Presseschau

SonntagsZeitung vom 18.08.2019

So nüchtern, dass es fast schmerzt

Der FC Basel verpasst erneut die Champions League. Aber Präsident Burgener sucht sowieso nicht um jeden Preis den sportlichen Erfolg

Florian Raz

Basel Wer verstehen will, muss eigentlich nur diese drei Sätze kennen. «Meister werden wir», sagte Raphaël Wicky im Sommer 2017 als neuer Trainer des FC Basel. «Selbstverständlich wollen wir den Meistertitel zurückholen», erklärte Bernhard Burgener ein Jahr später. Und 2019 klang der Besitzer des FCB dann noch so: «Wir wollen um den Meistertitel kämpfen.»

Drei Aussagen, in denen die Basler Ambitionen sinken wie die Töne der elektrischen Dreiklang-Glocken in Schweizer Schulhäusern. Bim, bam, bom. Und spätestens seit dem «Bom» müsste es eigentlich bei allen geklingelt haben. Natürlich würde sich Burgener nicht aktiv gegen einen Meistertitel wehren. Aber der zweite Platz, der ist für ihn auch ganz in Ordnung.

Als Burgener 2017 beim FCB antrat, wurde er als Mann der Zahlen angekündigt. Den meisten Menschen in der Nordwestschweiz beginnt jedoch erst im dritten Jahr seiner Amtszeit zu dämmern, was das wirklich heisst. Es bedeutet etwa, dass Burgeners FCB in der Qualifikation zur Champions League gegen einen mediokren Gegner wie Linz mit einem Skore von 2:5 scheitern kann. Und dass er in der präsidialen Rechnung trotzdem im Soll liegt.

Rang 2 in der Schweiz, Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League, gut verdienende Spieler wie Marek Suchy weg, dazu der Verkauf eines Akteurs wie Albian Ajeti für einen zweistelligen Millionenbetrag: Das könnte reichen, um eines von Burgeners Zielen zu erreichen – eine ausgeglichene Rechnung Ende Jahr.

Auch darum ist selbst dann nicht klar, ob ein neuer Stürmer verpflichtet wird, wenn mit Ajeti und Ricky van Wolfswinkel die Nummern 1 und 2 im Angriff verkauft oder schwer krank nicht mehr zur Verfügung stehen.

In Burgeners Rechnung ist der Meistertitel ein Minusgeschäft
Zwar hat der FCB laut schottischen Quellen zuletzt Florian Kamberi beobachtet. Der 24-jährige Ex-Grasshopper spielt derzeit beim Hibernian FC. Aber es ist kein Zufall, wenn Burgener im Teleclub-Interview vor dem wichtigen Heimspiel gegen Linz ganz wenig über die sportliche Ausgangslage spricht. Und dafür ganz viel darüber, wie er gedenkt, das Kader bis in einem Jahr noch etwas zu verkleinern und damit günstiger zu machen.

Burgener hat einen derart nüchternen Blick auf den Fussball, dass es manchmal fast schmerzt. So kann er einem unvermittelt vorrechnen, warum ein Meistertitel für seinen FCB ein Minusgeschäft sei: «Allein die Meisterprämien, die wir an die Spieler zahlen, sind höher als die rund 3,4 Millionen, die wir als Meister von der Liga erhalten.» Mögliche Zusatzeinnahmen wie Europacup-Prämien blendet er aus, weil sie nicht garantiert sind.

So hat er das im Juli 2018 fast nebenher gesagt. Weil sich der Mensch nur langsam an neue Wahrheiten gewöhnt, verklangen seine Worte ohne viel Widerhall. Das ist sowieso eines von Burgeners Hauptproblemen: dass er im Gefühl lebt, er habe alle Veränderungen angekündigt, die der FCB unter seiner Führung erfährt. Und dass die Öffentlichkeit trotzdem immer wieder überrascht wird von seinen Entscheidungen.

Es ist eine Mischung, die das Unverständnis ausmacht. Einerseits muss man als Fan bei einer angekündigten Zusammenarbeit mit europäischen Grossclubs sicher nicht in erster Line an den Kauf einer IT-Lösung beim FC Bayern denken. Andererseits wollten viele vielleicht auch gar nicht so genau hinhören, als Burgener seine Ideen ausbreitete. Dass der FCB unter ihm nicht weiter mit aller Konsequenz den nächsten Titel und die nächste Qualifikation für die Champions League anstreben würde? Das konnte und mochte sich in Basel zunächst einfach keiner so richtig vorstellen.

Man kann in Burgener nun den Mann sehen, der eine perfekte Meistermaschine innert kürzester Zeit ganz schön kaputtgemacht hat. Man kann aber auch feststellen, dass er schon vor drei Jahren erkannt hat, dass das Basler Geschäftsmodell bald der Vergangenheit angehören dürfte.

Der FC Basel schien während ein paar Jahren ja eine Art finanzielles Perpetuum mobile zu besitzen. Mit den Prämien der Champions League leistete er sich die besten Spieler der Schweizer Liga, wurde deswegen wieder Meister und spielte so erneut in der Königsklasse, dank der auch noch die Marktwerte der eigenen Profis in die Höhe schossen. Und damit auch die Transfereinnahmen.

Wenn die Chancen auf den Jackpot sinken, wird gespart
Aber die europäischen Grossclubs dulden immer weniger Vereine aus kleineren Ligen an den Honigtöpfen der Champions League. Möglich, dass die Türen für Schweizer Clubs demnächst sogar ganz geschlossen werden. Burgeners Antwort auf diese Veränderungen, auf die sinkende Wahrscheinlichkeit auf den Prämien-Segen: sparen, redimensionieren, abspecken.

Den Preis dafür bezahlt der FCB derzeit mit einem Team, das zwar an einem guten Tag den PSV Eindhoven schlagen kann. Das aber an einem normalen Tag keine Lösung gegen das Linzer Pressing findet.

Da wird es schwierig, die Young Boys an einem weiteren Meistertitel zu hindern. Aber für Rang 2 müsste es locker reichen.

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