Presseschau

Basler Zeitung vom 11.04.2020

Das Vorgehen des FC Basel lässt tief blicken

Kommentar

Der FCB teilte am Mittwochabend mit, dass die 1. Mannschaft vorerst nicht bereit sei, auf einen Teil ihres Lohns zu verzichten. Die Art der Kommunikation macht deutlich, dass der Club ernsthafte finanzielle Probleme hat.

Tilman Pauls

Der FC Basel war ja eigentlich auf dem besten Weg dazu, ein ganz vorbildlicher Corona-Club zu werden. Nach dem 3:0 gegen Eintracht Frankfurt hat der Verein seinen Alltag Stück für Stück zurückgefahren. Und in den letzten Tagen wirkte es fast schon so, als habe sich der FCB den Umständen entsprechend komfortabel in seiner neuen Realität eingerichtet.

CEO Roland Heri meldet sich regelmässig aus seinem Homeoffice und beantwortet ein paar harmlose Fragen zur Lage des Vereins. Marcel Koller hat im Instagram-Interview mit SRF mal kurz die Kamera auf seinen Balkon geschwenkt und gezeigt, vor welch spektakulärem Panorama er jetzt jeden Tag aufwachen darf. Und Bernhard Burgener nutzt die aktuelle Situation dazu, den Verein so konsequent aus dem Hintergrund zu führen, dass er sich seit Wochen nicht mehr zu den Sorgen und Problemen des FCB äussert.

Es wirkte fast schon ein bisschen zu harmonisch. Bis der Club am Mittwochabend um kurz nach 22 Uhr eine Mitteilung mit dem nüchternen Titel «Laufende Verhandlungen betreffend Lohnverzicht» veröffentlichte.

Als Folge der Einstellung des Spielbetriebs und der Einnahmeausfälle habe die Basler Geschäftsleitung mehrere Massnahmen zur Reduktion der Kosten geprüft und umgesetzt. So steht es dort. Und natürlich haben die Basler auch jenen Bereich eingehend geprüft, in dem es sich bei einem Fussballclub am besten sparen lässt. Bei den Spielerlöhnen.

«In diesem Zusammenhang wurde der 1. Mannschaft vorgeschlagen, vorläufig auf 17,5 Prozent des Jahreslohns zu verzichten. Dies entspricht in den Monaten April, Mai und Juni 2020, in denen der Spielbetrieb voraussichtlich nicht oder nicht in gewohntem Masse durchgeführt werden kann, einem Lohnverzicht von 70 Prozent», schreibt der Verein. Der Vorschlag wurde von den Profis in einer ersten Stellungnahme abgelehnt.

Auf den ersten Blick scheint es viel über das vermeintliche Desinteresse der verwöhnten Fussballerschaft auszusagen. Aber die Mannschaft hat sich vor einer Woche auf eigene Initiative hin dazu bereit erklärt, einen «substanziellen Betrag» an die Stiftung Pro UKBB und die Glückskette Schweiz zu spenden. Und innerhalb des Teams soll durchaus die Bereitschaft existieren, auf Teile des Lohns zu verzichten.

Natürlich gibt es trotzdem Fragen. Wieso sollten zum Beispiel die Zuschauer bei ihren Jahreskarten auf bereits gezahlte Partien verzichten, wenn nicht mal die Profis zu Einbussen bereit sind? Wie gross ist das Bewusstsein für die aktuelle Lage, wenn die Spieler ihrem eigenen Verein und dessen Mitarbeitenden nicht zur Seite stehen? Und wie sieht es in Sachen Lohnverzicht eigentlich bei führenden Offiziellen des Vereins aus? Sind Trainer, Sportchef oder CEO bereit, zu gleichen Teilen auf Geld zu verzichten? Immerhin kommen sie ja durchaus auf ein vergleichbares Salär wie die Profis.

All das sind berechtigte Fragen, auf die man in den kommenden Tagen wirklich gerne eine Antwort hätte. Aber ohne die genauen Hintergründe und das Vorgehen des Vereins zu kennen, sollte man die Profis nicht einfach blind verurteilen.

Es ist ja schon verwunderlich, dass der FCB in Sachen Lohnverzicht so offensiv und detailliert kommuniziert. Mit der Mitteilung hat der Verein bewusst Druck auf die Spieler aufgebaut und bereitwillig in Kauf genommen, dass sie von ihren eigenen Fans kritisiert werden. Mit dem zuletzt so häufig zitierten Zusammenhalt der rotblauen Familie hat das nichts zu tun.

Noch viel mehr aber ist das drastische Vorgehen des Vereins ein Zeichen, wie massiv der FC Basel von der aktuellen Krise betroffen ist. Der Club hat die Tür einen Spalt weit geöffnet und seine wahren Probleme offenbart, die viel gravierender sind, als es die Verantwortlichen zugeben würden.

Für diejenigen, die es schon wieder vergessen haben sollten: In den Jahren 2017 und 2018 hat der FC Basel 20 Millionen Franken mehr ausgegeben als eingenommen. Trotz Prämien aus der Champions League (2017) und eines exorbitanten Transfergewinns (2018). Präsident Burgener hat stets betont, dass unter seiner Führung der luxuriöse Apparat redimensioniert werden solle. Aber die negative Entwicklung der vergangenen Jahre setzt sich auch im Geschäftsjahr 2019 fort.

Gemäss Informationen der BaZ soll der Verein rund 15 Millionen Franken, die in der Holding schlummerten, in die AG überführt haben, um den Verlust des Geschäftsjahres zu decken. Demzufolge ist von den ehemals 22 Millionen Franken Reserve, die die alte Clubführung für die Holding auswies, der grösste Teil aufgebraucht.

Zwar hat der Club die Finanzinformationen für das Jahr 2019 noch nicht veröffentlicht. Aber klar ist: Der FCB hat abermals Geld verloren. Durch die aktuelle Krise wird sich die Entwicklung nur noch beschleunigen. Und man kann auch ohne genaues Kennen der Zahlen eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass die Liquidität des Vereins gefährdet ist.

Dass der Verein die Option bei Edon Zhegrova nicht gezogen hat, ist ein Hinweis. Und auch das Vorgehen beim Thema Lohnverzicht: Auf der einen Seite ist der Vorschlag der Geschäftsleitung - 70 Prozent weniger Lohn in den nächsten drei Monaten - relativ einschneidend. Und dazu kommt die Art und Weise der Kommunikation.

Es zeigt: Die aktuelle Krise stellt nicht nur Vereine von der Grösse eines FC Thun vor existenzielle Probleme. Sondern selbst einen Club wie den FCB, der es in den letzten drei Geschäftsjahren nicht geschafft hat, dass das Verhältnis zwischen seinen Einnahmen und seinen Ausgaben stimmt. Nun ist der Club durch die aktuellen Entwicklungen schneller als gedacht in seiner Existenz bedroht.

Angesichts dieser Entwicklung kann es nicht überraschen, dass Bernhard Burgener nach einem Abnehmer für sein Aktienpaket sucht, so wie das immer mal wieder zu hören ist. Und in diesem Fall wäre Mitbesitzer David Degen wohl die naheliegendste Option für eine Übernahme.

Schon die kommenden Wochen und Monate könnten über all diese Dinge Aufschluss geben. Denn dass die Geschäftsleitung sich von der Mannschaft distanziert und bewusst Druck auf die eigenen Profis ausübt, das zeigt, dass die Basler sich hinter all ihren Trainingsvideos, Koch-Challenges und Matchday-Throwbacks in schwerwiegenden Nöten befinden.

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