Presseschau

Basler Zeitung vom 17.02.2020

Sich mit dem FC Basel freuen? Schwierig

Tschans Panoptikum

«Gell, man hat irgendwie gar keine richtige Freude mehr, wenn sie gewinnen», sagte am Montag nach dem souveränen 4:0-Sieg des FCB gegen den FC Zürich ein Freund zu mir. «Ja», antwortete ich, «es ist leider schon lange so.» - «Seit der Burgener Präsident ist, oder?», fügte der Freund an. «Nicht ganz, aber fast so lange», seufzte ich.

Es ist, als wäre einem ein Stück der eigenen Identität abhandengekommen, wenn man sich mit dem eigenen Club nicht mehr richtig freuen kann, in dessen Farben das Herz bei der Geburt eingetaucht wurde. Ja, wenn man sich sogar mit dem Gegner freut, «Goal» schreit, juchzt, wenn die St. Galler in allerletzter Minute noch den verdienten Siegestreffer schiessen. Man wünscht Niederlagen geradezu herbei, in der Hoffnung, dass sie die Entschlussfindung der Führungsriege beschleunigen, die Geschicke des FC Basel endlich in andere Hände zu legen.

Es war ein Bild zum Fremdschämen, ein Bild, das einen an die grauen Tage erinnerte, als versteinerte alte Männer Truppenparaden von der Kremlmauer herab abnahmen. Der einzige Unterschied: Sie sassen, mussten nicht stehen, stundenlang, Wind und Wetter trotzend, wie damals der alte Breschnew und seine Abnicker. In Mäntel gehüllt, die dem Ausstattungsfundus des KGB entstammen konnten, sass es da, das Zentralkomitee des FC Basel, auf der Tribüne des Stade de Suisse, für einen kurzen Moment eingefangen von den Kameras des Schweizer Fernsehens. Der Bernhard Burgener, Präsident und General sekretär, der Karli Odermatt, wahrscheinlich Aussen- und Kommunikationsminister sowie Vorsitzender des Historienausschusses, der Roland Heri, Mann für die Fünfjahrespläne, und Peter von Büren, Politbüromitglied, wahrscheinlich ohne Geschäftsbereich.

Genau in dem Moment, in dem die Kamera auf dieses Plenum gerichtet war, schlug der Odermatt dem Bur gener aufgeräumt auf den Oberschenkel, als wolle er sagen, siehst du, den Koller, den werden wir sehr bald los, ich bereite das mal im Telebasel vor, während der Heri schaute, als ob er bereits rechnete, woher er die Batzen für einen neuen Trainer hernehmen sollte, da ihm doch der Burgener Batzen für Batzen wegnimmt, derweil der von Büren tief an seinem Rössli-Stumpen zog, die halbe Tribüne in Rauch hüllte, sodass der Stadion sprecher abermals auf das Verbot des Abfackelns von Rauchpetarden hinwies.

Da sitzt man dann da, vor dem Fernseher, denkt, die ganze Schweiz sieht das jetzt, diese grauen Männer. Und die ganze Schweiz denkt jetzt: Das ist Basel! Und man möchte der ganzen Schweiz zurufen: Nein, das ist nicht Basel, das ist ein Zentralkomitee, das sich im Besitze eines Fussballclubs wähnt, obwohl man einen Fussballclub wie den FC Basel nie besitzen kann.

Und man fragt sich, ob sich der Zentralsekretär, dieser unscheinbare Mann, der sein erstes Geld mit einem Videoverleih und der Ein-Franken-Strafe für nicht zurückgespulte Videokassetten gemacht hat, wie dieser Rückspul-Burgener, der sicher ein hervorragender Geschäftsmann ist und zu dessen Geschäftsstrategie wohl gehört, dass man ihn notorisch unterschätzt, ob sich dieser Präsident des einst erfolgreichsten und modernsten Fussballclubs der Schweiz bewusst ist, dass er auch eine ganze Region repräsentiert?

Eine Region, die stolz auf ihren Club war, die stolz auf ihr Aushängeschild war, die stolz feststellte, dass jeder Taxifahrer in Europa wusste, was Basel ist, da man in der Champions League regelmässig ganz grosse Namen besiegte. Eine Region, die sich jetzt aber mehr und mehr die Augen reibt, mehr und mehr den eigenen Ohren nicht mehr traut, ob all der Wendungen dieser Opera buffa, die das Zentralkomitee regelmässig und in wechselnden Besetzungen aufführt. Eine Region, die Jahreskarte um Jahreskarte zurückgibt, weil sie sich mit den alten grauen Männern nicht mehr identifizieren kann. Eine Region, die sich fragt, was diese farblosen Politbüro-Mitglieder mit diesem Club im Schilde führen und wo eigentlich das ganze Geld hingekommen ist, welches ihre Vorgänger unter anderem mit der Champions League und geballter Fussballkompetenz erarbeitet haben.

Da kann man sich nicht mehr richtig freuen, wenn der FCB gewinnt. Da hofft man, dass jede Niederlage den Läuterungsprozess innerhalb des Zentralkomitees beschleunigt, endlich Aktien und Macht abzugeben. Damit man sich wieder über seinen Fussballclub mit rotblau pulsierendem Herzen freuen kann und nicht beschämt wegsehen muss, wenn das Schweizer Fernsehen seine Kameras auf die Tribüne und den Vorstand des FC Basel richtet.

Patrick Tschan Schriftsteller, lebt mit Basel

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