Basler Zeitung vom 09.08.2019
Stürmer Albian Ajeti wechselt zu West Ham United in die Premier League. In Basel geht es währenddessen um die Frage, wie sich die sportlichen und wirtschaftlichen Ziele des Vereins miteinander vereinbaren lassen.
Tilman Pauls
In London erklärte Albian Ajeti gerade, wie sehr er sich freue, künftig für einen grossen Club wie West Ham United in einer grossen Liga wie der Premier League zu spielen. Er sagte, dass er nicht zweimal habe überlegen müssen, als er das Interesse des Vereins gespürt habe. Und wahrscheinlich hat ihm bei der Entscheidung auch ein Blick auf seinen künftigen Lohn geholfen – aber das hat Ajeti so natürlich nicht gesagt.
Ajeti erklärte, dass es auch für seine Familie ein grosser Tag sei, dass er sich auf die neuen Mitspieler freue, den Trainer und ganz allgemein auf das Leben in London. Albian Ajeti, das darf man wohl so sagen, wirkte sehr zufrieden, nachdem er seinen Vierjahresvertrag unterschrieben hatte.
In Basel war die Gefühlslage währenddessen etwas anders. Denn der Abgang von Ajeti ist nicht irgendein Transfer von irgendeinem Spieler in irgendeiner Phase der Saison. Der Abgang des besten Stürmers wirft vielmehr die Frage auf, ob und wie sich die aktuellen sportlichen und wirtschaftlichen Ziele des Vereins miteinander vereinbaren lassen. Was bei der Frage nach Geld oder Liebe die Antwort des FCB ist.
Wirtschaftlich waren die letzten Tage für den FCB äusserst erfolgreich. Mit dem Sieg im Rückspiel gegen Eindhoven sicherten sich die Basler den Einzug in die Gruppenphase der Europa League, der mit einem Preisschild von rund acht Millionen Franken versehen ist. Der Transfer von Ajeti spült den Baslern nun sogar eine noch grössere Summe in die Kassen: Von einer Ablösesumme von mehr als zehn Millionen Franken ist die Rede.
Damit hat der FCB kurz nach dem Start in die neue Saison und innerhalb von knapp einer Woche zwei ganz wichtige Ziele erreicht: zum einen die bereits budgetierten Einnahmen aus dem europäischen Geschäft, die der Verein im Vorjahr verpasst hat und die sich bei entsprechendem Erfolg noch weiter ausbauen lassen. Auf der anderen Seite das Ziel von zehn Millionen Franken Transfererlösen, das man dank Ajeti auf einen Schlag überboten hat.
Es sind wichtige Einnahmen, um das strukturelle Defizit zu decken und das Unternehmen FCB zu unterhalten, nachdem der Club zuletzt trotz einträglichen Spielerverkäufen ein Drittel der knapp 60 Millionen Franken aufgebraucht hat, die unter der vormaligen Führung als Reserven gebildet wurden.
Gleichzeitig stellen sich die Basler Fans aber die Frage, wo die sportlichen Ansprüche bei all den Sparabsichten noch ihren Platz finden sollen.
Das Team hat einen guten Saisonstart erlebt. Der Sieg gegen PSV hat dem Club nicht nur die Europa League beschert, sondern auch ein Stück Hoffnung gegeben, dass man diese Saison wieder näher andie Berner Young Boys und den Meistertitel heranrücken kann. Der Transfer von Ajeti hat alle Gedankenspiele in diese Richtungvorerstwieder gebremst.
Der FCB hat mit Ajeti seinen besten Torschützen der Vorsaison verloren. 32 Skorerpunkte. Und nicht zuletzt ein Stück Kleinbasler Konzeptkultur. Mit Van Wolfswinkel, Ademi, Pululu, Vonmoos und Tushi haben die Basler noch fünf nominelle Stürmer. Zwei von ihnen, Tushi und Vonmoos, haben aber erst ein paar Ligaminuten absolviert. Pululu und Ademi spielten zuletzt für Xamax und müssen ihre Qualitäten noch beweisen. Und Van Wolfswinkel ist trotz all seiner Erfahrung ein anderer Spielertyp als Ajeti.
Die Frage stellt sich: Reicht diese Besetzung, um sich für die Champions League zu qualifizieren oder eine gewichtige Rolle im Kampf um die Meisterschaft zu spielen?
Natürlich, der FCB hat immer wieder wichtige Spieler verloren. Es ist Teil seiner Strategie, dass er Spieler entwickelt und sie verkauft. Dass er Sprungbrett für Talente ist. Das hat jahrelang funktioniert und wird mit dem Transfer von Ajeti nun erfolgreich fortgesetzt. Zumal der Verbleib des 22-Jährigen dem FCB ja weder den Einzug in die Königsklasse noch den Meistertitel garantiert hätte.
Aber es geht um das Gefühl, das haften bleibt. Das Gefühl, dass die Basler sich mit der Europa League zufriedengeben. Die Vorahnung, dass sie vorerst nicht darüber nachdenken, die Tore von Ajeti durch einen neuen Stürmer zu ersetzen. Und den Eindruck, dass die wirtschaftlichen Aspekte unter der Führung von Bernhard Burgener deutlich wichtiger sind als die sportlichen.
Und so steht der Abgang eines jungen Mannes stellvertretend für den fast schon unmöglichen Spagat, in dem sich der Verein gerade versucht. Und es wird erneut für Kritik an der aktuellen Führung sorgen.