Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 16.09.2020

«Da sass ich irgendwann schon auf Nadeln»

Interview: Jakob Weber

Heinz Lindner spricht im ersten Interview als FCB-Goalie über seine Rolle im Team, Arbeitslosigkeit und einen alten Bekannten bei Osijek.

Am heutigen Mittwoch reist der FC Basel nach Kroatien. Dort geht es in der Europa-League- Qualifikation gleich im ersten Pflichtspiel der neuen Saison um alles. Einen Tag vor der Abreise nimmt sich der neue Torhüter Heinz Lindner Zeit für gleich zwei grössere Interviews.

Wie schlimm war es, während der Coronakrise zwei Monate arbeitslos zu sein?

Heinz Lindner: Das war natürlich keine angenehme Situation. Aber es kommt darauf an, was man für Alternativen hat, was im Hintergrund gerade für Gespräche laufen. Da gab es in meinem Fall zum Glück immer das ein oder andere Angebot.

Hatten Sie nie Angst, bei Saisonstart ohne Verein dazustehen?

Jein. Ich bin schon mit einer gewissen Ungewissheit in den Urlaub. Nicht zu wissen, wie es weitergeht, ist für keinen Menschen angenehm. Aber die verschiedenen Interessenten haben dieses Gefühl geschmälert. Mein Berater und ich haben uns mit vielen Vereinen unterhalten. Aber als ich wusste, dass ich das Gespräch mit dem FCB haben werde, habe ich mich komplett darauf fokussiert. Jetzt bin ich hier und froh und dankbar darüber, in Basel zu sein.

Sie waren bereits vor einem Jahr arbeitslos. Nach dem Abgang von GC fanden Sie mit Wehen Wiesbaden erst im Oktober 2019 einen Klub.

Damals war es schwieriger, einen Verein zu finden. Es gab zwar auch damals einige Gespräche mit interessierten Klubs. Aber ich habe kurzfristig den Berater gewechselt, was im Nachhinein sicher die falsche Entscheidung war. Da war ich zu naiv und habe mich von Versprechungen leiten lassen, die am Ende nie eingelöst wurden. Da sass ich dann irgendwann schon auf Nadeln.

Haben Sie sich irgendwann selber angeboten?

Ich biete mich grundsätzlich nicht selber an. Das macht mein Berater. Unabhängig von Corona und Vertragslaufzeit gab es im Hintergrund immer wieder mal Gespräche. Es war aber nicht so, dass ich mich da aktiv beteiligt hätte.

Wie war Ihr Tagesablauf als arbeitsloser Fussballer?

Als Torhüter ist es leichter, spezifisch zu arbeiten. 2019 habe ich mich mit dem ehemaligen National-Torhütertrainer fitgehalten. Er ist ein Linzer wie ich. Dreieinhalb Monate ohne diese Einheiten wären fatal gewesen. Zusätzlich habe ich im Fitnessstudio oder auf dem Laufband trainiert, um fit zu bleiben. Diesmal war es nicht so lange. Da konnte ich mich ohne Trainer selber fit halten.

Haben Sie Arbeitslosengeld beantragt?

Ich musste, weil man dann auch versichert ist.

Nach dem 9. Spieltag wechselten Sie dann 2019 doch noch in die 2. Bundesliga.

Anfang der Transferperiode dachte ich nicht, dass ich dahin wechseln würde. So ehrlich muss ich sein. Aber letztendlich bin ich sehr dankbar, dass ich in diesem familiären Klub die Chance bekommen habe und auch sofort spielen durfte. Wir kamen unten raus, lagen zeitweise über dem Strich. Leider hat es am Ende doch nicht für den Klassenerhalt gereicht.

War es klar, dass Sie nur eine Saison in Wiesbaden bleiben?

Nein. Es gab auch die Möglichkeit, länger dort zu bleiben. Aber nur, wenn wir die Klasse gehalten hätten. Das war von Anfang an so abgemacht. Und das ist bekanntlich nicht passiert. So war klar, dass sich die Wege im Sommer trennen.

Sie sind jetzt mit GC und Wiesbaden zweimal in Folge abgestiegen. Nagt das an Ihnen?

Nein, gar nicht. Ich habe jetzt für drei Jahre in Basel unterschrieben. Bislang bin ich in meiner Karriere einmal mit Austria Wien Meister geworden und bin sicher, dass ich nach dem Ende meines Vertrags hier wieder eine positive Meister-Abstiegs-Statistik haben werde.

Wann gab es den ersten Kontakt mit dem FCB?

Interesse wurde schon bekundet, als ich noch für Wehen Wiesbaden gespielt habe. Nach der Saison hat mir mein Berater dann irgendwann gesagt, dass wir uns mit dem FCB treffen werden.

Wer hat das Gespräch geführt? Der FCB hat ja aktuell keinen Sportchef.

Der Erstkontakt fand mit Ruedi Zbinden und Philipp Kaufmann statt.

Was haben die beiden Ihnen versprochen?

Natürlich war das Gespräch gut. Aber ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich schon vor dem Treffen unbedingt hierher wollte. Da hätte schon einiges schiefgehen müssen, damit ich mich umentschieden hätte. Nach dem Gespräch war ich aber noch überzeugter.

Der FCB hat Sie im Communiqué mit folgenden Worten empfangen: «Lindner soll mit seiner Erfahrung und seiner aufgeschlossenen Art das Goalieteam optimal unterstützen und ergänzen.» Das tönt sehr nach Nummer 2. Warum machen Sie das?

Weil der FCB ein Riesenverein ist, der mir schon vor meiner Zeit bei GC ein Begriff war. Meine Freunde Aleksandar Dragovic und Marc Janko waren hier. Sie haben nur Positives berichtet. Auch international hat der FCB viele Schlagzeilen gemacht. Das hat man auch in Österreich mitbekommen. Es freut mich, jetzt ein Teil dieses Klubs zu sein.

Auch als Nummer 2?

Wer letztendlich spielt, hat der Trainer zu entscheiden. Ich werde der Mannschaft helfen, wenn ich auf dem Platz stehe. Aber auch, wenn ich nicht auf dem Platz stehe. Der Klub steht an erster Stelle, und dementsprechend werde ich mich verhalten. Aber natürlich werde ich nicht zufrieden sein, wenn ich nicht spiele. Als Sportler willst du immer spielen. Das ist bei mir nicht anders.

Hat Trainer Ciriaco Sforza schon entschieden, wer am Donnerstag spielt und demzufolge wohl auch die Nummer 1 ist?

Diesbezüglich hat noch kein explizites Gespräch stattgefunden. Aber egal, wie die Entscheidung ausfällt: Ich werde aus beiden möglichen Situationen das Beste machen.

Sie waren bereits bei Eintracht Frankfurt lange die Nummer 2. Freut man sich da insgeheim, wenn die Nummer 1 patzt?

Auf keinen Fall. Aus dem Alter, wo man so denkt, bin ich raus. Fehler des Keepers bedeuten immer Misserfolg der Mannschaft. Da sitzt man im gleichen Boot. Denn am Schluss ist das Grosse und Ganze wichtig.

Am Donnerstag startet die Saison mit einer Alles-oder-nichts-Partie in der Europa-League-Quali gegen NK Osijek. Was erwartet Euch in Kroatien?

Sicher ein unangenehmer Gegner, der genauso wie wir dieses Spiel unbedingt gewinnen will. Ich kenne den Trainer aus meiner Zeit bei Austria Wien. Nenad Bjelica hat uns in der Champions-League-Saison trainiert. Er hat in den letzten Jahren sehr gut gearbeitet, ist dann über Lech Posen und Dinamo Zagreb in Osijek gelandet. Er wird die Mannschaft gut einstellen. Aber wenn wir dagegenhalten und unser Spiel durchziehen, haben wir gute Chancen, als Sieger vom Platz zu gehen.

Können Sie der Mannschaft helfen, wenn Sie den Trainer des Gegners gut kennen?

Ich weiss nicht. Das ist schon so lange her. Er hat sich sicher auch verändert und wird nicht die gleichen Standardtricks anwenden wie damals.

Wie verfolgen Sie, was sich bei Ihrem Ex-Klub GC abspielt? Stichwörter: chinesische Übernahme und portugiesische Neuzugänge.

Ich kriege das natürlich mit. Ich will mich da nicht gross äussern. Aber es wäre wichtig, dass so ein Klub wieder in der höchsten Liga spielt. Es würde mich freuen, mit Basel wieder gegen GC spielen zu können.

Sie haben schon bei GC recht turbulente Zeiten erlebt, auch in Basel hängen aktuell überall in der Stadt Protestplakate gegen die Klubführung. Was ist Ihre Taktik gegen Störfeuer von aussen?

Das Wichtigste ist, sich als Spieler auf das zu fokussieren, was man beeinflussen kann. Das ist der grüne Rasen. Dort können wir Sachen in die richtige Richtung lenken. Auf alles andere haben wir als Mannschaft keinen Einfluss. Dafür sind andere zuständig. Wir Spieler sind dafür da, auf dem Rasen zu performen und Siege abzuliefern.

Sie haben in Österreich, Deutschland und der Schweiz gespielt. Was sind die auffälligsten Unterschiede?

Es hat mir überall sehr gefallen. Fussballerisch ist die Schweiz spielerisch etwas besser als Österreich. Dort schlagen Teams im unteren Teil der Tabelle gerne mal Langholz, wie wir in Österreich sagen. In der Schweiz spielen auch die Abstiegskandidaten schönen Fussball.

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