Presseschau

Basler Zeitung vom 17.02.2020

Eine Trennung von Marcel Koller ist unvermeidbar

Kommentar

Auch wenn die Konkurrenz ebenfalls verliert: Nach der Heimniederlage gegen Thun schwindet beim FC Basel die Hoffnung auf den Meistertitel zusehends. Der FCB braucht Aufbruchstimmung - die Besetzung des Trainerpostens ist ein Schlüssel dazu.

Er ist bleich. Sein Blick ist leer. Das Elend der ganzen rotblauen Welt scheint auf seinen Schultern zu lasten. Der FC Basel hat wieder verloren. 0:1 gegen den FC Thun. Im eigenen Stadion, gegen den Letzten der Tabelle. Gegen eine Mannschaft, die zuvor zehn Jahre lang nicht mehr im St.-Jakob-Park hat gewinnen können. Also geht es Simon Walter schlecht. Er ist Medienchef des FC Basel. Er identifiziert sich mit seinem Arbeitgeber. Und als er ins Mikrofon spricht, um die obligate Pressekonferenz nach der Partie zu eröffnen, so glaubt man ein leises Zittern in seiner Stimme zu hören.

Marcel Koller lässt dieses Zittern nicht erkennen. Er sitzt so da, wie er in all den Wochen zuvor auch dagesessen ist, ob Sieg oder Niederlage. Professionell erklärt er seine Sicht der Dinge. Spricht von der Präzision auf den letzten Metern, die seiner Mannschaft an diesem Abend für ein besseres Ende gefehlt habe. Davon, dass der Thuner Sieg auch ein bisschen glückhaft zustande gekommen war. Und stellt mit Blick auf das Meisterrennen fest: «Es wird nun noch schwieriger. Aber theoretisch ist es immer noch möglich - wir müssen jetzt einfach praktisch beweisen, dass das geht.»

Theoretisch ist es möglich, dass sich auch Marcel Koller mit seinem Arbeitgeber identifiziert. Oder zumindest mit dem Projekt, das er in leitender Funktion begleitet. Den praktischen Beweis dafür hat er aber auch nach eineinhalb Jahren noch nicht erbracht. Seine Stärke ist dabei zugleich seine Schwäche: Sosehr er nichts an sich herankommen lässt und in einer verlässlich-überschaubaren Bandbreite an Ideen und Emotionen seinen Weg verfolgt, so wenig wird dadurch ein Feuer entfacht, das lodert, um sich greift und von anhaltender Wirkung ist.

Im vergangenen Sommer, als er kurzzeitig freigestellt war, um dann doch Trainer zu bleiben, da waren diese Wesenszüge ein grosses Plus. Denn es brannte bereits im FCB und es ging darum, dieses Feuer möglichst schnell zu ersticken. Die zwischenzeitliche Ruhe gab genug Kraft, um mit einem personell arg reduzierten BSC Young Boys ein halbes Jahr lang mitzuhalten, diesen dabei sogar überzeugend zu Hause mit 3:0 zu schlagen.

Vier Rückrunden-Spiele später ist das weit weg. Und drückt wieder die Nachhaltigkeit der vergangenen Entscheide auf oberster Führungsebene durch, die zwischenzeitlich von den Sofortmassnahmen kaschiert worden war. Da sind etwa die Zuschauerzahlen, die trotz der guten Hinrunde keinen wirklichen Aufschwung erfuhren und im 2020 bei einem neuerlichen leichten Rückgang der Jahreskarten auf ein ungewohnt tiefes Mass gesunken sind: Im Spitzenkampf gegen St. Gallen vermeldete der FCB 20527 verkaufte Plätze, gegen Thun waren es 20675. Da ist zum Beispiel der Transfer von Noah Okafor zu Red Bull Salzburg, der nicht nur dessen Unzufriedenheit mit dem Trainer, sondern auch der finanziell angespannten Situation und den damit verbundenen Bemühungen geschuldet war. Und da ist vor allem anderen der Fussball, den der FC Basel spielt.

Dieser hat zu einer jüngsten Bilanz geführt, wie sie Rotblau zuletzt unter Guy Mathez in der Saison 1997/98 aufwies: zwei verlorene Liga-Heimspiele in Serie und vier Niederlagen aus fünf Meisterschaftsspielen. Auf die zwischenzeitlichen Absenzen diverser Stammspieler lässt sich diese nicht mehr schieben: In den vergangenen zwei Partien konnte Marcel Koller personell nahezu aus dem Vollen schöpfen. Was dabei unter dem Strich herauskam, war weder Fisch noch Vogel: ein starkes 4:0 im Klassiker gegen den FCZ und ein frustrierendes 0:1 zu Hause gegen Thun.

Oft ist im Fussball von der Handschrift eines Trainers die Rede. Damit sind meistens taktische Dinge gemeint. Der FC Basel zeigt diese Handschrift durchaus, indem er defensive Solidität aufweist und im Spiel mit dem Ball nicht eben revolutionär daherkommt. Vor allem aber scheint die Mannschaft Marcel Kollers Mentalität zu spiegeln, der noch am Freitag zum Thema Leistungsschwankungen bezeichnenderweise antwortete: «Sie schreiben ja auch mal besser oder schlechter. Egal, in welchem Beruf: Jeder kennt bessere oder schlechtere Tage.» Club-Angestellte, die sie letztlich sind, verrichten die FCB-Spieler Runde für Runde ihre Arbeit. Mal besser. Mal schlechter. Aber nur in seltenen Fällen leidenschaftlich. Meistens dann, wenn es allen zu beweisen gilt, dass man als Spieler besser ist, als von aussen behauptet wird. Oder im Europacup. Dort also, wo man sich für andere Clubs empfehlen kann.

Man kann dies als Hinweis darauf deuten, dass das Problem tiefer liegt als nur bei der Besetzung des Trainerpostens. Dass es auch um die Identifikation der Spieler mit dem Club und dem Projekt schlecht bestellt ist. Dass nach zweieinhalb Jahren mit Bernhard Burgener als Präsident, all den Entwicklungen und Verzögerungen, all der Heterogenität in der Führung bei den Kickern der Glaube fehlt, dass da etwas wirklich Gutes heranwächst.

Es widerspräche sämtlichen bisherigen Handlungen dieser Führung, würde sie auf die ungewohnt schlechten jüngsten Resultate in Form eines sofortigen Trainerwechsels reagieren. Und es wäre auch nicht der richtige Zeitpunkt, will man den unmittelbaren sportlichen Erfolg nicht gefährden: Bereits am Mittwoch fliegt der FCB nach Zypern, um gegen Apoel Nikosia das Hinspiel in den Sechzehntelfinals der Europa League zu bestreiten. Es ist davon auszugehen, dass die Mannschaft dies mit sehr viel Eigenmotivation tun wird.

Das bedeutet jedoch nicht, dass man in der Clubführung untätig bleiben soll. Es gilt, finale Gespräche zu führen. Und es gilt - unabhängig davon, wie die Resultate bis dahin sind - spätestens nach der Schweizer-Cup-Woche Anfang März nach innen und aussen zu kommunizieren. Und zwar dahingehend, dass man sich von Marcel Koller trennt. Bei normalem Verlauf nach dieser Saison - oder vorzeitig, bei anhaltender Resultatkrise und der Sorge um die sportlichen Minimalziele.

Es geht dabei nicht primär um die Frage, ob Koller ein guter oder weniger guter Trainer ist. Sondern darum, was diese Mannschaft und dieser Club so rasch als möglich benötigen. Die Antwort lautet: Aufbruchstimmung und Optimismus.

Mit einem Trainerwechsel allein werden diese kaum verbreitet. Dass sie jedoch mit Marcel Koller an der Seitenlinie erzeugt werden können, erscheint inzwischen unrealistisch. Das zeigen nicht nur die jüngsten Resultate, sondern auch die Begleiterscheinungen über die vergangenen Monate. Und diese kann sich der FC Basel nicht leisten. Es gilt, eine Zukunft zu planen, die nachhaltigen Fortschritt, statt immer wiederkehrendes Treten an Ort, bedeutet. Mit der entsprechenden, rechtzeitigen Kommunikation in der Trainerfrage schafft man sich Raum und Zeit für die nächsten Schritte.

Der gern zitierte Lame-Duck-Effekt muss deswegen keineswegs eintreten. Genauso gut kann dies auch befreiend wirken und sich positiv auf die kurzfristigen sportlichen Resultate auswirken. Der SC Bern ist so mit Kent Ruhnke schon Meister geworden. Der FCB selbst hat so mit Urs Fischer im Cup gegen den Mythos Sion das Double komplettiert. Und es würde nicht zu Marcel Koller passen, würde er nicht bis zum letzten Abpfiff professionell und akribisch seine Arbeit machen.

Oliver Gut
Leiter BaZ-Sportressort

Zurück