Basler Zeitung vom 07.08.2019
Nach einer durchwachsenen ersten Saison will Verteidiger Silvan Widmer den hohen Erwartungen dauerhaft gerecht werden.
Tilman Pauls
So hatte Silvan Widmer sich das vorgestellt: ein volles Stadion, jubelnde Massen und irgendwo er, mittendrin. Für einen Abend wie beim Rückspiel gegen den PSV Eindhoven war er vor einem Jahr nach Basel gekommen. Klar, die Serie A hatte fünf Jahre lang auch gewisse Reize mit den Spielen gegen Juventus, Inter oder die Roma. Aber immer nur Abstiegskampf? Nein, Widmer wollte Titel feiern und europäische Nächte erleben, als er 2018 seinen Vertrag beim FCB unterschrieb.
Er konnte ja nicht wissen, dass es mehr als zwölf Monate dauern würde, ehe er zum ersten Mal mittendrin sein durfte.
Die Saison ist gerade mal 19 Tage alt, und Silvan Widmer hat erst vier Spiele bestritten. Und trotzdem kann man vor dem wichtigen Heimspiel gegen Linz heute durchaus behaupten, dass der 26-Jährige in diesen Tagen seine erfolgreichste Phase in Basel erlebt. «Die Partie gegen PSV war das bisher beste Spiel», sagt Widmer. «Die Einstellung, die Intensität, die Emotionen, die Fans, da hat einfach alles gepasst.»
Und wann gab es das im letzten Jahr schon mal, dass bei Silvan Widmer alles gepasst hätte?
Kleiner Teufelskreis
Im vergangenen Sommer war der Aussenverteidiger mit grossen Worten und noch viel grösseren Erwartungen in Basel empfangen worden. «Mit Silvan Widmer ist uns ein Coup gelungen», sagte Sportdirektor Marco Streller. Widmer kam mit knapp 140 Spielen in der Serie A und dem Titel «Nationalspieler». Er kam aber, und das war das Problem, erst neun Tage vor dem Saisonstart und hatte ein Schild um den Hals hängen: «Teuerster Einkauf in der FCB-Geschichte». Fast acht Millionen Franken Ablöse.
Widmer war zwar als Verteidiger für den abgewanderten Michael Lang verpflichtet worden. Aber irgendwie musste er auch als Symbol herhalten. Es sollte ruhig jeder sehen, dass der FCB trotz seinem rotblauen Redimensionierungskonzept noch immer Nationalspieler aus dem Ausland verpflichten kann. Dass die Ambitionen trotz den Abgängen von Vaclik, Elyounoussi und Lang weiterhin hoch waren. Und dass auch Marco Streller einen Coup landen kann. Aber all das – der Wechsel, die Erwartungen und die kurze Vorbereitung –, «es war am Ende vielleicht ein bisschen zu viel», sagt Widmer.
Widmer spielte eine Hinrunde, über die er am liebsten nicht mehr sprechen würde. «Ich war gesundheitlich nicht 100 Prozent fit, und ich war nicht zufrieden mit meinen Leistungen. Ich wollte es mit aller Macht, bin aber immer mehrverkrampft. Es war ein kleiner Teufelskreis.» Und auch wenn er in der Rückrunde konstanter spielte: Es passte, dass Widmer beim Cupfinal verletzt fehlte und zusehen musste, wie Taulant Xhaka auf seiner Position so spielte, wie man es von Widmer selten gesehen hatte.
«Diesen Tag werde ich nie vergessen, ich konnte vorher noch nie einen Cup gewinnen. Aber es wäre noch spezieller gewesen, wenn ich in Bern auch gespielt hätte», sagt Widmer.
Jetzt fühlt es sich anders an als im Vorjahr. Widmer hat gegen Eindhoven eine dieser «magischen» Nächte erlebt und wird im Herbst zum ersten Mal in seiner Karriere im Europacup spielen. Gegen Thun hat er ein Tor erzielt und ein eines vorbereitet. «Für einen Verteidiger ist nicht so wichtig, dass er in jedem Spiel Punkte sammelt. Aber es gibt einem ein gutes Gefühl», sagt er.
Und wieso sollte es nach der Negativspirale aus dem Vorjahr nicht auch in die entgegengesetzte Richtung funktionieren?
Keine Sorge
Die Aufgabe, die in dieser Saison auf Silvan Widmer zukommt, ist jedoch keine einfache. Er muss nicht nur gesund bleiben, weil er der einzige gelernte Rechtsverteidiger im FCB-Kader ist. Aber nachträglich muss er immer noch seinem Ruf als Transfer-Coup gerecht werden. Vor wenigen Wochen hiess es, Widmer stehe auf der Wunschliste von Celtic Glasgow. «Ich habe das auch nur gelesen», sagt er, «ich weiss von nichts.» Aber darum geht es auch nicht. Umso bezeichnender war nämlich die ausbleibende Reaktion der Fans. Es war nicht annähernd so viel Sorge um einen möglichen Abgang zu spüren wie aktuell im Fall von Albian Ajeti.
Dabei wäre Silvan Widmer ja gern einer, den man nicht verlieren will. Einer, der vorangeht. Einer halt, der die Erwartungen erfüllt. Also all das, wofür er vor einem Jahr vom FC Basel verpflichtet wurde. Und all das, was er in seinem zweiten Jahr in Basel nun auch dauerhaft beweisen will.