Presseschau

Basler Zeitung vom 01.02.2020

«Auch im Fussball-Geschäft kannst du einen eigenen Weg gehen»

Innenverteidiger Emil Bergström spricht über Buch-Empfehlungen, kulturelle Unterschiede und Stereotypen. Aber auch darüber, was er und der FCB künftig erreichen möchten.

Tilman Pauls

Für den FC Basel geht es im Spiel gegen St. Gallen darum, nicht den Anschluss an die Tabellenspitze der Super League zu verlieren. Es ist das zweite Spitzenspiel des FCB innerhalb von einer Woche. Und nach der Sperre von Omar Alderete könnte es am Sonntag auch der zweite Einsatz von Emil Bergström in Folge sein.

Im Gespräch mit der BaZ zeigt der 26-jährige Innenverteidiger aber, dass sein Horizont über den Fussballplatz hinausgeht.

Emil Bergström, welches Buch lesen Sie im Moment?

«Convenience Store Woman» von Sayaka Murata.

Worum geht es?

Um eine Japanerin, die in einem kleinen Lebensmittelladen arbeitet. Sie hat nicht viele Freunde, ihre Familie fragt sich, warum sie nichts Anständiges in ihrem Leben macht. Irgendetwas fehlt ihr, aber sie ist nicht bereit, die Arbeit aufzugeben. Es ist eine schräge Geschichte, aber ich mag so was.

Wie wählen Sie Ihre Bücher aus?

Am liebsten gehe ich in einen kleinen Buchladen und frage die Leute, was sie mir empfehlen können. In den Ferien war ich in Edinburgh und habe das Buch gesehen. Da stand «Ein völlig abgedrehter Roman», und die Verkäuferin hat es mir auch empfohlen. Also habe ich es gekauft.

Auf den Reisen mit dem FCB stechen Sie zwischen den meisten Reisenden heraus, wenn Sie mit einem Buch im Flugzeug sitzen.

Ich habe beschlossen, nicht mehr so viel Zeit am Bildschirm zu verbringen. Ich habe schon als Kind immer gerne gelesen. Ich finde es faszinierend, wenn man in seine eigene Welt abtauchen kann.

Das hört sich nach einem grossen Fantasy-Fan an.

Als ich jung war, habe ich viele Fantasy-Bücher gelesen. Inzwischen interessiere ich mich mehr für das richtige Leben und fremde Kulturen. Darum auch das Buch über den Alltag in Japan. Ich war im Sommer zum ersten Mal dort und war total fasziniert.

Als Fussballer haben Sie das Privileg, viele Kulturen kennen lernen zu dürfen.

Ich bin 26 und habe schon in Schweden, Russland, in Holland und in der Schweiz gelebt. Auf der Welt gibt es verschiedenste Lebensstile, die Lebensqualität unterscheidet sich von Ort zu Ort, und die Wertvorstellungen sind nicht überall auf dem Globus gleich. Wie du dein Leben lebst und was dir wichtig ist, hängt auch davon ab, wo du herkommst und in welchem Teil der Erde du aufgewachsen bist.

Welche Unterschiede sind Ihnen aufgefallen?

Schweden, Holland und die Schweiz unterscheiden sich nicht gross voneinander. Aber wenn Sie mal in Russland waren, dann wissen Sie, wie gross die Unterschiede sind. Die Menschen dort haben einen unglaublichen Stolz auf ihr Land, auf ihre Familie. Ihnen ist wichtig, wie sie wahrgenommen werden. Und was mich in Kasan sehr beeindruckt hat, ist das friedliche Zusammenleben verschiedener Religionen. Es gibt Christen, es gibt Muslime, aber es ist überhaupt kein Diskussionspunkt. Das ist ja leider nicht überall so auf der Welt.

Was haben Sie vor Ihrem Wechsel über Basel gelesen?

Ich habe schon zu meiner Zeit in Zürich gehört, dass Basel eine offene, künstlerische Stadt ist. Sei das im Bereich Musik, Theater, Architektur, Performance. Dieser Eindruck hat sich bestätigt. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen den Mut finden, vom konventionellen Weg abzuweichen und sich zu verwirklichen. Das ist nicht überall möglich. Man muss sich in seiner Umgebung sicher fühlen, um von dem Weg, den die meisten gehen, abzubiegen. Diese Vielfalt gefällt mir.

Sie weichen zum Beispiel in Sachen Kleidung von dem Weg der meisten Fussballer ab.

Ja, viele Fussballer ziehen sich ähnlich an. Ich bevorzuge einen anderen Stil, ich weiche da sicher ein wenig von der Masse ab. Aber das bin ich, so ziehe ich mich gerne an. So drücke ich mich aus.

Ist es in diesem Geschäft schwierig, vom vorgegebenen Weg abzuweichen?

In der Fussballwelt gibt es viele Dinge, die du nicht beeinflussen kannst. Den Kalender, die Ernährung, die Erholung, die Vorbereitung. Diese Struktur kann und will ich vor allem auch nicht ändern. Ich achte aber darauf, dass ich mich in diesem Umfeld so ausdrücke, wie es mir entspricht.

War das schon immer so?

Mit der Lebenserfahrung und deiner eigenen Persönlichkeit wächst du in die Person, die du selber sein willst. Mit 15 oder 16 wusste ich noch nicht, wer ich sein möchte. Deine Familie, die Freunde und die Personen um dich herum beeinflussen dich. In der Schule war es doch auch nicht anders: Ich wollte die Schuhe haben, die meine Freunde hatten. Aber auch im Fussball-Geschäft kannst du einen eigenen Weg gehen. Du musst nur deinen eigenen Werten vertrauen.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?

(Überlegt) Ehrlichkeit. Respekt vor jedem Menschen. Meine Familie. Und wie gesagt: Für mich ist es wichtig, meinen eigenen Weg zu gehen.

Reden wir über Ihren fussballerischen Weg. Hatten Sie sich Ihre Karriere so vorgestellt, als Sie Schweden verlassen haben?

Als es bei mir mit dem Profifussball ernst wurde, hatte ich ein Ziel: die beste Version von mir selber zu finden. Ich hatte nie die Vorgabe, für diesen Club zu spielen, dann für jenen, und 2020 spiele ich in dieser Liga und danach in jener. Mein Plan ist, jeden Tag hart an mir zu arbeiten.

Sie haben in den letzten vier Jahren für fünf Vereine gespielt. Fehlt Ihnen das nicht, über einen längeren Zeitraum bei einem Club zu sein?

Das ist ein Ziel. Ich würde mit einem Club gerne etwas gewinnen und eine Art Ära aufbauen. Bisher hatte ich viele Stationen. Aber mein Weg könnte auch sein, dass ich die nächsten fünf Jahre in Basel bleibe. Meine Zukunft ist nicht geschrieben.

Liegt der Übernahme-Vertrag also schon auf dem Tisch?

Im Moment fokussiere ich mich auf meine Arbeit und versuche, dem Team in unserer Situation so gut wie möglich zu helfen.

Elegante Lösung, die Frage zu umgehen. Haben Sie mit dem Club schon über Ihre Zukunft gesprochen?

(Lächelt) Nein, es haben noch keine Gespräche stattgefunden.

Ihre persönliche Statistik für den FCB ist bisher eher negativ: Der FCB hat nur zwei von acht Spielen gewonnen, wenn Sie auf dem Platz standen.

Ich wusste, dass die Bilanz nicht positiv ist. Aber so genau hätte ich Ihnen das nicht sagen können.

Was sagt Ihnen diese Zahl?

Es macht mich nicht glücklich, das können Sie sich ja vorstellen. Aber was soll ich mich mit den Zahlen aufhalten? Ich kann es nicht mehr ändern. Ich kann nur versuchen, dass es besser wird und ich mich meiner Bestform nähere.

Wie weit sind Sie entfernt?

Im Moment bin ich vielleicht bei 50 Prozent auf dem Weg zum besten Emil Bergström. Mit 20 Jahren war ich hier (hält eine Hand auf Tisch-Höhe). Ich war der, der hinten seine Duelle gewonnen und den einfachen Pass nach vorne gespielt hat. Inzwischen bin ich hier (hält eine Hand auf Kopf-Höhe). Ich schaue, wie ich den Ball nach vorne bringen kann. Das übe ich oft nach dem Training, nehme mir 20 Bälle. Wenn ich das jeden Tag mache, sollte es besser werden, oder?

Klingt einleuchtend.

Mit 40 will ich zurückschauen und sagen, dass ich alles versucht habe und nicht mehr hätte tun können, um mich zu verbessern. Aber ja, um hier hin zu kommen (hält seine Hand über den Kopf) würde ich gerne entscheidende Pässe schlagen, welche meinen Mitspielern eine Torchance eröffnen. Zudem wäre es schön, wenn ich auch einige Assists verzeichnen könnte. Wenn ich das hinbekomme, dann bin ich der Spieler, der ich gerne sein will.

Wie haben Sie in den letzten sechs Monaten gelernt?

(Überlegt) Ich bin zum ersten Mal in der Situation, dass ich mit meinem Team in dieser Phase der Saison in drei Wettbewerben dabei bin. Wir haben gute Chancen, Meister zu werden. Wir haben die Chance, in der Europa League weit zu kommen. Wir sind im Cup dabei. Das ist eine tolle Aufgabe, aber für mich etwa Neues. Und ich bin zum ersten Mal bei einem Club, der in jeder Phase der Partie aggressiv spielen will. Du musst immer bereit sein, auch wenn der Ball am anderen Ende des Platzes ist. Ich denke die ganze Zeit, wie ich mich in die Offensive einbringen kann.

Woran liegt es denn? Daran, dass Sie nicht jedes Wochenende spielen, und wenn, dann neben wechselnden Partnern?

Jeder fühlt sich sicherer, wenn er regelmässig mit dem gleichen Partner spielt. Das sieht man bei Eray und Omar, sie kennen sich, ihre Mitspieler kennen sie. Aber wir spielen im Training ständig miteinander. Ich weiss, wie sie sich verhalten, und ich glaube, sie wissen auch, wie ich mich verhalte. Wir kennen uns und sind eine Einheit. Ich glaube nicht, dass das ein Problem ist.

Verzeihen Sie die Frage, aber mit 26 Jahren sind Sie gewissermassen der Grossvater der Innenverteidigung. Waren Sie schon mal in so einer Situation?

Der Älteste war ich nie, aber für mich macht das keinen Unterschied. Ich fühle mich auch nicht als Grossvater der anderen. Ich fühle mich wie 20. Von meiner Person bin ich ein Leader und übernehme Verantwortung.

Wie macht man das, wenn man meistens auf der Bank sitzt?

Natürlich ist es einfacher, wenn man auch auf dem Platz vorneweg gehen kann. Aber ich kann meine Mitspieler auch besser machen, wenn ich im Training zeige, dass ich bereit bin. Wenn alle sehen, dass ich alles gebe. Und ich sage meine Meinung.

Was sagen Sie zum 0:2 in Bern?

Wir sind nach Bern gefahren, um zu gewinnen. Wir waren fokussiert, hatten ein gutes Warm-up. Und dann haben wir einen Auftritt gezeigt, mit dem auch wir selber nicht zufrieden waren.

Die Niederlage ist das eine, die Einstellung das andere. Wie erklären Sie sich das?

Wir haben nicht das gezeigt, was wir zeigen können. Nach dem Spiel in der Kabine waren manche Spieler sauer, andere ratlos. Es war nicht gut, das wissen wir. Aber wir müssen jetzt nach vorne schauen. So abgedroschen das klingt. Aber es wäre noch viel schlimmer, wenn wir jetzt in eine Negativspirale geraten.

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