Presseschau

NZZ vom 07.08.2019

Die Frage nach der eigenen Stärke

Plötzlich Favorit – nicht nur damit muss der FC Basel vor dem Spiel gegen Lask Linz einen Umgang finden

Benjamin Steffen, Basel

Die österreichischen Besucher geben Marcel Koller etwas Leichtigkeit, er kramt in Erinnerungen an die Zeit als Fussballnationalcoach in Österreich. Während der EM-Qualifikation 2016 hätten die Journalisten schon nach wenigen Spieltagen gesagt, die Auswahl reise an die Endrunde nach Frankreich, «und ich musste eigentlich immer dagegen arbeiten» – bis es geschafft war.

So muss es sich heute auch anfühlen. Koller trainiert den FC Basel, am Mittwoch trifft er in der vorletzten Runde der Champions-League-Qualifikation auf Lask aus Österreich, und wiederholt ist vom grossen FCB und dem kleinen Lask die Rede, von der Favoritenrolle der Basler, von den möglichen Gegnern in den Play-offs, Club Brugge oder Dynamo Kiew – und Koller arbeitet dagegen an, gegen dieses dumpfe Gefühl der Überlegenheit, von dem sich nichts kaufen lässt.

«Aktuell verletzungsbedingt»

Es ist ein Match, mit dem manche gar nicht mehr gerechnet hatten, ein geschenktes Spiel sozusagen. Im ersten Qualifikationsduell verlor der FCB das Hinspiel, zumal beim PSV Eindhoven, einem ziemlich eindrücklichen Verein. Doch der FCB wand sich heraus, 2:1-Heimsieg, es war eine bemerkenswerte Leistung für einen Klub, der in der Sommerpause von so vielen Fragezeichen begleitet worden war – wie stabil er ist, wie sehr er weiss, was oder wen er will, etwa: welchen Trainer.

Aber Koller ist noch da, nimmt die Favoritenrolle an und arbeitet doch dagegen an – «wir wollen weiter», er sagt es zweimal, «wir wollen weiter. Aber wir müssen es tun. Es bringt nichts, wenn wir Sprüche machen, aber danach die Leistung nicht hinbekommen. Und wenn wir es tun», auch diese Formulierung braucht er ein zweites Mal, «okay, dann haben wir eine gute Mannschaft.»

Auch darum geht es also gegen Lask: ob der FCB dieser Rolle gewachsen ist; ob das Team stark und selbstsicher genug ist, seine Vorteile auszuspielen. Es müsste beflügelt sein von einer gewissen Unbeschwertheit. Mit dem Sieg gegen PSV hielt es sich im Rennen um die Champions League und sicherte sich zumindest die Teilnahme an der Europa League. Dadurch schien Druck zu weichen vom FCB. Die Aussichten, dass vielversprechende Spieler wie Noah Okafor, Jonas Omlin oder Albi­an Ajeti in Basel bleiben würden, wirkten besser; der Zwang, Einnahmen zu generieren, war gesunken.

Trotzdem geistert ein Wechselgerücht durch Basel. Englische Klubs interessieren sich offenbar für Ajeti, darunter der Premier-League-Verein West Ham, was Dringlichkeit bringt, weil das Transferfenster in England am Donnerstag schliesst. Gegen Lask ist Ajeti fraglich, «aktuell verletzungsbedingt», wie Koller sagt. Ob sich ein Transfer anbahne, dazu könne er nichts sagen.

Nicht ausgeliefert sein

Auch dagegen würde Koller womöglich arbeiten. Es ist müssig, darüber zu debattieren, ob das Kader breit genug wäre, um den Verlust aufzufangen, weil andere respektable Stürmer bereitstehen, Ricky van Wolfswinkel, Afimi­co Pululu, Kemal Ademi. Vielmehr fragt sich, ob der FCB dieses Signal senden will. Muss er nicht alles daran setzen, den erfolgreichsten Torschützen im Team zu halten, zumindest so lange, wie Chancen bestehen auf den Champions-League-Einzug mit einem Reibach, der viel grösser wäre als der Ajeti-Erlös?

2018 erfolgten die Wechsel von Mohamed Elyounoussi, Michael Lang und Tomas Vaclik um Ende Juni, Anfang Juli, immerhin vor dem Saisonstart, aber in fortgeschrittenem Stadium der Vorbereitung. So möchte es der FCB eigentlich nicht mehr: dem Team während einer wichtigen Phase zentrale Elemente entreissen – und den Eindruck vermitteln, dem Transfermarkt und Klubs aus grossen Ligen quasi ausgeliefert zu sein.

So gesehen geht es auch in diesem Punkt um die eigene Stärke: ob die in letzter Zeit so oft kritisierte Klubführung widerstandsfähig genug ist, Ajeti-Avancen zu widerstehen. Ob der FCB an sich selber glaubt – und daran, viel, viel Geld nicht nur mit Transfers, sondern auch auf dem Feld einspielen zu können.

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