Basler Zeitung vom 01.02.2020
Am Sonntag trägt Basel gegen den FC St. Gallen sein erstes Super-League-Heimspiel in diesem Jahr aus. Wegen einer Computerumstellung ist noch immer unklar, wie viele Saisonkarten der Club für 2020 abgesetzt hat.
Gut für den FC Basel, dass nicht mehr Dienstag ist. Als an jenem Mittag, fünf Tage vor dem ersten Heimspiel des Jahres gegen St. Gallen, eine Frau im FCB-Fanshop an der Schifflände Karten für den Spitzenkampf vom Sonntag (16 Uhr) beziehen möchte, wird sie auf später vertröstet. Das Ticketingsystem sei ausser Betrieb, es können keine Billette ausgestellt werden, heisst es. So bleibt der Kundin nichts anderes übrig, als ihren Ticket-Erwerb zu verschieben. Oder auf den Spielbesuch zu verzichten.
Immerhin: Wenige Stunden später meldet der FCB, dass per sofort wieder Eintritte erhältlich seien. Und auch die bereits gelösten Jahreskarten konnten in den letzten Tagen per Post rechtzeitig zugestellt werden. Stand gestern geht der Club von rund 28 000 Besuchern aus, die am Sonntag ins Joggeli kommen. Dies ist allerdings nichts mehr als eine Prognose, respektive eine rotblaue Ungewissheit.
Denn: Wie viele Einzelkarten tatsächlich abgesetzt worden sind, weiss der FCB zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ebenso fehlen konkrete Angaben zu den Jahreskarten. CEO Roland Heri sagt: «Der FCB hat mit dem Jahreswechsel seine IT-Systemlandschaft - zu der auch das Ticketing-System gehört - erneuert und umstrukturiert. Die alten Systeme wurden Ende Dezember komplett heruntergefahren, und die neuen Dienste werden Schritt für Schritt in Betrieb genommen.»
Weniger Zuschauer
Klar ist, dass Rotblau damit auf der Ertragsseite weniger einnehmen dürfte als bei einem reibungslosen Ticketing-Ablauf. Abzuwarten bleibt hingegen, inwiefern sich die Besucherfrequenz in der Brüglinger Ebene verändern wird. Fakt ist: Vor Jahresfrist fiel der FCB mit 19 467 verkauften Abonnements erstmals seit 2007 unter die 20 000er-Marke, seit dem Jahr 2014 gehen die FCB-Zuschauerzahlen stetig zurück.
Diese Tendenz zeigt sich auch im laufenden Championat. In den bisherigen neun Basler Heimspielen wies der Club im Schnitt 22 739 Fans aus. Um die Marke aus dem Vorjahr zu erreichen (24 259 Zuschauer), muss Rotblau in den nächsten Wochen auf den Rängen zulegen.
Dafür spricht, dass die sportliche Ausgangslage um einiges spannender ist als vor Jahresfrist. Der FCB spielt aktuell um die Meisterschaft; ein Umstand, der darauf schliessen lässt, dass in der zweiten Saisonhälfte Rotblau die Sitze gut füllen könnte. Vorausgesetzt, die Mannschaft hält Anschluss an die Spitze der Super League und die Rädchen der Technik greifen beim Ticketing einwandfrei ineinander.
Denn Vergangenes möchte der FC Basel mit seinem digitalen Arbeitsbereich nicht mehr erleben. Seit die IT-Änderungen Thema sind, hat Rotblau mehrmals mit folgenschweren Problemen zu kämpfen gehabt. Etwa damit, dass der Online-Fanshop und das Ticketing offline gingen sowie die Website Opfer einer Cyberattacke wurde. Damit geriet das Projekt mit Bayern München, der Basels neuer IT-Dienstleister ist, ins Stocken.
Oder anders gesagt: Es herrschte zeitweise ein Chaos, das so weit ging, dass Besucher gar ihre Matchtickets von Hand ausgestellt bekamen. Möglich, dass bei diesem Hacker-Angriff auch wichtige, nicht gesicherte Daten im digitalen FCB-Universum untergegangen sind.
Mehr volle Plätze
Dieses Chaos scheint den Verein noch immer zu begleiten. Auch vor dem Testspiel gegen den Zweit-Bundesligisten Hamburger SV vom 19. Januar gab es die Eintrittskarten erst wenige Tage vor dem Vergleich zu kaufen. Dies dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass nur 6489 Leute den Weg in den St.-Jakob-Park fanden. Deshalb erstaunt es nicht, dass der FCB mit diesem Freundschaftsspiel gegen einen namhaften Widersacher offenbar kein Geld verdienen konnte.
Gewiss werden am Sonntag mehr Zuschauer im Joggeli zugegen sein. Neu ist dabei, dass es keine neuen Fans mehr gibt, die im Sektor G - also auf der Galerie gegenüber der Haupttribüne - Inhaber einer Saisonkarte sind. Der FCB verkauft in diesem Bereich keine Abonnements mehr, um die darunterliegenden Sektoren mehr zu füllen. Wer ein Einzelticket kauft, kann aber nach wie vor auf der Galerie Platz nehmen und diejenigen, die dort bereits eine Jahreskarte hatten, konnten diese verlängern.
Das ist nicht die einzige Neuerung am Sonntag. Auf der Plattform hinter der Muttenzerkurve erfährt ein Projekt seine Ouvertüre, das seit April 2016 Gegenstand von Gesprächen ist. Nach den damaligen schweren Ausschreitungen im Anschluss an die Partie zwischen dem FCB und dem FC Zürich war die «Plattform-Bar» eines der Projekte, die in der Arbeitsgruppe «St. Jakob» thematisiert worden sind.
Rund vier Jahre später wird die Bar am Sonntag um 13 Uhr in der Begegnungszone hinter der Muttenzerkurve eröffnet. Ursprünglich hätte dort Anfang Februar 2017 das erste Bier gezapft werden sollen, doch verschiedene Auflagen verzögerten die Inbetriebnahme. Die Bar, die ausserhalb des eintrittspflichtigen Bereichs liegt, ist von nun an vor und nach den Heimspielen für alle zugänglich.
Bargeldloses Zahlen
Die letzte Neuerung am Sonntag betrifft schliesslich die Imbissstände im Innern des Stadions. An drei Theken kann die Konsumation mit modernsten bargeldlosen Zahlungsmitteln wie etwa Twint beglichen werden. In den nächsten Wochen sollen dann sämtliche Kassenstationen mit der neusten Technik ausgestattet werden.
Damit ist garantiert, dass jeder Kunde mit der grösstmöglichen Zahlungsflexibilität seine Wurst kaufen kann. Und nicht mit leeren Händen dasteht - wie jene Supporterin zuletzt am Dienstag im FCB-Fanshop.
Dominic Willimann