NZZ vom 24.09.2020
In Basel hat sich eine neue Widerstandsbewegung gegen den Präsidenten Bernhard Burgener formiert – sie ist so breit wie noch nie
Flurin Clalüna
Es ist wie ein Tachometer, der in Basel seit einigen Tagen das Tempo der Unzufriedenheit mit der Vereinsführung des FCB misst, und sie wird immer grösser. Mehr als 8000 Personen haben eine Petition unterzeichnet, die auf Veränderungen drängt. Was in der Stadt gerade entsteht, ist eine Gruppe des Widerstands gegen die Politik des Präsidenten Bernhard Burgener, eine Graswurzel-Bewegung aus Kultur, Politik und Fans, die es in der Schweiz so vielleicht nur in Basel geben kann. In einer Stadt, die sich ihren Fussballklub so sehr einverleibt hat, dass alle mitreden, auch wenn sie gar nicht so viel von Fussball verstehen. Aber dafür umso mehr von seiner Kultur. Sie wissen, was der FC Basel bedeutet.
Die Basler SP-Ständerätin Eva Herzog sagt: «Ich habe zwar auch eine Saisonkarte, bin jedoch kein Hardcore-Fan. Aber auch ich habe nicht viel Verständnis für gewisse Handlungen von Bernhard Burgener.» Es geht um das Gefühl der Entfremdung und gar nicht einmal so sehr um den kleiner gewordenen sportlichen Erfolg. Auch wenn Burgener das meint und glaubt, mit einem Meistertitel wäre alles wieder gut.
Ein Aufstand
Aus dem monatelangen Unbehagen ist ein gesellschaftlicher Aufstand geworden. So breit war der Widerspruch noch nie. Teile der Stadt protestieren seit längerem mit allem, was sie haben, um ihren Unmut sichtbar zu machen: mit Karikaturen und Transparenten, Protestliedern, Boykottdrohungen, mit Vandalismus auch, mit öffentlichen Rücktrittsforderungen an Burgener, so wie es die Muttenzer Kurve Mitte Juni getan hat. Und jetzt hat sich also vor ein paar Tagen die Initiative «Yystoo für e FCB» formiert, die der Besorgnis einen Rahmen gibt. Sie geht weit über den Protest hinaus, der sich bisher vor allem in der Muttenzer Kurve manifestiert hat.
Nicht alle Fans sind mit der Bewegung einverstanden, sie spricht nicht für alle, aber für viele in Basel. Der Name der Bewegung ist angelehnt an eine Kampagne aus den achtziger Jahren, als der FC Basel vom Konkurs bedroht war. Damals war es eine existenzielle Krise, heute vor allem eine ideelle. Florian Senn, der Bassist der Basler Musikband Lovebugs, sagt: «Ich bin nicht mehr so oft im Stadion wie früher, aber was alles am Laufen ist, stimmt emotional für mich nicht mehr. Ich kann zum Beispiel mit den Engagements in Indien und im E-Sport nichts anfangen.» Burgeners Mitwirkung in einem indischen Fussballklub sowie die elektronische Fussballunterhaltung standen am Anfang der Irritationen zwischen Klubführung und Anhang. Seither ist vieles hinzugekommen, eine verwirrende Personalpolitik, Rücktritte prominenter früherer FCB-Spieler wie Marco Streller oder Alex Frei, eine schlechte Aussendarstellung. Kürzlich machte das Gerücht die Runde, Aktienanteile des FCB würden an eine britische Investmentfirma verkauft. Der Musiker Senn sagt: «Das ist nicht mein FCB.»
«Demokratische Energie»
Fans, die sich in ihrem Klub nicht mehr wiedererkennen und dessen Präsidenten nicht verstehen: Das ist der Kern des Protests von «Yystoo für e FCB». Claudio Miozzari, SP-Grossrat von Basel-Stadt und Mitautor des Buches «Der FC Basel und seine Stadt», spricht von einer «demokratischen Energie», die er in der Bewegung spüre. Er sagt: «Der Klub kommuniziert momentan nicht gut, und das löst Unruhe aus. Die Grundfrage, wem der FC Basel gehört, stellt sich aber schon länger. Rechtlich gehört die FC Basel 1893 AG zu einer Mehrheit Herrn Burgener. Aber emotional gehört so ein Fussballklub viel mehr Leuten.»
Die Frage nach den Besitzverhältnissen ist zentral. Auf der Website von «Yystoo für e FCB» steht: «Haben wir eine Lösung? Nein. Dafür ist unser Portemonnaie leider zu klein, und wir sind auch keine Marionetten von irgendjemandem. Wir bieten aber die bisher einzige bekannte Perspektive, die Ohnmacht hinter uns zu lassen.» Es geht der Initiative nicht um eine Entmachtung des Präsidenten Burgener. Das könnte sie gar nicht durchsetzen. Burgener ist mit der FCB-Holding AG Mehrheitsaktionär der AG. Aber es geht um einen Machtausgleich, einen symbolischen zumindest. Ein Anliegen ist etwa, dass Burgener nicht gleichzeitig Präsident des Vereins und der FCB-Aktiengesellschaft sein soll. Burgener wäre auch nach der Ämtertrennung immer noch dort der Chef, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden: bei der ersten Mannschaft. Aber es gäbe ein Korrektiv.
Im Oktober könnte Burgener an der Generalversammlung als Vereinspräsident abgewählt werden. Es brauchte dazu eine Statutenänderung. Es wäre ein Schlusspunkt einer Entwicklung, die schon länger anhält. Der Zuspruch der Mitglieder sank in den letzten Jahren kontinuierlich, 2017 betrug die Zustimmung für Burgener 82 Prozent, 2018 78, 2019 noch 65. «Wenn ich der falsche Mann bin, müsst ihr mir das sagen», meinte er damals. Inzwischen sehen in Burgener viele einen ungeeigneten Mann, weil ihm das Gespür fehle. Sabine Pegoraro, ehemalige FDP-Regierungsrätin von Baselland, sagt: «Ich kenne Bernhard Burgener persönlich, und ich mag ihn auch gut. Das Vertrauen in die Klubführung ist nicht da. Es wird bezweifelt, ob sie im Sinne des Klubs arbeitet, und man kann nicht nachvollziehen, ob gewisse Sachverhalte von ihr nur schöngeredet werden. Sehr viele Leute sind nicht zufrieden, Leute wie ich, die an fast jedes Spiel gehen.»
Der FC Basel äussert sich nicht zu den Vorwürfen. In dieser Woche fanden Gespräche zwischen der Vereinsführung und Fangruppen statt, und offenbar soll Burgener nicht abgeneigt sein, den Vereinsvorstand aufzugeben.
Am Donnerstag spielt der FCB um seine Zukunft in Europa, in der Europa League gegen Anorthosis Famagusta aus Zypern. Aber in diesen Tagen geht es für den FCB noch um viel mehr als nur um Sport. Nach drei Jahren unter der Präsidentschaft von Bernhard Burgener ist der FC Basel in seinem Selbstverständnis erschüttert. Auf der Website von «Yystoo für e FCB» steht, der FCB habe «auf vielen Ebenen grossen Schaden erlitten». Und weiter heisst es: «Um diese Entwicklung zu stoppen, soll ein Übergang zu einer neuen, lokal verankerten Klubverantwortung in Form neuer Besitzverhältnisse angestossen werden. Gleiches gilt für eine fähige Neubesetzung der operativen Führung.»
Trotz aller Kritik: Die Diskussion spielt sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld ab. Die Anwältin und einstige basellandschaftliche Regierungsrätin Pegoraro sagt: «Es war notwendig, zu sparen, und das ist eine undankbare Aufgabe, die Burgener hat. Er macht sich damit sicher keine Freunde. Dafür kritisiere ich ihn auch nicht.» Es ist das erste verständnisvolle Wort für Burgener seit langem.
Mitarbeit: cen., cov.