Presseschau

Basler Zeitung vom 16.12.2019

Der Logik widersprochen

Sportlich hat sich der FCB wieder zu einem Titelkandidaten entwickelt. Allerdings erwarten den Verein von Präsident Bernhard Burgener im Jahr 2020 auch in anderen Bereichen äusserst spannende Monate.

Und dann verabschiedete sich Marcel Koller in die Ferien. Mit einem 1:2 gegen den FC Luzern und übrigens auch mit spürbar schlechter Laune. «Gut, dass jetzt Ferien sind», sagte Koller, dann war er weg. Dabei weiss natürlich auch der Trainer, dass nur wegen dieser einen Niederlage längst nicht alles schlecht war im Jahr 2019.

Im letzten Dezember sind die Basler ja ebenfalls als Tabellenzweiter in die Pause gegangen. Aber es ist dann doch ein Unterschied, ob man mit 19 Punkten Rückstand auf den Leader nur noch ein theoretischer Teil des Meisterrennens ist. Oder ob man, wie jetzt, durchaus realistische Chancen auf den ersten Meistertitel seit drei Jahren hat.

Und wer hätte dies dem FC Basel vor dieser Saison schon ernsthaft zugetraut, nach 18 Runden nur zwei Punkte hinter YB zu liegen?

Die Basler haben sich in den letzten Monaten vielleicht nicht neu erfunden, aber sie haben an ihrer 1. Mannschaft einige Renovierungsarbeiten vorgenommen. Aus einer Mannschaft auf der Suche nach sich selbst ist ein Team geworden, das Spuren eines Titelkandidaten in sich trägt. Und wenn man nach Gründen für diese Entwicklung sucht, ist man schnell bei dem Mann, der sich gestern so genervt in die Ferien ver abschiedet hat.

Es widerspricht zwar immer noch jeder Logik, dass der Trainer, der im Sommer kurzzeitig seine Sachen packen musste, den FCB zu einer der besten Kampagnen in Europa führt. Aber es spricht für Koller, wie stoisch-gelassen er - zumindest nach aussen - mit seiner Suspendierung umgegangen ist. Er hat nicht nur seine Arbeit wieder aufge nommen, sondern war auch bereit, sich zu entwickeln, sich anzupassen. Dinge zu ändern.

2:1 gegen Eindhoven, 5:0 gegen Krasnodar, 1:0 gegen Getafe, 3:0 gegen YB. Die Basler haben - wenn auch nicht in jedem Spiel - in diesem Herbst einen Fussball gezeigt, wie man ihn vielleicht unter Raphael Wicky in der Champions League zuletzt gesehen hat: zielstrebig, schnörkellos und erfolgreich.

Das liegt auch daran, dass den Spielern nach den Verschiebungen des Sommers klar geworden ist, dass es mit Koller weitergehen wird und dass man sich mit der Situation arrangieren muss. Aber auch so können Mannschaften ent stehen. Und die Führungsetage darf mit Blick auf die jüngsten Ergebnisse und die neusten Transfers von Sportchef Ruedi Zbinden tatsächlich behaupten, dass man im Sommer nicht alles falsch gemacht hat.

Zur Belohnung geht der FCB nun erneut mit einer Trainerfrage in die Winterpause, jedoch mit einer etwas anderen als zuletzt. Juventus Turin sucht aktuell zwar keinen Ersatz für Maurizio Sarri, aber trotzdem kann der FCB nicht bis zum Saisonende warten, wenn es um Kollers Zukunft geht. Oder darauf hoffen, dass sein Vertrag sich im Fall des Titels automatisch verlängert, wie es heisst. Die Basler müssen sich fragen, welcher Trainer eigentlich zu ihnen passt - und mit welchem Team er im nächsten Jahr antreten soll.

Denn obwohl es sportlich keinen Grund gibt, die Mannschaft zu ändern, könnte das Team wichtige Säulen verlieren. Zum Beispiel Noah Okafor. Oder Eray Cömert. Oder Jonas Omlin. Schliesslich befindet sich der FCB in der unschön-schönen Situation, dass sich einige Spieler in der Europa League empfohlen haben. Und gleichzeitig ist der Verein auf Transfererlöse angewiesen.

Sportlich hat das rotblaue Konzept von Präsident Bernhard Burgener zuletzt wieder Formen angenommen. Finanziell ist das allerdings nicht der Fall. In seinen beiden Jahren als Präsident hat der FC Basel trotz einer Teilnahme an der Champions League und mehreren Transfers ein Drittel der Reserven von 60 Millionen Franken aufgebraucht. Und die Basler dürften auch im Geschäftsjahr 2019 und trotz Sparprogramm wieder Geld verlieren.

Die Personalkosten sind weiterhin hoch, und es hilft auch nicht, wenn man hochdekorierte Ausbildungschefs wie Percy van Lierop mit Dreijahresverträgen ausstattet, sie aber nie in ihrer Funktion arbeiten lässt. Die Mannschaft kostet viel Geld, die Situation entspannt sich erst dann ein bisschen, wenn im Sommer 2020 einige Verträge auslaufen. Mit Albian Ajeti hat man dieses Jahr zudem erst einen wirklich lukrativen Transfer getätigt, und die Einnahmen aus der Europa League allein reichen nicht, um die Probleme zu lösen.

Kommt noch hinzu, dass auch andere Einnahmen weiter zurückgegangen sind: Im Jahr 2019 kamen im Schnitt rund 2500 Zuschauer weniger pro FCB-Heimspiel als 2018. Und auch die verkauften Plätze in den Logen sind zurückgegangen. Die finanzielle Entwicklung des Vereins geht damit weiter nach unten, das Eigenkapital von 18 Millionen Franken dürfte weiter abnehmen, die finanzielle Lage sich weiter zuspitzen. Und damit stellen sich plötzlich ganz andere, ganz grundlegende Fragen über die künftige Ausrichtung.

Ende September hat David Degen zehn Prozent der FC Basel Holding AG übernommen, was viele Anhänger - und übrigens auch einige Mitarbeiter - irritiert hat. Was genau hinter der «strategischen Partnerschaft» steckt, weiss keiner so genau. Aber Degen hat sicher nicht geschätzte 1,5 Millionen Franken in vestiert, damit er im Stadion ans warme Buffet darf. Bei seiner Vorstellung liess er die Frage, ob er künftig noch weitere Anteile erwerben werde, seltsam unbeantwortet.

Es ist denkbar, dass Degen sein Engagement ausbaut, damit er irgendwann mitbestimmen kann beim FCB. Oder dass er, obwohl er seine Karriere ja längst beendet hat, bald mal wieder in ein Duell steigt. Nur dieses Mal nicht für den FC Basel, sondern um den FC Basel. Zumal auch die Gerüchte nicht abreissen, dass Burgener weiter nach Investoren suchen lässt oder gar über den Verkauf seiner Anteile nachdenken soll. Denn finanziell hat sich sein Engagement nicht so ent wickelt, wie sich das der Geschäftsmann vor knapp drei Jahren ausgemalt haben dürfte.

Und so hat es der FC Basel in diesem Jahr geschafft, dass sein Trainer und dessen Spieler sich im Grund doch zufrieden in die Ferien verabschieden können. Der Verein allerdings steht auch zwölf Monate seit dem letzten Jahreswechsel vor äusserst spannenden Monaten.

Tilman Pauls BaZ-Sportredaktor

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