Basler Zeitung vom 17.07.2020
Die Nachricht von Bernhard Burgeners Absicht, die britische Investmentfirma Centricus beim FC Basel ins Boot zu holen, bewegt die Öffentlichkeit und wirft viele Fragen auf. Eine Auslegeordnung.
Oliver Gut
Gestützt auf zwei unabhängige Quellen berichtet die «Handelszeitung» in ihrer neusten Ausgabe von Bernhard Burgeners Absicht, die britische Investmentfirma Centricus als Minderheitsaktionärin in den FC Basel zu holen. Die Rede ist von 20 bis 30 Prozent der Holding-Aktien, welche der FCB-Besitzer und -Präsident an Centricus veräussern will. Die BaZ liefert Antworten auf Fragen, die sich im Zuge dieser Nachricht stellen.
Stimmt, was die «Handelszeitung» schreibt?
Ob im Detail alles richtig ist, kann nicht beantwortet werden. Im Kern jedoch stimmen die Informationen: Burgener verhandelt mit Centricus über eine Minderheitsbeteiligung an der FC Basel 1893 Holding AG, indem er einen Teil seiner Aktien veräussert.
Allein die Tatsache, dass die «Handelszeitung» diese Story bringt, verbunden mit dem unterlassenen Dementi beider Parteien, lässt nur diesen Schluss zu. Gestützt wird dies durch Recherchen der BaZ, die das ebenfalls bestätigen. Anzunehmen ist überdies, dass die kolportierte Grösse des Pakets (bis zu 30 Prozent des Aktienkapitals) stimmt.
Wer oder was ist Centricus?
Centricus Asset Management Limited ist eine britische Investmentfirma mit Sitz in London und der Ärmelkanal-Insel Jersey, einer bekannten Steueroase für Unternehmen. Gemäss eigenen Angaben verwaltet Centricus ein Vermögen von 27 Milliarden Dollar und strebt mit seinen Investitionen absolut hohe Renditen in vier Hauptbereichen an: Finanzdienstleistungen, Technologie, Infrastruktur und FEMS (Mode, Unterhaltung, Medien und Sport).
Gegründet wurde Centricus 2016 von Nizar Al-Bassam und Dalinc Ariburnu. Al-Bassam, der sowohl die britische als auch die saudiarabische Staatsbürgerschaft besitzt, firmiert als Direktor von Centricus. Er war zuvor bei der Deutschen Bank Leiter der Unternehmens- und Fremdkapitalmarktfinanzierung für Mittel- und Osteuropa, den Nahen Osten und Afrika, mit der er gemäss Bloomberg nach seinem Abgang einen Rechtsstreit um Bonuszahlungen führte.
Während Centricus in seinem FEMS-Zweig bereits repräsentative Engagements im Mode- und Hotelbereich vorweist, ist aus dem Sportsegment bislang nichts bekannt. Allerdings tauchte der Name Centricus im Herbst 2018 im Zusammenhang mit der Fifa auf: Damals ging es um Pläne, im Rahmen eines 25-Milliarden-Deals den Grossteil der Fifa-Vermarktungsrechte zu veräussern. Als beabsichtigter Co-Partner in diesem Deal wurde auch Centricus genannt. Der «Tages-Anzeiger» schrieb damals über die Investmentfirma: «Centricus hat Anbindung an die grossen Privatfonds der Welt, insbesondere an Softbank und saudische Anleger.»
Warum redet Burgener mit ausländischen Investoren?
Im Mittelpunkt steht die finanzielle Situation des Clubs: Das Geschäftsjahr 2019 der FC Basel 1893 AG (Profifussball-Abteilung) endete mit einem Allzeit-Rekordverlust von 19,4 Millionen Franken, der durch den Transfer von 18,7 Millionen Franken aus der Holding ausgeglichen wurde. Damit waren bereits vor Corona praktisch alle flüssigen Reserven aufgebraucht, die der Club 2017 aufwies, als Burgener den FCB von Bernhard Heusler übernahm. Der da bereits laufende Kampf um die Liquidität wurde durch die Corona-Krise verschärft. Burgener selbst sprach zwischenzeitlich davon, dass der Club ab Oktober ein Problem mit seiner Zahlungsfähigkeit habe, wenn er weiterhin ohne Zuschauer spielen müsse.
Geldgeber sucht Burgener bereits seit längerem. Und es ist anzunehmen, dass er sie zunächst weiterhin in Basel und der Region suchte, nachdem sich ja im September 2019 David Degen mit einem Aktienpaket von 10 Prozent als Miteigentümer verpflichtet hatte. Allerdings dürfte niemand daran interessiert gewesen sein, ein grösseres Aktienpaket zu Burgeners Konditionen zu erwerben. Wie diese aussehen, lässt sich aus seinen letzten Voten lesen: Burgener sprach davon, den Club nicht abgeben zu wollen. Und er liess durchblicken, dass für ihn ein persönliches Verlustgeschäft bei einem Aktienverkauf nicht erstrebenswert ist.
Fremdes Geld braucht der FCB trotzdem. Und vielleicht gilt das auch für Burgeners andere Unternehmungen. Womöglich hat er mit Centricus einen Partner gefunden, der bereit ist, auch bei Burgeners Highlight-Communication-Gruppe einzusteigen. Jedenfalls schreibt die «Handelszeitung», Centricus ziehe ein strategisches Engagement in der Region in Betracht, das weit über den FC Basel hinausgehen soll. Wenn dem so ist, könnte dies auch einfach bedeuten, dass dieses Engagement bis an die Netzibodenstrasse 23B in Pratteln reicht, wo die Highlight Communication zu Hause ist.
Burgener braucht Geld - doch was will Centricus?
Das ist die Schlüsselfrage. Centricus und seine Intentionen erscheinen zum jetzigen Zeitpunkt undurchsichtig. Wenn es um den FCB geht, steht allerdings die Befürchtung im Raum, dass eine Minderheitsbeteiligung nur der Anfang einer Übernahme wäre. Dass Investoren ohne Aussicht auf eine Mehrheit in einen Fussballclub einsteigen, ist selten bis nie der Fall. In der Regel sind weitere Bedingungen an ein derartiges Engagement geknüpft. Erfüllen Sie sich, verschieben sich die Stärkeverhältnisse.
Würde Burgener damit sein «Für immer Rotblau»- Versprechen brechen?
Jein. Erst, wenn daraus eine ausländische Mehrheitsbeteiligung würde. Das widerspräche dann seiner Aussage, wonach der Club in Basler Händen bleiben soll. Und auch Burgeners Aussage, wonach regionale Kräfte zur Unterstützung jederzeit willkommen seien, schliesst ausländische Miteigentümer nicht explizit aus. Allerdings hat Burgener mit derartigen Voten bei vielen FCB-Anhängern den Anschein erweckt, dass die Tür für ausländische Investoren per se geschlossen sei.
Wie fallen die Reaktionen auf die Enthüllungen aus?
Spürbar sind vor allem Enttäuschung und Wut. Und sicht- und lesbar ist dies seit Donnerstagmorgen entlang der Geschäftsstelle des FC Basel, wo Fassade und Eingangsbereich in der Nacht mit den Sätzen «Für immer Rotblau? Fuck off Centricus!» verschmiert wurden. Allerdings haben sich intern auch die unabhängigen Stimmen (Dominik Donzé, Reto Baumgartner, Benno Kaiser, Marco Streller) aus dem Vorstand des Basisvereins FC Basel 1893 zu Wort gemeldet und Bernhard Burgener beschieden, dass sie einen Verkauf an ausländische Investoren strikte ablehnen.
Wie reagieren Burgener und der FC Basel?
Bernhard Burgener war für diese Zeitung bislang nicht für eine Stellungnahme erreichbar. FCB-Kommunikationschef Remo Meister lässt ausrichten: «Der FC Basel nimmt zu Spekulationen jeglicher Art keine Stellung.» Ob wegen der Schmierereien entlang der Geschäftsstelle Anzeige gegen unbekannt erstattet wird, soll intern noch nicht entschieden worden sein.
Wäre der Deal in der FCB-Geschichte einzigartig?
Nein. Schon Ende der 1990er-Jahre hielt die britische Investorengruppe Enic einen beträchtlichen Teil der damaligen FC Basel Marketing AG, aus der später die FC Basel 1893 Holding AG entstand. Auch damals war das Engagement der finanziellen Not des Clubs entsprungen. Und auch damals wurden die Verantwortlichen im Club angefeindet. Das Überleben des Clubs sicherte dann allerdings die UBS, bevor schliesslich Gigi Oeri einstieg und die Situation mit Enic Anfang der 2000er-Jahre endgültig bereinigte.
Kann David Degen den Verkauf verhindern?
Ja. Er hat als Minderheitsaktionär als Einziger die juristische Macht dazu. Degen besitzt eine Option auf den Kauf weiterer Aktien aus Burgeners Anteil. Die Rede ist von zusätzlichen 35 Prozent, die er erstehen könnte. Bei den aktuellen Verhältnissen ohne Centricus bedeutete dies: Würde er davon vollumfänglich Gebrauch machen, würde er künftig rund 45 Prozent aller Holding-Aktien halten, Burgener blieben gegen 47 Prozent.
Mit dieser Option einher geht - wie das üblich ist - ein Vorkaufsrecht. Das bedeutet: Wenn Burgener Aktien an eine Drittpartei veräussert, kann Degen dieses Paket erwerben - dann, wenn er bereit ist, denselben Preis zu bezahlen wie der andere Interessent.
David Degen ist gewiss gewillt, sich gegen einen Verkauf an Centricus zu wehren. Fraglich ist allerdings, ob er aktuell über Geld und Bereitschaft verfügt, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Die Beziehung zwischen ihm und Burgener ist unter dem Eindruck diverser Alleingänge des Präsidenten belastet. Das ist für Degen keine gute Grundvoraussetzung, um noch mehr Geld zu investieren, ohne dass er die Mehrheit erlangt. Und auch er weiss, dass damit weder die Finanz- noch die Führungsprobleme des FC Basel gelöst wären.
Bleiben anderen Optionen, um den Deal zu verhindern?
Keine, die mit einer Garantie versehen sind. Es ist immer wieder zu hören, dass es unter den FCB-Sympathisanten Bewegungen gebe, die um tragfähige Lösungen bemüht seien. Lösungen ohne Burgener, die nur dann funktionieren, wenn auch die finanzielle Potenz mit ihnen einhergeht.
Diese Potenz müsste gross genug sein, um Burgener zu einem Verkauf der Mehrheit zu bewegen. Namen mit rotblauem Herzen und entsprechendem finanziellem Portfolio, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt werden, stammen in der Regel aus dem Daig. Da ist die Familie Oeri. Da wäre auch Eric G. Sarasin, der sich schon 2016 für den Kauf interessierte. Nur: Bisher sind das alles Gerüchte. Möglich wäre auch, dass der Deal mit Centricus nicht zustande kommt, weil sich der Interessent davon distanziert. Zumindest Burgener dürfte unterschätzt haben, wie die Reaktionen auf die Enthüllungen ausfallen. Ob ein ausländischer Investor sich tatsächlich diesem Gegenwind aussetzen will, der nun aufkommt?
Schliesslich bleibt David Degen: Wer Centricus verhindern will, müsste mit dem Mitbesitzer das Gespräch suchen, der dazu die juristischen Mittel hat.
Was ist von der GV im Oktober zu erwarten?
Die negative Atmosphäre hält schon länger an. Die Muttenzer Kurve hat Burgener und alle Holding- sowie AG-Verwaltungsräte ausser David Degen bereits öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. Die jüngste Episode - egal, wie sie sich entwickelt - wird bei den FCB-Anhängern und -Mitgliedern weiteres Vertrauen kosten. Sprich: An der Generalversammlung im Oktober wäre es fast schon eine Überraschung, sollte sich eine Mehrheit für Burgener aussprechen. Was geschieht, wenn Burgener die Mehrheit der Mitglieder gegen sich hat, kann keiner sagen.