Presseschau

NZZ vom 09.08.2019

Albian Ajeti verlässt den FC Basel ein zweites Mal

Der Klub lässt seinen besten Stürmer in die Premier League ziehen – es ist ein kontroverser Transfer

Andreas Babst

Dreieinhalb Jahre liegen zwischen den Mitteilungen, sie gleichen sich, der Unterschied versteckt sich im letzten Abschnitt. Im Januar 2016 stand da: «Der FC Basel 1893 wünscht Albian Ajeti alles Gute und viel Erfolg in der Bundesliga.» Heute steht da: «Der FCB bedankt sich bei Albian Ajeti herzlich für seinen Einsatz und wünscht ihm viel Erfolg bei West Ham United.»

Als Ajeti im Januar 2016 den FCB zum ersten Mal verliess, da war er 18-jährig, ein Talent mit wenig Spielpraxis, das übereilt nach Augsburg wechselte – der FC Basel schickte ihm keinen herzlichen Dank hinterher. Jetzt verlässt Ajeti Basel ein zweites Mal. Er schoss in seiner ersten Saison 17 Super-League-Tore, er war Torschützenkönig, in der vergangenen Saison waren es insgesamt 21 Tore – herzlichen Dank. Ajeti, jetzt 22, wechselt in die Premier League zu West Ham United. Dort unterschreibt er einen Vierjahresvertrag mit Option auf Verlängerung um weitere zwei Jahre.

Stürmer Nummer 3

Über seinen Wechsel nach Augsburg sagte Ajeti letztes Jahr der «BZ Basel»: «Heute würde ich es anders machen. Ich würde durchbeissen, mehr Geduld zeigen und lieber noch zwei, drei Mal schlucken, statt einfach davonzulaufen». Vielleicht hat Ajeti nach dem Angebot aus der Premier League erst einmal geschluckt, für ein zweites Mal, ein drittes Mal, blieb keine Zeit: «Als ich West Hams Interesse spürte, musste ich nicht zweimal nachdenken, bei einem so grossen Traditionsklub in der Premier League zu unterschreiben», liess Ajeti sich auf der Homepage des Klubs zitieren. In West Ham wird Ajeti Stürmer Nummer 3 sein, vor ihm in der Rangordnung stehen Sébastien Haller, für rund 44 Millionen Franken aus Frankfurt geholt, und Chicarito, einst Stürmer bei Real Madrid und Manchester United.

Ajeti dürfte dem FC Basel etwa 10 Millionen Franken einbringen. Der FCB braucht dieses Geld genauso wie die Einnahmen aus dem Europacup, er muss die teure Klub-Maschinerie unterhalten, die in den Heusler-Jahren grösser und grösser geworden ist. Ajetis Transfer hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die Niederlage im Champions-League-Qualifikationsspiel gegen Linz offenbarte, wie sehr der FCB einen Stürmer von seiner Qualität vermissen wird.

Ricky van Wolfswinkel ist ein anderer Stürmertyp als Ajeti, feingliedriger, weniger körperlich. Ähnlich kräftig wie Ajeti ist Afimico Pululu, im Sommer aus Xamax zurückgekehrt; gegen Linz zeigte er, dass er unheimlich schnell ist, sonst gelang ihm wenig. Der dritte Stürmer Kemal Ademi, fast zwei Meter gross, gewann am Mittwoch immerhin das entscheidende Kopfball-Duell vor dem Anschlusstreffer durch Luca Zuffi. Auch Ademi kam in diesem Sommer von Xamax.

Kollers Trotz

Nach dem Spiel gegen Linz wurde der Trainer Marcel Koller gefragt, ob Ajeti gefehlt habe. Koller antwortete mit einer Gegenfrage: «Jetzt war er nicht dabei. Ob’s mit ihm wirklich besser geworden wäre?» Es war Trotz zu spüren in dieser Antwort. Denn mit dem Verkauf von Ajeti offenbart der FCB, dass er sich mit den Millionen aus dem Transfer und der Europa League zufrieden gibt. Ajeti alleine hätte den FCB nicht in die Champions League gebracht. Ohne ihn und nach der Heimniederlage gegen Linz wird es aber noch schwieriger. Fraglich ist, ob der FCB Ajeti überhaupt hätte halten können. Der Stürmer liebäugelte schon länger mit einem Wechsel, er soll sich mit dem Trainer Koller nicht gut verstanden haben.

Schon bald wird sich zeigen, was der Ajeti-Transfer für die Meisterschaft bedeutet. Nach dem Heimsieg vergangene Woche gegen PSV Eindhoven sprachen die Spieler von einer «magischen Nacht», es war einer dieser Momente, wie sie dem FCB in der letzten Saison gefehlt hatten: Grosse Siege gegen favorisierte Gegner. Solche Spiele gehören zum Selbstverständnis des Klubs, sie formen einen Geist im Team, der den FCB auch zu nationalen Erfolgen trägt. Der FCB will diese Saison um den Meistertitel spielen. Er tut das nun mit zwei Stürmern, die sich vor ein paar Wochen noch mit Xamax gegen den Abstieg stemmten. Van Wolfswinkel, der dritte, wurde am Mittwoch mit Verdacht auf Hirnerschütterung ins Spital gebracht.

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