Presseschau

NZZ am Sonntag vom 25.08.2019

Basel braucht fast eine Stunde, bis es erwacht

Lange hatte es in Neuenburg nicht so ausgesehen, dass der FC Basel gegen den Tabellenletzten zu einem ungefährdeten Sieg kommen würde, wie es am Ende das Ergebnis weismachen könnte. Und auch am Ende, als der FCB mit drei Punkten mehr die Heimreise antreten konnte, hatte der Auftritt in der Maladière wenig Anhaltspunkte geboten, dass der FCB Stilsicherheit und Spielkultur dazu gewonnen hat. Das deutliche Ausscheiden in der Qualifikation für die Champions League mit zwei Niederlagen gegen Linz schien alles andere als verdaut zu sein.

So lag es nahe, zwischen der bedauernswerten Verfassung von FCB-Trainer Marcel Koller und der ersten Stunde des Matches einen Zusammenhang herzustellen: Koller hatte in der vorletzten Woche einen Unfall mit dem Mountainbike erlitten. In Neuenburg stand er mit einer Armschlinge am Spielfeldrand und versuchte, auf seine Spieler Einfluss zu nehmen, die ebenfalls ziemlich angeschlagen wirkten. Fehlpass folgte auf Fehlpass. Ungenauigkeit löste fehlende Präzision ab. Unvermögen wechselte mit Missverständnissen ab. Koller wippte aus den Knien nervös auf und ab und verwarf den gesunden Arm. Es war eher zum Verzweifeln, weniger Labsal für die Rehabilitation. Als Nuzzolo, einmal mehr der gefährlichste Xamaxien, ein paar Minuten vor der Pause das Lattenkreuz traf, wurde auch den Baslern klar, dass sich etwas ändern musste in den zweiten 45 Minuten.

«Die erste Halbzeit war ausbaufähig», sagte Fabian Frei nach dem Match, «wir haben zu viele Fehler gemacht, spielten zu kompliziert und trafen die falschen Entscheidungen – das haben wir in der Pause angeschaut und in der zweiten Halbzeit verbessert.» Frei, gerade zum zweiten Mal Vater geworden, war es dann auch, der den Angriff zum 1:0 ausgelöst und das Tor nach einer schönen Ballstafette erzielt hatte. Dem Spielzug war ein vielversprechender Angriff der Neuenburger vorausgegangen, den Seferi mit einem Fehlpass beendet hatte.

«Völlig verschlafen, nonchalant, müde» sei seine Mannschaft gewesen, sagte Koller, «in der Pause musste ich laut werden in der Kabine – danach haben wir so gespielt, wie wir das besprochen haben, und den Sieg souverän nach Hause gebracht.» Koller hatte gerade Frei ermuntert, von der Sechserposition vorzurücken und mehr den Abschluss zu suchen. Das zahlte sich schliesslich aus.

Auch für Kemal Ademi, der im Nachschuss das 2:0 für den FCB erzielte und im vierten Spiel das vierte Tor schoss. Eine gute Bilanz für den Stürmer, der nach dem Transfer von Ajeti und der Hirnverletzung bei van Wolfswinkel vom Ergänzungsspieler zum Stürmer Nummer eins aufgestiegen ist. Aber auch Ademi, in der letzten Saison noch bei Xamax unter Vertrag, gelangen ausser dem glücklichen Tor nur Dürftigkeiten. Koller sagte, er sei mit der Torquote und der Mentalität seines Stürmers zufrieden. Dennoch sei der FCB auf der Suche nach einem zweiten Angreifer. Nicht für die Champions League, nur für die Europa League.

Stephan Ramming, Neuenburg

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