?

Wie ich unsere Mannschaft kenne, nicht, nein. Da wird keiner kommen und denken: Die kommen aus Österreich und sind sicher schwächer als PSV.

Braucht es eine weitere Leistung, in der das Team über sich hinauswächst, oder reicht ein normaler, guter Tag?

Es braucht sicher eine PSV-Leistung, um weiterzukommen. Mit einer normalen wird es schwer. Wir müssen Vollgas geben und auf eine Superstimmung hoffen. Das war überragend, brutal. Ich hatte Gänsehaut. So war es schon lange nicht mehr.

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