Basellandschaftliche Zeitung vom 09.08.2019
Für 12 Millionen Franken wechselt Albian Ajeti zu West Ham. Was der Transfer mit seinem alten und seinem neuen Trainer zu tun hat.
Céline Feller
Beinahe unbeachtet läuft Manuel Pellegrini an den Rand des Trainingsplatzes. Er schaut zu, leise, beobachtend. Für einen Mann mit einer grossen Vergangenheit, wie er sie hat, wirkt er nahbar. Ihn umgibt keine grosse Aura. Ein paar Minuten schaut er sich an, wie rund 25Männer Übungen machen. Ob ihm der Mann mit der Nummer 22 schon damals auffällt? Wohl kaum.
Es ist Januar 2018. Manuel Pellegrini, zu dieser Zeit in Diensten von Hebei China Fortune, weilt zeitgleich wie der FC Basel im Marbella Football Center. Beide Teams holen sich den Schliff für den Frühling. Bei den Chinesen der Welttrainer, der einst bei Real Madrid oder Manchester City an der Seitenlinie stand. Beim FC Basel Albian Ajeti, der nach seiner Flucht zu Augsburg und St.Gallen wieder bei seinem Kindheitsklub ist. Er ist der Mann mit der Nummer 22.
Das Gespräch mit Natikollege Fernandes
Eineinhalb Jahre später sind Ajeti und Pellegrini wieder am selben Ort. Doch dieses Mal ist es kein Zufall. Pellegrini ist seit Mai 2018 Trainer von West Ham United, Ajeti seit Donnerstag offiziell Spieler der Hammers. Nachdem sich der Transfer seit Tagen hingezogen hat, bestätigte gestern auch der FCB den Abgang seines Topskorers. «Ich bin sehr glücklich darüber, hier zu sein», lässt sich dieser in einem Statement auf der Homepage des Londoner Klubs zitieren. «Es ist für mich eine grosse Freude, bei diesem grossen Klub zu sein.»
Ajeti, der für den FCB in 96Spielen 43 Tore erzielt hat, unterschreibt beim Premier-League-Klub einen Vertrag über vier Jahre mit Option auf ein weiteres. «Als ich das Interesse West Hams gespürt habe, musste ich nicht zweimal überlegen, ob ich für einen solch grossen, traditionsreichen Verein in der Premier League unterschreiben möchte. Es ist ein grosser Tag für mich und für meine Familie.»
Ajeti hat sich schon vor seinem Transfer über West Ham informiert: «Ich habe mit Edimilson Fernandes (spielte zwei Jahre bei West Ham, Anm. d. Red.) bei der Nationalmannschaft über den Klub gesprochen. Er sagte mir, welch grosser Klub West Ham sei. Er hatte nur Gutes zu erzählen.»
Dies alleine war aber nicht der Ausschlag für Ajetis Wechsel. Seit Kindertagen fasziniert den Stürmer die Premier League. Sein Herz gehörte dem Londoner Stadtrivalen Chelsea, sein Vorbild war der frühere Liverpool-Stürmer Luis Suárez. Mit der Zeit habe das Fansein aber nachgelassen, erzählte Ajeti vor ein paar Monaten. Er sei rausgewachsen. Die Faszination für die Liga aber ist geblieben. «Ich mag den Fussball und die Stürmer in der Premier League», erzählt er in seinem Vorstellungsvideo. Er freue sich auf das Zusammenspiel mit Stürmern, die bereits grosse Karrieren hatten, «vor allem Chicharito. Ihn habe ich verfolgt, als ich jünger war.» Mit dem früheren Stürmer von Manchester United und Real Madrid wird Ajeti sich um den ersten Platz hinter Neuzugang Sébastien Haller im Sturmzentrum duellieren. In England wird Ajeti aktuell nur als Back-up für die zwei Stürmer erachtet. Der Basler selber aber will mehr: «Ich habe sehr grosse Träume. Ich freue mich darauf, mit diesem faszinierenden Klub alle Ziele zu erreichen.» Die Ambitionen des Teams würden ihm viel bedeuten, und «es macht mich stolz, für einen solchen Verein zu spielen. Ich weiss, dass dieses Team mich an mein Limit pushen wird. Und ich will für diesen Klub auch ans Limit gehen.»
Die Premiere gegen den englischen Meister
Die Verantwortlichen des Klubs zeigten sich sehr glücklich, dass der Deal am Deadline Day noch realisiert werden konnte. «Er ist ein weiterer, sehr junger Spieler, von dem wir glauben, dass er eine grosse Zukunft im Verein haben kann», so Mario Husillos, West Hams Director of Football. Ajeti habe die Scouts bei diversen Gelegenheiten beeindruckt. «Er ist ein aggressiver, schneller Stürmer, der gerne in der Box spielt. Wir glauben, dass er bereit ist, diesen grossen Schritt mit West Ham zu machen.» Man traue ihm zu, von Anfang an performen zu können. Ins Training ist Ajeti bereits gestern eingestiegen, das erste Spiel, welches er erleben könnte, wäre jenes gegen Englands Meister Manchester City diesen Samstag. City statt Servette – es sind Welten.
Welten entfernt sind auch die Worte, die Ajeti über seinen Ex-Trainer Marcel Koller und seinen neuen Coach, Manuel Pellegrini, verliert. Während Koller für Ajeti mit ein Grund war, den FCB zu verlassen, so kommt er beim 65-jährigen Chilenen ins Schwärmen. «Jeder kennt ihn. Er hat sehr viel Erfahrung.» Und Ajeti kommt nicht umhin, einen kleinen Seitenhieb auszuteilen in Richtung Koller: «Für mich ist es wichtig, dass ich mich mit dem Trainer gut verstehe und dass ich mit ihm gut arbeiten kann.» Dies scheint bei West Ham der Fall zu sein. Mit diesem Trainer, der ihn schon vor eineinhalb Jahren hautnahe beobachtete. Damals, noch mit der 22 auf dem Rücken, dürfte Ajeti Pellegrini kaum speziell ins Auge gefallen sein. Dafür wird er jetzt tagtäglich alles dafür geben, Pellegrini aufzufallen.