Presseschau

Basler Zeitung vom 07.03.2020

Der Blick in die Glaskugel

Ein Fussballverein wie der FCB versichert sich gegen zahlreiche Risiken. Gegen die Ausfälle, die dem Verein nun durch Geisterspiele in Folge des Coronavirus drohen, sind die Basler allerdings nicht geschützt.

Tilman Pauls und Oliver Gut

Als der FC Basel im Herbst 2018 sein Versicherungsportfolio überarbeitete, da konnte natürlich niemand damit rechnen, dass im Jahr 2020 ein Virus namens Corona den Fussball in der Schweiz lahmlegen würde. Und selbst als man damals diskutierte, ob man nicht doch eine Epidemie-Versicherung abschliessen solle, nur für den Fall der Fälle, war man sich relativ bald einig: Nein, das lohnt sich für den Verein nicht, da die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs so klein ist und in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Kosten steht.

Jetzt, anderthalb Jahre später, sitzt Mirko Brudermann, der Direktor Finanzen, HR und IT, in einem kleinen Sitzungszimmer der Geschäftsstelle und kommt direkt auf den Punkt: «Die Lage ist bekannt: Der Bundesrat hat, gestützt auf das Epidemie-Gesetz, eine besondere Lage ausgerufen. Schäden infolge von Fällen, in denen eine zuständige Behörde aufgrund gesetzlicher Bestimmungen entsprechende Verordnungen erlässt, sind beim FC Basel nicht versichert. Dazu gehören auch finanzielle Ausfälle bei möglichen Geisterspielen.»

Das heisst: Den Baslern werden die Kosten nicht erstattet, die ihnen entgehen, wenn nach einer realistischen Verlängerung des Versammlungsverbots künftig Spiele ohne Zuschauer stattfinden sollten. Und die Kosten sind alles andere als unbedeutend.

Die Eventualitäten

Umgerechnet auf ein Heimspiel in der Super League nimmt der FCB nur durch seine verkauften Jahreskarten und Einzeltickets rund eine Million Franken ein. Dazu kommen die Verkäufe im Fanshop sowie die Konsumationen der Zuschauer, die zwischen dem FCB und den Subunternehmern Wassermann sowie dem FC Concordia verteilt werden. Diese Zusatzeinnahmen könnten dem Verein im durchaus realistischen Fall von Geisterspielen nun entgehen. Woche für Woche.

Kommt noch hinzu, dass der Club in einem gewissen Rahmen wohl auch jenen Fans entgegenkommen will, die eine Jahreskarte oder bereits Einzeltickets gekauft haben. Obwohl er dazu nicht verpflichtet ist. In den AGB steht ganz klar, dass bei einem Geisterspiel «grundsätzlich kein Anspruch auf Rückgabe oder Umtausch des Tickets, eine Reduktion bzw. Rückerstattung des Ticketpreises oder auf anderweitige Kompensation» bestehe.

Aber offensichtlich und völlig logisch ist auch, dass die Basler keine Schuld an der aktuellen Situation trifft. Mirko Brudermann sagt: «Sollte dieser Fall tatsächlich eintreffen, werden wir die Situation intern analysieren. Ob und wie viele Geisterspiele es geben wird, ist zum heutigen Zeitpunkt reine Spekulation.»

Aber war es vielleicht ein Fehler, dass man 2018 nicht intensiv in die Glaskugel geblickt und darum nicht für den Epidemie-Fall vorgesorgt hat? «Nein», sagt der 39-Jährige, «in Bezug auf das Coronavirus gilt es festzuhalten, dass selbst bei einer bestehenden Epidemie-Versicherung nicht alle darauf zurückführenden Ereignisse versichert wären.» Die Basler hätten also unter Umständen auch mit einer entsprechenden Vorsorge gegen eine Epidemie im aktuellen Fall auf die Zahlung der Versicherung verzichten müssen.

«Basierend auf dem Kosten- und Nutzenprinzip macht es aus betrieblichen Überlegungen keinen Sinn, sich gegen alle Eventualitäten versichern zu lassen. Mit unserer Risiko- und Versicherungspolitik erreichen wir ein hohes Mass an Sicherheit», sagt Brudermann, «der FCB hat ein umfangreiches Versicherungsportfolio, das auf unsere Risiken als Fussballclub ausgerichtet ist. Wir sind sehr gut aufgestellt.»

Im Fussball liegt es in der Natur der Sache, dass man an dieser Stelle gerne fragen würde: Wie gut ist der FCB im Vergleich zu anderen Vereinen aufgestellt? Besser als YB? Und wo steht der Club eigentlich im europäischen Ranking? Aber der Versicherungsbereich funktioniert wenig überraschend etwas anders der Sport auf dem Rasen.

Jeder Verein ist anders ausgerüstet, was seine Versicherungen angeht. Brudermann sagt: «Eine Risiko- und Versicherungspolitik ist spezifisch auf ein Unternehmen und seine Geschäftsrisiken ausgerichtet.» Dementsprechend hat der FC Basel sich 2018 auch ein Portfolio nach seinen eigenen Anforderungen zusammengestellt.

Der Stromausfall

Vereinfacht gesagt, wurden damals alle Szenarien in drei verschiedene Kategorien eingeteilt, die sich an der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schadenshöhe orientieren. Bagatelle-Risiken werden dabei kaum versichert, weil die Schadenshöhe zu gering ist. Dann gibt es einen mittleren Bereich, in dem Schäden entstehen können, die das Unternehmen aber nicht in seiner Existenz bedrohen und darum nur zum Teil abgedeckt werden. Und es gibt die Fälle von höchster Priorität, bei denen der Fortbestand des Clubs auf dem Spiel stünde. In der Regel dann, wenn ein Schaden die Grenze von 100000 Franken übersteigt.

Es gibt unzählige Situationen, gegen die sich ein Fussballclub absichern will und muss. Neben den obligatorischen Versicherungen wie Unfall und Krankentagegeld ist der FCB im Rahmen seiner Haftpflichtversicherung auch gegen Fälle von Terrorismus und Fangewalt geschützt. Gegen Unfälle bei Dienstfahrten aller Mitarbeitenden gibt es eine Versicherung, also auch für den Fall, wenn auf dem Weg zum Auswärtsspiel etwas mit dem Mannschaftsbus passiert. Und selbst wenn sich ein Zuschauer im Fanshop oder in der Geschäftsstelle verletzt, ist der Club dank einer Besucher- und Gästeversicherung vorbereitet.

Vor anderthalb Jahren haben die Basler zudem eine Versicherung gegen Cyberattacken abgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit sowie die Schadenshöhe bei einem solchen Angriff waren damals noch geringer als heute, entsprechend zahlte der Verein eine vergleichsweise niedrige Prämie. Und er profitierte bereits von dieser Entscheidung: Im November wurde man Opfer einer Attacke. Doch dank der Vorsorge wurden innerhalb von zwei Monaten alle Kosten für Aufklärung und Reparatur sowie ein Teil des Umsatzausfalles gezahlt.

Der Verein hat auch das Risiko «Betriebsunterbrechung ohne Sachschaden» versichert. Also für den Fall, dass ein Spiel im St.-Jakob-Park nicht stattfinden kann, selbst wenn keine äusseren Schäden entstanden sind. Zum Beispiel dann, wenn es im Vorfeld der Partie eine Drohung geben sollte und die Begegnung kurzfristig abgesagt werden muss. Dann wird von Fall zu Fall mit dem Versicherer über die Leistungen diskutiert.

Wie aufwendig entsprechende Verhandlungen mit der Versicherung sein können, das zeigte sich im Anschluss an den Stromausfall im März 2018. Zwar war der FCB als Stadionmieter dort nicht direkt betroffen, sondern die Versicherung des Stadioninhabers. Aber es dauerte aufgrund von mehreren involvierten Parteien rund anderthalb Jahre, bis die Versicherung den entsprechenden Betrag auszahlte.

Auch aus diesem Grund arbeitet der FCB seit 2018 mit einem Versicherungsbroker zusammen. «Der Broker verhandelt in unserem Namen mit der Versicherung, was den Vorteil hat, dass er das als Experte auf Augenhöhe mit der Versicherung tun kann», erklärt Brudermann. Der grösste Teil der Club-Versicherungen läuft über die Basler Versicherungen. Insgesamt haben die Basler drei Versicherer, die sich auch um das höchste Gut eines Fussballvereins kümmern, nämlich um die Spieler.

Der schlimmste Fall

Neben der obligatorischen Unfallversicherung hat der FCB noch eine Zusatzunfallversicherung abgeschlossen, womit der Club den maximal versicherten Lohn von 148200 Franken etwas anheben kann. Und selbst für den schlimmsten Fall ist vorgesorgt. Sollte ein Spieler durch einen Unfall oder eine Krankheit nicht mehr fähig sein, Fussball zu spielen, oder sogar tödlich verunglücken, gibt es eine Sportunfähigkeitsversicherung.

«Wir haben gewisse Spieler in unserem Kader, die eine solche Versicherung haben», sagt Brudermann. Die Höhe der jeweiligen Versicherung orientiert sich dabei am Marktwert der Spieler. Und man kann sich ja ausmalen, dass ein Verein in erster Linie diejenigen Spieler versichern dürfte, bei denen er sich eines Tages einen lukrativen Transfer ausrechnet.

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