Presseschau

Tages-Anzeiger vom 02.12.2019

Ja, Basel ist noch da!

Der FC Basel gewinnt gegen die Young Boys 3:0. Er setzt damit jenes Ausrufezeichen, das der Club gebraucht hat. Und er schenkt der Liga einen Spitzenkampf, in dem bloss zwei Punkte das Spitzentrio trennen.

Florian Raz, Basel

Manchmal ist ein Spiel mehr als bloss ein Spiel. Es geht dann um Botschaften, um Zeichen, die gesetzt werden. Und manchmal auch darum, dass man sich selbst daran erinnert, wer man eigentlich ist. Und so steht an diesem Sonntagabend ein glücklicher Ruedi Zbinden im Gang vor den Garderoben des St.-Jakob-Parks. Der Sportchef des FC Basel sagt: «Wir wollten der ganzen Schweiz zeigen, dass wir noch da sind.»

Ja, Basel ist tatsächlich noch da. Das ist vielleicht noch nicht der FCB jener Tage, in denen er Meistertitel sammelte wie andere Bonuspunkte im Supermarkt. Aber das Team entwickelt zumindest in grossen Spielen wieder eine Wucht, mit der es auch Gegner wie die physisch so robusten Young Boys mit einem 3:0 aus dem Stadion drücken kann.

Nicht viele haben daran geglaubt. Selbst FCB-intern sind nicht alle Entscheidungsträger in allen Momenten davon überzeugt, dass die aktuelle Mannschaft bereits genügend Qualität hat, den Meistertitel zu erringen. Zu frisch sind vielleicht die Erinnerungen an die letzte Saison.

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, seit der FCB ein Heimspiel gegen YB mit 1:3 verlor. 19 Punkte lagen die Basler danach hinter den Bernern. Derzeit ist es noch einer. Das mag überraschen nach einer Sommerpause, in der Marcel Koller bereits als entlassen gemeldet wurde. Aber es spricht dafür, dass es durchaus hilft, wenn ein Trainer längere Zeit am selben Ort arbeiten darf. «Wir mussten erst schauen, wie wir spielen wollen - und wie wir spielen können», sagt Koller dazu, «manchmal braucht das halt ein paar Monate.»

Seoanes richtige Rechnung

Trotzdem reicht das allein nicht, um die Lücke zu YB zu schliessen. Dazu braucht es auch eine Berner Mannschaft, die derzeit «eine schwierige Phase» durchmacht, wie es YB-Trainer Gerardo Seoane unumwunden zugibt. Bern hat zuletzt gegen Servette, St. Gallen, Sion und Basel je drei Gegentore erhalten. Das ist üblicherweise nicht der Schnitt, mit dem ein Team Meister wird.

Seoanes Rechnung kommt der Wahrheit deshalb wohl recht nahe: «Zu fünfzig Prozent hat es mit uns zu tun, dass der Abstand kleiner geworden ist. Und zu fünfzig Prozent liegt es an der Arbeit von Marcel Koller und seinem Staff.»

YB hat im Sommer erlebt, was Schweizer Meister für gewöhnlich durchmachen auf dem Transfermarkt. «Wir durften wichtige Spieler ins Ausland verabschieden», formuliert es Seoane positiv. Andere sind nachgerückt, die sich noch entwickeln müssen. Dazu kommt eine ganze Reihe an teils schweren Verletzungen, sodass es wahrlich für YB spricht, dass es immer noch an der Spitze der Tabelle liegt.

An diesem Nachmittag aber ist alles zu viel für die Berner. Da sind die müden Beine aus dem verlorenen Spiel gegen Porto am Donnerstag. Da ist auch noch der Ausfall des Captains Fabian Lustenberger, der durch einen Christopher Martins ersetzt werden muss, dem die fehlende Spielpraxis in praktisch jeder Aktion anzusehen ist.

Vor allem aber sind da diese Basler, die auf den Punkt genau parat sind. Es ist kein Zufall, dass Aggressiv-Leader Taulant Xhaka am Ursprung des FCB-Siegs steht. Die Basler haben sich ganz fest vorgenommen, sich für einmal nicht der Physis der Berner zu beugen. Und so jubelt das heimische Publikum schon bei Xhakas Balleroberung in der sechsten Minute. Ein paar Pässe und ein Dribbling Edon Zhegrovas später trifft Arthur Cabral. Es ist die frühe Führung, die Omar Alderete sieben Minuten später per Kopfball nach einem Eckball verdoppelt.

Alles eine Frage des Kopfes

Für den Schlusspunkt sorgt gleich nach der Pause wieder Zhegrova. Der Kosovare lässt Martins so locker stehen, als sei er ein routinierter Pendler, der sich am Montagmorgen am Bahnhof an einem Spendensammler vorbei aufs Perron schlängelt. Das Spiel könnte danach ebenso gut abgepfiffen werden.

Knapp eine Stunde später versteht Christian Fassnacht noch immer nicht ganz, was ihm und seiner Mannschaft da widerfahren ist: «Es muss bei uns am Kopf gelegen haben. Eine andere Erklärung habe ich nicht.» Neben ihm redet YB-Sportchef Christoph Spycher davon, seine Spieler hätten «die Power nicht auf den Platz gebracht. Uns fehlte von Anfang an Aggressivität und Klarheit.» Die zwei könnten auch sagen: Die sonst so meisterlichen Young Boys wirken an diesem Sonntag für einmal wie eine ganz gewöhnliche Mannschaft.

Was YB schmerzen mag, ist ein Segen für die Liga. Weil der weiterhin erstaunlich stabile FC St. Gallen beim FC Luzern mit 4:1 gewinnt, trennen nun nur noch zwei Punkte die drei Spitzenteams. Taulant Xhaka muss kurz nachdenken, als er gefragt wird, ob er sich noch daran erinnern mag, wann es letztmals so eng zuging an der Spitze der Super League. Dann sagt der 28-Jährige: «Wahrscheinlich war ich da noch Balljunge.»

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