Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 25.03.2020

«Unsere Planung ist gestoppt»

Interview: Jakob Weber

FCB-Sportdirektor Ruedi Zbinden spricht über die Coronamassnahmen des FCB, über die Folgen der Krise für den Verein und Kurzarbeit.

Ruedi Zbinden hätte nicht gedacht, dass ihn in seinem ersten Jahr als FCB-Sportdirektor ein Virus am meisten beschäftigt. Dem Bundesrat attestiert Zbinden eine «sehr gute Arbeit». Der 60-Jährige nutzt das Telefoninterview mit der bz auch, um den Lesern die aus seiner Sicht wichtigste Botschaft mitzugeben: «Bleibt zu Hause, haltet Abstand. Ob jung oder alt: Es muss sich jeder daran halten.» Vorher nimmt sich Zbinden 45 Minuten Zeit, um zu erzählen, wie er und der FCB mit der Coronakrise umgehen.

Ruedi Zbinden, wie geht es Ihnen?

Ruedi Zbinden: Mir geht es gut. Seit der Rückkehr aus Frankfurt bin ich zu Hause. Ich wollte selber herausfinden, ob ich wirklich nichts habe. Denn auf der Reise war ich mit vielen Leuten in Kontakt. Bis jetzt habe ich zum Glück keinerlei Beschwerden.

Sehen Sie sich mit Ihren 60 Jahren als Risikopatient?

Ab einem gewissen Alter musst du schon aufpassen. Aber ich bin ja gesund und nehme auch keine Medikamente. Ich bin noch sportlich, trainiere jeden Tag und habe einen gewissen Fitnessstand. Deswegen habe ich nicht gerade Angst, aber es wäre schon besser, wenn ich das Virus nicht bekomme.

Sind Sie darum in die selbstauferlegte Quarantäne?

Genau. Ich bin höchstens zum Sportmachen oder zum Einkaufen draussen, war aber nicht mehr in der Nähe von anderen Menschen. Ich hatte keine Sitzungen mehr und bleibe grösstenteils einfach daheim.

Wie arbeiten Sie unter diesen Umständen?

Nachdem wir in Absprache mit dem Staff zunächst alles für die Spieler organisiert haben, kümmere ich mich jetzt vermehrt um das Scouting. Damit war ich ein bisschen in Rückstand. Jetzt habe ich Zeit.

Haben Sie durch die Coronakrise mehr oder weniger Arbeit als sonst?

Es ist schon ruhiger. Die Stadionbesuche und die Sitzungen mit Agenten, eigenen Spielern und dem Trainer fallen weg. Mit Marcel Koller bin ich jeden zweiten Tag telefonisch im Austausch. Ihm geht es auch gut.

Wie geht es den Spielern?

Auch ihnen geht es allen gut. Sie haben ein Trainingsprogramm und klare Anweisungen bekommen. Sie dürfen zum Glück noch an die frische Luft, um für sich zu trainieren. Aber es ist auch ganz klar, dass sie nicht mehr reisen dürfen, schon gar nicht ins Ausland. Der Sprachunterricht unserer ausländischen Spieler findet über Skype statt. Sie sollen die viele Zeit jetzt nutzen, um Deutsch und Englisch zu lernen.

Wie ist der Austausch mit dem Team?

Den gibt es täglich. Die Spieler müssen sich jeden Tag per Whatsapp melden und sagen, wie sie sich fühlen. Sollte einem unwohl sein, muss er sofort Teamarzt Felix Marti anrufen.

Beim letzten Gegner Eintracht Frankfurt gibt es mittlerweile zwei positive Coronafälle.

Ja, da sind wir natürlich auch etwas erschrocken, standen aber die ganze Zeit über mit Frankfurt in Kontakt. Einer der beiden Spieler stand gegen uns auf dem Platz, der andere war nicht im Kader. Trotzdem haben wir unsere Spieler daraufhin angewiesen, zu Hause zu bleiben und die eigene Gesundheit zu beobachten.

Einen Coronatest gab es beim FCB aber nicht.

Nein. In der Schweiz werden ja nur Tests gemacht, wenn es auch Symptome gibt. Das war und ist bei uns nicht der Fall.

Eigentlich wäre die aktuelle Zeit auch wichtig, um sich um auslaufende Verträge zu kümmern. Wie störend ist da die Pause?

Im Moment ist alles etwas unsicher. Es gibt Meinungen, die besagen, es könne erst im Jahr 2021 wieder gespielt werden. Jeder erzählt etwas anderes. Das stört mich, denn niemand weiss, wie es wirklich weitergeht. Unsere gesamte Planung ist dadurch aber gestoppt. Das kann man schon so sagen. Wir warten ab und schauen täglich, wie sich das Ganze entwickelt und hoffen einfach, dass wir als Gesellschaft alle gemeinsam diese Krise bestmöglich meistern.

Es gibt beim FCB einige Verträge, die Ende Juni auslaufen. Müsste da nicht bald eine Entscheidung her?

Ich bin mit den Spielern in Kontakt. Aber wir haben keinen Druck und warten ab.

Die wichtigste Personalie ist der Trainer. Konnten Sie da gemeinsam mit Marcel Koller und Bernhard Burgener zusammensitzen?

Auch das muss in der aktuellen Situation warten. Wir wollen grundsätzlich alle schnellstmöglich zurück auf den Platz. Es wäre toll für alle Menschen, wenn sich die ganze gesundheitliche Situation so erholen würde, dass die Meisterschaft, der Schweizer Cup und auch der internationale Wettbewerb noch irgendwie zu Ende gespielt werden könnten. Sobald wieder Fussball gespielt werden kann, werden wir auch die verschiedenen vertraglichen Situationen anschauen.

Sie können die Trainerfrage erst beantworten, wenn wieder gespielt wird? Was passiert bei einem Saisonabbruch?

Sollte das Szenario eintreffen, dass gar nicht mehr gespielt werden kann, ergibt sich eine neue Situation. Solange das nicht der Fall ist, hoffen wir natürlich, dass es irgendwann weitergeht.

Durch die Verschiebung der EM gibt es im Sommer Zeit, die Saison zu Ende zu spielen. Viele Verträge laufen aber nur bis 30.Juni. Ist das ein Problem?

Ich glaube nicht, dass im Juli noch die alte Saison gespielt werden könnte, da dann ja bereits die Qualifikation für den Europacup der neuen Saison laufen würde. Wenn im Juli noch gespielt werden sollte, muss die Fifa verschiedene Änderungen in Bezug auf Vertragslaufzeiten und so weiter einführen, was sicher viel zu kompliziert wäre.

Spüren Sie als Sportdirektor schon, dass die Coronakrise einen Einfluss auf den Transfermarkt und die zuletzt horrenden Preise hat?

Wenn man die ganze Wirtschaft anschaut, hat man schon ein wenig Angst. Ich glaube, dass die Krise auch im Fussball einiges verändern wird, zum Beispiel die Ablösesummen. Wenn die Spieler, die ich aktuell anschaue, im Sommer etwas günstiger zu haben wären, wäre das natürlich auch für den FCB interessant. Handkehrum werden unsere Spieler, die vor einem Wechsel ins Ausland stehen, auch billiger. Aber auch hier sind Prognosen schwierig.

Solidarität heisst in diesen Tagen das Zauberwort. Auch im Fussball gibt es viele Hilfsaktionen. Sollte da auch der FCB mitmachen?

Es ist toll, dass es schon viele solcher Aktionen gibt. Auch wir tauschen uns mit dem Spielerrat über diese Themen aus und versuchen, gemeinsam eine sinnvolle und wirkungsvolle Lösung zu finden.

Wären Sie persönlich bereit, zum Wohl der Gesellschaft oder auch des Vereins auf Lohn zu verzichten?

Ich persönlich finde, dass man es nicht allen erzählen muss, wenn man etwas unterstützt. Deswegen möchte ich hier keine Auskunft geben. Ich gehöre nicht zu denen, die überall erzählen, wo sie überall Gutes geleistet haben.

Der FCB hat Kurzarbeit beantragt. Zunächst für die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle. Seit letztem Freitag wäre das auch für die befristet angestellten Profis möglich.

Der FCB belastet die staatlichen Kassen nicht mit Kurzarbeit für die Spieler, obschon diese selbstverständlich alle Sozialabgaben wie jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer entrichten.

In Sion hat Präsident Christian Constantin den Spielern, die nicht auf Lohn verzichten wollten, fristlos gekündigt. Haben Sie Pajtim Kasami schon gefragt, ob er jetzt ablösefrei nach Basel wechselt?

(lacht) Nein, nein.

Damit die Saison fertiggespielt werden kann, scheinen Geisterspiele unumgänglich. Was wäre aus FCB-Sicht das Wunschszenario?

Es wäre für alle Klubs enorm wichtig, irgendwann weiterspielen zu können. Wenn das sogar mit Zuschauern geht, wäre das umso schöner. Aber wenn für eine gewisse Zeit Geisterspiele durchgeführt werden müssten, wäre das auch schon ein kleiner Schritt vorwärts: Finanziell für die Vereine, aber auch für die Fans, die dann immerhin zu Hause wieder Fussball schauen könnten.

Was hätte ein Saisonabbruch für Folgen für den FCB?

Jeder Abbruch ist aus rein sportlicher Sicht das schlimmste Szenario. Ob Meisterschaft, Cup oder Europacup: Es wäre allgemein schade, wenn nicht mehr gespielt werden könnte. Aber wenn es so ist und uns das Virus noch über Wochen und Monate im Griff hat und wir keinen Impfstoff haben, dann ist es so. Dann muss sich auch der Sport unterordnen. Am wichtigsten sind jetzt die Bereiche, die unsere Gesellschaft tragen.

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