Presseschau

NZZ vom 26.08.2019

Marcel Koller, sitzende Patrone

Inside/Offside

Stephan Ramming · Es gibt Sätze, die bleiben. «Die nächste Patrone muss sitzen» ist so ein Satz. Marco Streller sagte ihn, vor nicht ganz dreizehn Monaten.

Es ist ein heisser Sommertag, und Streller schwitzt und redet und redet und schwitzt, als er im stickigen Kabinengang in der Neuenburger Maladière nach dem 1:1 des FC Basel unter dem Interimscoach Alex Frei die Entlassung von Raphael Wicky nach nur einem Meisterschaftsspiel erstmals öffentlich begründet und über die Suche von Wickys Nachfolger sagt: «Die nächste Patrone muss sitzen.» Wenig später wird bekannt, dass die Patrone, die sitzen muss, Marcel Koller heisst.

Als Koller am Samstag nach dem 3:0 in Neuenburg am Ende eines heissen Sommertages im stickigen Medienraum der Maladière den Journalisten Auskunft gibt, muss er sitzen. Streller hatte also schon vor dreizehn Monaten recht. Einerseits. Andererseits aber auch nicht, weil Koller nicht auf Wunsch oder Befehl von Streller sitzt, sondern weil Trainer üblicherweise immer sitzen müssen an Medienkonferenzen.

Schon klar, Trainer sind keine Patronen, sondern Menschen, man kann sie nicht einfach ins Gewehr legen und dann zielen und abdrücken und mit ihnen ins Schwarze treffen oder vielleicht auch daneben, wie das Trainer, Menschen und Patronen eben so machen – wenn sie nicht gerade liegen oder stehen, dann sitzen sie.

Marco Streller ist am Samstag nicht da, um über Weidmannsheil oder die sitzende Patrone Marcel Koller zu reden, dreizehn Monate später, am gleichen Ort zu ähnlicher Stunde, bei derselben Hitze. Streller hat den Job als FCB-Sportchef hingeschmissen, für ihn ist der Schuss mit der Patrone, die sitzen muss, nach hinten losgegangen, buchstäblich.

Sätze, die bleiben, sind oft ungerecht. Sie werden ungerecht, weil sie ein Eigenleben entwickeln und Bedeutungen bekommen, die nicht mehr dem entsprechen, was der Urheber im ursprünglichen Zusammenhang gemeint hat. Streller meinte damals, dass der Trainer nach Wicky Erfolg haben muss, und vor allem, dass seine eigene Zukunft als FCB-Sportchef vom Erfolg des Neuen abhängt. Weil Streller nicht mehr da ist am Samstag in Neuenburg, dürfte eigentlich auch seine Patrone Marcel Koller nicht auf der FCB-Trainerbank sitzen. Was ist schiefgelaufen? Ist Erfolg relativ, wie der Cup-Titel relativ wird in Bezug auf die verpasste Meisterschaft oder nun das Erreichen der Europa League in Bezug aufs Ausscheiden in der Champions League? Muss «die nächste Patrone» wirklich «sitzen»?

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